Eine blutende Wunde, ein niedriger Blutzuckerspiegel oder ein epileptischer Anfall: Wenn Grundschüler in Rheinböllen oder Kirchberg ab Anfang des kommenden Jahres eine medizinische Behandlung benötigen, so wird sich an den jeweiligen Einrichtungen eine neue Schulgesundheitsfachkraft (SGF) von montags bis freitags täglich 3,9 Stunden um sie kümmern.
Beide Schulen sind nach Angaben der Leiterinnen von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Koblenz vorgeschlagen und vom rheinland-pfälzischen Bildungsministerium ausgewählt worden, um an dem Modellprojekt „Einsatz von Schulgesundheitsfachkräften in RLP“ (siehe Infokasten) stellvertretend für die Region Rhein-Hunsrück teilzunehmen.
Über diese „Unterstützung“ freuen sich Christina Böttcher (Schule “Am Hochsteinchen" Rheinböllen) und Karin Wonka (Freiherr-von-Drais-Grundschule Kirchberg) sehr, wie sie auf Nachfrage unserer Zeitung erklären. Denn: „Diabetes, Asthma, Epilepsie, Mukoviszidose oder psychische Probleme. Es gibt viele Kinder, die ihr Päckchen zu tragen haben“, weiß Böttcher zu berichten. Und genau diese „Kinder mit besonderen Bedarfen“ würden nun in den Fokus rücken.
Beginn der Pilotphase in 2018
Dass sich das Projekt bewährt hat, zeigt sein Verlauf: Nachdem die ersten SGF vorerst an zwei Grundschulen in Mainz eingesetzt worden sind, konnte die Landeszentrale für Gesundheitsförderung (LZG), der Träger des Projektes, nach eigenen Angaben aufgrund der positiven Rückmeldungen und vielversprechenden Ergebnisse das Projekt 2022 deutlich ausbauen.
Und mehr: Bis Ende 2023 sollen insgesamt 26 Schulen von einer SGF profitieren. Schließlich seien die Vorteile nicht von der Hand zu weisen, heißt es vonseiten des LZG, das hierzu einen Kooperationsvertrag mit dem Land Rheinland-Pfalz sowie dem Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik der Universitätsmedizin Mainz geschlossen hat. Letzteres übernimmt die wissenschaftliche Begleitforschung.
„Unsere Schulgesundheitsfachkraft ist ein Gewinn für die ganze Schulgemeinschaft und eine große Entlastung“, wird zum Beispiel Heike Stock, Schulleiterin der Albert-Schweitzer-Schule in Alzey, bei einem Besuch von Ministerin Stefanie Hubig zitiert. Dabei ergänzt Stock: „Sie bringt uneingeschränktes Fachwissen mit und unterstützt maßgeblich den wichtigen Aspekt des Netzwerkbildens zwischen Eltern, medizinischen Einrichtungen, dem Gesundheitsamt und externen Institutionen.“
Dass das Kollegium entlastet wird und sich seinen eigentlichen Aufgaben wieder mehr widmen kann – nämlich dem Lehren –, erhoffen sich auch Böttcher und Wonka. „Auch wenn wir alle zwei Jahre einen Erste-Hilfe-Kurs belegen, so sind wir noch lange keine Mediziner“, sagt Böttcher. Dennoch würde die Belegschaft bei chronisch kranken Kindern immer eine hohe Verantwortung übernehmen. „Sie müssen im Notfall ja Medikamente verabreicht bekommen. Hierfür holen wir stets die Einverständniserklärung der Eltern ein.“ Eine Schulgesundheitsfachkraft würde in diesem Fall die medizinische Versorgung im Schulalltag deutlich verbessern, ist sie sich sicher.
