Gründerin von "Solidarity with women in distress" will kürzer treten
Schwester Lea Ackermann übergibt Solwodi: Gründerin von „Solidarity with women in distress“ will kürzer treten
Schwester Dr. Lea Ackermann hat 1985 in Ruanda die Hilfsorganisation Solwodi mit Sitz in Boppard gegründet. Nun gibt sie die Verantwortung für viele Projekte und Beratungsarbeiten weiter. Foto: Werner Dupuis
Werner Dupuis

Boppard-Hirzenach. Schwester Lea Ackermann, die Gründerin der internationalen Hilfsorganisation für Frauen Solwodi mit Sitz in Boppard, gibt den Vorsitz angesichts ihres Alters ab. In Dr. Maria Decker hat sie eine Nachfolgerin als Vorstandsvorsitzende gefunden (wir berichteten). Gudrun Angelis und Barbara Wellner komplettieren den Vorstand. Die künftige Leitung hat sich zum Ziel gesetzt, das Lebenswerk der Gründerin fortzuführen, um Frauen in Not und Gewaltsituationen zu helfen.

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Solwodi steht für „Solidarity with women in distress“, übersetzt Solidarität mit Frauen in Not. Der Verein setzt sich in vielen Ländern der Welt für Frauen, junge Mädchen und Kinder ein, die in Not sind. In Deutschland bietet Solwodi in seinen 19 Fachberatungsstellen Beratung und Hilfe für Frauen, die Opfer von Menschenhandel, Zwangsprostitution, Zwangsheirat, Gewalt im Namen der „Ehre“ und anderer Formen von Gewalt und Ausbeutung geworden sind. Teilweise sind den Beratungsstellen des Vereins auch Schutzhäuser für Frauen und Kinder angeschlossen.

Bevor sich Lea Ackermann 1960 für ein Leben als katholische Missionsschwester entschied, arbeitete sie als Bankkauffrau bei der saarländischen Landesbank. „Ich wollte dann ins Kloster gehen, weil ich fromm war. Weil ich abenteuerlustig war und mich für Afrika interessierte, bin ich bei den Missionsschwestern unserer lieben Frau von Afrika in Trier eingetreten“, sagt Ackermann. In der acht Jahre dauernden Vorbereitungszeit auf ihren Einsatz in Afrika absolvierte sie ein Theologie- und Lehramtsstudium, unter anderem im französischen Toulouse. 1972 ging es dann zu ihrem ersten Einsatz auf dem afrikanischen Kontinent nach Ruanda. Dort leitete sie eine Einrichtung, in der junge Frauen zu Lehrerinnen ausgebildet wurden. Gemeinsam bewirtschafteten sie auch die Gärten der Schule und bauten Lebensmittel an. „Damit wollte ich erreichen, dass die zukünftigen Lehrerinnen der Bevölkerung verbunden bleiben.“

Schlüsselerlebnis in Kenia

Nach dem dritten Weltfrauenkongress, der 1985 in der kenianischen Hauptstadt Nairobi stattfand, ging es für Ackermann nach Mombasa. Sie erlebte die Hafenstadt damals als Urlaubsparadies für westliche Touristen. Das Meer war sauber und die Strände traumhaft. „Was mich sehr wütend gemacht hat, war zu sehen, wie viele Touristen gleichzeitig das Elend und die Armut der Frauen gesehen und diese für ihr billiges Vergnügen ausgenutzt haben“, sagt Ackermann. Damals gab es sogenannte Kontaktcafés, in denen Freier die Frauen trafen. „Ich habe das Gespräch mit einer jungen Frau gesucht und sie zum Essen eingeladen, da war das Eis gebrochen.“ Im Gespräch berichtete die erst 17 Jahre alte Frau von ihrer Situation und den dunkelsten Stunden ihres Lebens – sie habe mit 14 Jahren in der Not ihr Kind ertränkt. „Da habe ich meine Gemeinschaft gefragt, ob ich mich um diese Frauen kümmern kann.“ Fortan nahmen sie Frauen auf und gaben ihnen Arbeit. „Wir haben zum Beispiel aus Lehm Kugeln für Perlenketten geformt und Vollkornbrot für die Hotels der Stadt gebacken.“ Zu dieser Zeit wurde auch die erste Beratungsstelle eröffnet. Solwodi war gegründet.

