Rhein-Hunsrück
Schuleingangsuntersuchung: Die Kleinen im Kreis haben große Defizite
Kinder bei der Einschulung

Vor der Einschulung wird jedes Kind untersucht. Dabei fällt auf, dass immer mehr der angehenden Erstklässler unter Sprachentwicklungsstörungen leiden.

Symbolbild: dpa

Rhein-Hunsrück - Es sind Zahlen, die Mitarbeiter der Jugendhilfe aufschrecken lassen: Etwa 30 Prozent aller sechsjährigen Kinder im Kreis zeigen Auffälligkeiten beim Verhalten. Sie können sich nicht richtig konzentrieren, wirken unaufmerksam oder haben Defizite in punkto Ausdauer und Selbstständigkeit.

Von unserem Redakteur Wolfgang Wendling

Fast 40 Prozent der Kinder weisen Sprachentwicklungsstörungen auf. Es hapert bei der Aussprache oder dem Sprachverständnis. Festgestellt wurden diese Defizite bei den jüngsten kreisweiten Schuleingangsuntersuchungen. Deren Ergebnisse fanden Einlass in den neuesten „Datenreport Jugendhilfe“, mit sich am Mittwoch der Jugendhilfeausschuss auseinandersetzte.

Zwar ist es nach Aussage von Amtsarzt Winfried Prämassing bei weitem nicht so, dass 30 Prozent der untersuchten Kinder verhaltensgestört seien, denn die Störungen seien ganz unterschiedlich ausgeprägt, was die Statistik aber nicht widerspiegeln könne. Dennoch: Die Auffälligkeiten bei der Sprachentwicklung und beim Verhalten nehmen zu, weiß Prämassing aus jahrelanger Erfahrung. „Hier haben wir Multiproblemlagen“, machte Wolfgang Stemann, bei der Kreisverwaltung für die Sozialplanung zuständig, deutlich.

Die individuellen Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchungen teilt das Gesundheitsamt den jeweiligen Grundschulen mit. Einen Teil der Defizite kann die Schule durch gezielte Förderung beheben. Aber nicht wenige Kinder schleppen ihre Defizite bis zum Ende der Schulzeit und weit darüber hinaus mit sich herum. Getreu dem Sprichwort „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ können die Jugendlichen am Ende nicht mehr wettmachen, was in ihrer Kindheit versäumt wurde.

„Wir wissen aus der Praxis, dass in vielen Fällen überhaupt keine Frühförderung in den Familien stattfindet“, nennt Stemann das Übel beim Namen. Erst wenn sie mit den Ergebnissen der Schuleingangsuntersuchung konfrontiert werden, würden die Eltern aktiv.

Annelie Neuser, Leiterin des Kindergartens Bad Salzig, bestätigt diese Aussage. „Die Defizite bei den Kindern nehmen zu“, ist auch ihre Erfahrung. Das gelte in besonderem Maße für das Verhalten. Die Verhaltensauffälligkeiten haben nach Neusers Beobachtung nichts mit der sozialen Herkunft der Kinder zu tun. „Die Kinder kommen aus ganz normalen Familien – sie haben aber allesamt keine normale Erziehung genossen.“ Bei jenen Kindern, die früh in die Kita kommen, könnten die Erzieherinnen durch frühkindliche Erziehung positiv einwirken. „Von zu Hause kommt da zu wenig“, beklagt sich Annelie Neuser.

Die Folgen sind beim Übergang von der Schule in den Beruf zu spüren. Nur 19 Prozent der Hauptschulabsolventen (Berufsreife) im Kreis haben 2013 eine Berufsausbildung begonnen. Im Jahr zuvor waren es noch 30 Prozent. Über die Hälfte der Jugendlichen, denen die „Berufsreife“ attestiert wurde, landen in der Berufsfachschule.

Das Kreisjugendamt teilt die Ansicht der Bundes- und Landespolitik, dass der Ausbau von Ganztagsangeboten in Kindergärten zu einer stärkeren individuellen Förderung der Kinder beiträgt. Obwohl die Zahl der Ganztagsplätze Jahr für Jahr steigt, liegt sie kreisweit immer noch deutlich unter dem Landesdurchschnitt.

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