Natürlich müssten Eltern auch hierfür ihre Zustimmung erteilen. „Von der Verabreichung von Medikamenten über eine Blutzuckermessung bis hin zu Nahrungsunverträglichkeiten oder gar psychischen Problemen – indem uns die Schulkrankenschwester uns diese Aufgaben abnimmt, hilft sie uns ungemein und hält uns während des Unterrichts den Rücken frei“, befindet Böttcher und stellt klar: „Wir haben unter den 284 Schülern nicht nur chronisch Kranke. Es geht auch um Kinder, die wegen verschiedener Gründe Fehlzeiten haben oder bei denen wir beobachten, dass sie sich mit Bauchschmerzen abholen lassen, es ihnen aber wieder zu Hause besser geht.“
Auch Wonka sieht viele Vorteile. So müssten die Lehrkräfte nicht den Unterricht unterbrechen oder verspätet beginnen, um zum Beispiel ein Pflaster aufzukleben, einen Kühlakku zu organisieren oder ein im Krankenzimmer liegendes Kind zu beaufsichtigen, zählt sie auf. Insgesamt 366 Kinder besuchen den Vormittagsunterricht der Kirchberger Grundschule, davon 200 die Ganztagsschule. Neben chronisch Kranken kämen zusätzlich noch kleinere Unfälle wie ein aufgeschürftes Knie vor, so Wonka. „Das lässt sich nicht vermeiden“, sagt sie und fügt hinzu: „Ich habe das hessische Projekt der Schulkrankenschwester bereits verfolgt und die Kollegen dort um diese sinnvolle Einrichtung beneidet.“ Dass ihre Schule letztendlich ausgewählt worden ist, stimmt sie sehr froh.
Eltern müssen zustimmen
Noch glücklicher ist Wonka allerdings darüber, dass sie die letzte ausstehende Zustimmung Ende November erhalten hat und dem Ministerium danach umgehend mitteilen konnte, dass „Gesamtkonferenz, Schulträger sowie Schulelternbeirat für das Projekt gestimmt haben und die Grundschule Kirchberg damit im vierten Cluster teilnehmen kann“. Als nächster Schritt sei nun eine Elternumfrage geplant, da eine Schulgesundheitsfachkraft grund-sätzlich nur Kinder versorgt, deren Erziehungsberechtigte ihr Einverständnis dazu erteilt haben. „Ausgenommen sind Erste-Hilfe-Notfälle, die sonst als unterlassene Hilfeleistung gelten“, so Wonka. Darüber hinaus stünden weitere Umfragen, die Umgestaltung des Raumes sowie die Einstellung der SGF – um die sich die LZG kümmert – an.
Diese Phase hat ihre Kollegin Christina Böttcher indes hinter sich und kann stolz verkünden, dass die SGF an ihrer Schule zum 5. Januar 2023 anfängt. Hier hebt Böttcher noch einmal hervor, dass die Fachkraft eine große Bereicherung für die Schule sowie die Region sein wird. „Die qualitativ hochwertige Betreuung von chronisch kranken Kindern, die Versorgung verletzter oder erkrankter Kinder sowie die Beratung von Eltern und Lehrkräften durch die Fachkraft wird die Gesundheitsförderung an der Schule enorm steigern und zu einer großen Entlastung der Lehrkräfte führen.“
Übersicht über Schulstandorte mit Schulgesundheitsfachkräften
Beginn Im Jahr 2018 startete das Modellprojekt „Einsatz von Schulgesundheitsfachkräften in RLP“ an der Goethe-Grundschule sowie Maler-Becker-Schule in Mainz. Die Resonanz war nach Angaben der Verantwortlichen (Bildungsministerium, Landeszentrale für Gesundheitsförderung) derart positiv, dass das Projekt 2022 in verschiedenen Clustern ausgeweitet wurde.
Cluster 1 An folgenden Grundschulen (GS) wurde im Januar 2022 eine Schulgesundheitskraft eingesetzt:
- Grundschule In der Langgewann Ludwigshafen; Grundschule Schillerschule 2, Mundenheim; Grundschule Wittelsbachschule Ludwigshafen; Mozartschule Rheingönheim Ludwigshafen sowie Staudinger-Grundschule Worms.