Drei Jahre später musste Schwester Lea Ackermann wegen anderer Aufgaben zurück nach Deutschland. Damals kam sie nach Hirzenach. Pater Fritz Köster betreute die dortige Pfarrei und bot ihr eine Unterkunft an, der Bischof und die Oberin waren einverstanden. Die Arbeit von Solwodi in Kenia organisierte Ackermann aus der Ferne weiter. „Es war zwischendurch etwas holprig, aber wir sind immer weiter gewachsen.“ Mittlerweile gibt es allein in Kenia 34 Beratungsstellen und zahlreiche Agrarprojekte, in denen die Frauen Permakulturen anlegen.

Kümmern um vergessene Kinder

Ein weiteres Projekt dreht sich rund um den Fußball. Solwodi kümmert sich in Afrika auch um die Kinder von Frauen in der Prostitution. „Das sind Kinder, die nie Zuwendung erfahren haben. Neben der Schule wollten wir auch für Freizeitaktivität sorgen.“ Aus diesem Gedanken heraus sind mittlerweile 64 Frauenfußballteams entstanden. Viele der Frauen spielen heute in den höchsten kenianischen Fußballligen, fünf in der Nationalmannschaft. Der Fußballverband Rheinland unterstützt das Projekt, indem Frauen an Trainerausbildungen teilnehmen können. „Solasa“ (Solwodi Ladies Sports Association) ist eines von vielen Projekten, getragen von Solwodi.

Die 19 Beratungsstellen in Deutschland registrierten 2019 rund 2620 Erstkontakte. Frauen aus 112 Ländern haben sich mit vielen verschiedenen Problemen an Solwodi gewandt. „Ich finde, dass wir wirklich helfen und eine gute Arbeit machen. Dazu sind wir auch beständig auf der Suche nach Unterstützern.“ Menschenhandel und Zwangsprostitution seien weiterhin aktuelle Probleme. „Ich sehe da einen Widerspruch zwischen dem Artikel 1 des Grundgesetzes und den Gesetzen, die Prostitution erlauben. Seit 35 Jahren bin ich im Kontakt mit Frauen in der Prostitution. Keine einzige Frau macht das freiwillig.“

Damit die Arbeit von Solwodi gut weitergehen kann, hat Schwester Lea die Leitung zum 1. Juli an das neue Team abgegeben. „Ich werde die Nachfolgerinnen gut einarbeiten“, verspricht die 83-Jährige. Außerdem werde sie den Verein weiterhin unterstützend begleiten und insbesondere bei Vorträgen und Workshops in der Öffentlichkeit repräsentieren.

Die gebürtige Bopparderin Maria Decker hat nach Studium und Promotion bei großen Unternehmen im Marketing und Vertrieb gearbeitet, viele Jahre davon im Ausland. Zuletzt war sie bei der Stiftung Childaid Network für die Bereiche strategische Planung und Fundraising zuständig. „Ich kenne und schätze Solwodi seit mehr als 30 Jahren. Ich freue mich darauf, die Organisation zusammen mit meinen Kolleginnen zu leiten und weiterzuentwickeln, damit Solwodi noch vielen Frauen in Not beistehen kann“, sagt die 55-Jährige.

Weitere Informationen über die Arbeit der Hilfsorganisation gibt es unter www.solwodi.de

An der Ausrichtung der Arbeit und den Zielen werde es keine Veränderungen geben, teilt der Verein mit. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, wie sehr die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft Ausbeutung und Gewalt ausgeliefert sind. Philipp Lauer

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