Deutlicher wurde Emmelshausens Beigeordneter Karl-Heinz Hoffmann (FWG): „Der Bürger muss sich hier verarscht fühlen.“ Die Kommunen würden erpresst, die Entscheidung des Landes sei eine Unverschämtheit.
Doch nicht nur diese Neuerung seitens des Landes sorgt für Frust. In einem Schreiben, das Peter Unkel, Bürgermeister der Verbandsgemeinde (VG) Hunsrück-Mittelrhein, und alle Stadt- und Ortsbürgermeister der VG mit ihrer Unterschrift unterstützen, wandten sich die Bürgermeister von Morshausen und Ney, Hans-Peter Friedrich und Sascha Thönges, an die Landesregierung. Betreff: „Kommunales Selbstverwaltungsrecht de facto abgeschafft“.
Die zukunftsträchtigen Herausforderungen unserer Zeit könnten nur bewältigt werden, wenn alle Ebenen an einem Strang ziehen, sind die Unterzeichner sicher. Auch die Bürger müssten mitgenommen werden. „Leider sieht die Lebenswirklichkeit jedoch anders aus“, schreiben die Bürgermeister, denn das verfassungsrechtlich verbriefte Recht der Gemeinden auf Selbstverwaltung existiere für viele Gemeinden nicht mehr.
Grund: Gerade jene Orte, die etwa keine Einnahmen aus Windkraft oder Gewerbe haben, würden durch die Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben regelrecht in den finanziellen Ruin getrieben. Notwendige Haushaltsmittel, „die zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben oder für die besonderen Anforderungen zur Erfüllung bestehender oder neuer Aufgaben erforderlich sind“, stelle das Land nicht zur Verfügung. Somit seien den Gemeinden jegliche Spielräume für ihre Selbstverwaltung genommen.
Kitaplätze exemplarisch angeführt
Exemplarisch führen Friedrich und Thönges die Bereitstellung kostenloser Kitaplätze und weitere Vorgaben des Kita-Zukunftsgesetzes auf. „Die derzeit mehr denn je unbestreitbar notwendige Schaffung von Kitaplätzen durch Erweiterung bestehender Kitas oder Neubauten darf nicht zu einer finanziellen Überforderung der Gemeinden führen, die diese über Jahrzehnte in ihrer Selbstverwaltung blockiert“, fordern die Bürgermeister. Gerade finanzschwache Gemeinden könnten Baukosten etwa nur mittels eines Kredits stemmen, diese Situation verschärfe sich aufgrund inzwischen gestiegener Kreditzinsen.
„Während sich das Land hinter seinen Förderrichtlinien verschanzt und unabhängig von der Höhe der Baukosten lediglich einen Festzuschuss von 150.000 Euro pro Gruppe gewährt, sind die Gemeinden durch gesetzliche Vorgaben unter Verstoß gegen haushaltsrechtliche Vorschriften (Haushaltsausgleich) zu horrenden Kreditaufnahmen gezwungen“, schreiben sie weiter. Das Land wälze so – ebenso wie beim vom Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz als verfassungswidrig eingestuften Kommunalen Finanzausgleich geplant – die Mittelbeschaffung in erheblichem Umfang einfach auf die Gemeinden ab.
Für eine zukunftsfähige Entwicklung der Ortsgemeinden müssen diese zwingend über einen finanziellen Spielraum verfügen.
Die Bürgermeister machen ihre Not deutlich
„Die im Rahmen der geplanten Reform des Landesfinanzausgleichsgesetzes ab dem 1. Januar 2023 vorgesehene Erhöhung der Nivellierungssätze für die Realsteuern wird von den Bürgern in unseren ländlich strukturierten Gemeinden als Unrecht aufgefasst“, machen die Unterzeichner deutlich. Denn dadurch werde die beim Land liegende Verpflichtung, die Gemeinden mit ausreichenden Finanzmitteln auszustatten, teilweise auf die Bürger abgewälzt.
Die Erhöhung der Steuersätze führe bei den Bürgern zu erheblichem Unmut. Zudem könne diese den Bürgern vor dem Hintergrund der aktuellen Kostensteigerungen nicht zugemutet werden. „Für eine zukunftsfähige Entwicklung der Ortsgemeinden müssen diese zwingend über einen finanziellen Spielraum verfügen“, sind die Bürgermeister sicher. Etwa, um Neubaugebiete zu schaffen und so auch junge Menschen in den Dörfern zu halten.
„Eine gewachsene dörfliche Struktur, wo Großeltern, Eltern, Kinder und Enkelkinder auch heute noch oft im selben Dorf leben und sich gegenseitig unterstützen, lässt sich nur aufrechterhalten und fördern, wenn der jungen Generation Bleibemöglichkeiten geboten werden“, schreiben sie und fragen: „Doch wo sollen die Gemeinden das Geld hierfür hernehmen, zumal bereits gegenwärtig aufgrund der Finanzlage dringend notwendige Investitionen für Instandhaltungsmaßnahmen an Gebäuden und Straßen immer weiter hinausgeschoben werden müssen?“
Eine Folge sei, dass viele Bürgermeister insbesondere finanzschwacher Gemeinden zusehends die Freude an ihrem Amt verlören. Denn sie müssten für viele Dinge Verantwortung tragen, verfügten jedoch nicht über die finanziellen Mittel, ordnungsgemäße Zustände schaffen zu können. So sei etwa die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht vielerorts nur aufgrund ehrenamtlichen Engagements möglich.
Freude am Amt geht verloren
Auch Gemeinderäte seien mehr und mehr frustriert aufgrund fehlender Handlungsmöglichkeiten. Das habe bereits zu Mandatsniederlegungen geführt, andere wiederum wollten nicht wieder kandidieren. „Viele der in der laufenden Wahlperiode agierenden Gemeindeorgane wollen nicht durch ihre Entscheidungen dazu beitragen, dass die in den kommenden Wahlperioden gewählten Gemeindeorgane nur noch Defizite verwalten müssen“, machen die Unterzeichner deutlich. Es zeichne sich bereits ab, dass bei der Kommunalwahl 2024 die Bereitschaft, Bürgermeister oder Ratsmitglied zu werden, deutlich abnehmen werde, wenn die Gemeinden wegen fehlender Finanzmittel in ihrer Selbstverwaltung handlungsunfähig seien.
„Um die verfassungsrechtlich festgeschriebene Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden wiederherzustellen, bedarf es dringende Abhilfe seitens der Landespolitik“, schreiben de Bürgermeister und enden ihr Schreiben mit den Worten: „Unsere Forderung ist es daher, die den Gemeinden zustehende Selbstverwaltungsgarantie wiederherzustellen. Eine angemessene Unterstützung der jeweiligen Kostenträger muss für die Landesregierung oberste Priorität haben.“ ces/red