Cluster 2 Start im September an diesen Schulen:
- GS Birkenfeld; GS Neukarthause; GS Schenkendorf Koblenz; GS Kirschblüte, Mülheim-Kärlich; GS Weißenthurm und GS Hermeskeil.
Cluster 3 Im Oktober nahmen Schulgesundheitsfachkräfte hier ihre Arbeit auf:
- Grundschule Geschwister-Scholl Kaiserslautern; GS Kottenschule Kaiserslautern; GS Röhmschule Kaiserslautern; GS Mehlingen; GS Ramstein-Miesenbach und GS Weilerbach.
Cluster 4 In diesem Cluster sollen Schulgesundheitsfachkräfte ab Januar 2023 an Grundschulen in folgenden Landkreisen zum Einsatz kommen:
- Südwestpfalz, Südliche Weinstraße, Rhein-Hunsrück-Kreis sowie Bad Kreuznach
Wissenswertes über das Modellprojekt „Einsatz von Schulgesundheitsfachkräften in RLP“
Teilnahmevoraussetzungen Die von der ADD Koblenz vorgeschlagene und letztendlich vom Bildungsministerium ausgewählte Schule muss 3- bis 4-zügig sein und einen „hohen Anteil vulnerabler Schüler“ haben. Sprich: Es muss eine hohe Krankheitslast bei den Schülern gegeben sein (besonders in Bezug auf chronische Erkrankungen). Auch das soziale oder sozioökonomische Umfeld spielt eine Rolle. Darüber hinaus muss ein Sprechzimmer für die Schulgesundheitsfachkraft zur alleinigen Nutzung zur Verfügung gestellt werden. Dieser wird von der SGF gemeinsam mit der Schule eingerichtet. Dabei kann die jeweilige Person ihre Wünsche bezüglich der Ausstattung des Sprechzimmers sowie der Materialien zu Beginn ihrer Tätigkeit mit einbringen.
Weitere Voraussetzungen:
- Die Schule muss zur Entwicklung und Umsetzung eines Konzeptes zum Einsatz der SGF (gemeinsam mit der SGF) bereit sein;
- die Schule muss an der projektbegleitenden Evaluationsstudie teilnehmen;
- die Schule muss zudem die Bereitschaft zur Unterstützung in der Schulgemeinschaft (insbesondere Kollegium, Eltern) mitbringen sowie mit dem Gesundheitsamt und Schulträger kooperieren.
Aufgaben der SGF Die Schulkrankenschwester leistet bei Not- oder Unfällen Erste Hilfe, verabreicht Medikamente, unterstützt chronisch erkrankte Schüler, ist Ansprechpartner und Vertrauensperson und kann so früh erkennen, falls sich in der Schülerschaft psychische Auffälligkeiten einstellen. Darüber hinaus etabliert sie ein gesundheitsbewusstes Schulklima.
Qualifikation Bei einer SGF handelt es sich um eine examinierte Gesundheits- und (Kinder-)Krankenpflegekraft mit Berufserfahrung, die zudem eine berufsbegleitende Qualifizierung in Kooperation mit der Evangelischen Hochschule Darmstadt durchläuft. Die Auswahl, Einstellung und Beschäftigung der SGF obliegt dem Träger, der LZG.
Auswirkungen „Wir sehen schon jetzt viele positive Auswirkungen dieses Modellprojekts“, resümiert Bildungsministerin Stefanie Hubig. So habe man in den Mainzer Schulen beobachtet, dass es weniger Fehlzeiten gab, bessere Lernvoraussetzungen geschaffen und Bildungserfolge erzielt wurden.
Kosten Die Personalkosten sowie die Erstausstattung des Sprechzimmers der SGF in Höhe von 3000 Euro übernimmt die LZG. Ein Dienstlaptop und ein Handy werden ebenfalls seitens des Trägers bereitgestellt. Die LZG stellt den Schulen eine Liste für die Erstausstattung bereit. Die Anschaffung von Verbrauchsmaterialien liegt im Aufgabenbereich des Schulträgers.