Zufällig vorbeikommende Wanderer oder ortskundige Einheimische, die bei einem Spaziergang hier innehielten, waren lange Zeit die einzigen Besucher. Doch das wird sich schon bald ändern. Fernab von aller Hektik und Geschäftigkeit des Alltags soll der Schönenberg zum Ruhewald werden. Unter dem Dach der Alten Eschen und Ahornbäume können die Urnen von Verstorbenen im Waldboden ihre letzte Ruhestätte finden.
Eine den Aposteln Petrus und Paulus geweihte erste Kapelle am Schönenberg soll der Überlieferung nach ein Ritter von der Oberweseler Schönburg im Mittelalter errichtet haben. Im Jahre 1110 tritt sie dann erstmals offiziell aus dem Dunkel der Geschichte. Laut einer Urkunde schenkte der Propst Richwin von St. Martin zu Worms den Zehnten vom Schönenberg und sieben weiteren Dörfern „jenseits des Rheins, Boppard gegenüber“, das Kapitel seines Stiftes.
Ein weiteres Dokument aus dem Jahr 1275 bezeugt, dass der Schönenberg den Status einer Pfarrkirche erhielt, die zum Dekanat Boppard zählte. Kirchenrechtlich unterstand der Schönenberg mit der Pfarrkirche dem Kollegiatstift St. Martin in Worms. Die Gerichtsherrn des weltlichen Gerichts, das dreimal im Jahr hier tagte und Recht sprach, waren die Ritter der Schönburg.
Nach der Reformation übernahm der Kurfürst von der Pfalz den Schönenberg. Dadurch erweiterte sich der gesamte Pfarrbezirk erheblich, die Pfarrkirche wurde die Mutterkirche vieler umliegender Gemeinden.
Der Schönenberg war über Jahrhunderte hinweg das Ziel vieler Wallfahrer aus der gesamten Region. Alljährlicher Höhepunkt des Pilgerwesens war ein großer Jahrmarkt am Johannistag, dem 24. Juni. Zeitweise konnte er vom Angebot der Stände her und Publikumsinteresse mit dem Nunkircher Markt konkurrieren. 1877 wurde er zum letzten Mal gehalten.
Über einen längeren Zeitraum lebten Einsiedler in einer Klause im Schutz des Schönenbergs. Der Verkauf von hier hergestellten Schiefertafeln, Griffeln und Heiligenbildern bedeutete ihre wirtschaftliche Existenz.
Als 1706, im Zuge der Kauber Kirchenteilung, der Schönenberg mit der katholischen Pfarrei Rayerschied verbunden wurde, verfiel zusehends das große Gotteshaus. Als Ziel von Wallfahrern hatte der Ort bis in die Zeiten der Französischen Revolution eine gewisse Bedeutung. Der Zustrom der Pilger ebbte aber allmählich ab. Ab 1817 wurden keine Gottesdienste mehr gehalten. Der Schönenberg geriet immer mehr in Vergessenheit, diente nur noch als Friedhof.
Bis vor einigen Jahren der Pfarrgemeinderat der zur Pfarreiengemeinschaft St. Erasmus Rheinböllen, zu der mittlerweile auch die katholischen Kirchengemeinden Rayerschied und Kisselbach gehören, an die Tradition des Patroziniums der Kirche anknüpfend, beschloss, am Fest Peter und Paul (29. Juni) wieder auf dem Schönenberg eine heilige Messe zu feiern. Schon seit Jahren feiert die Freie Evangelische Gemeinde am Ostersonntag hier einen Frühgottesdienst. Unter freiem Himmel beginnt er um 6.30 Uhr. Danach trifft man sich zum gemeinsamen Frühstück im Dorfgemeinschaftshaus in Steinbach.
Zukünftig soll nach dem Willen der „Grundbesitzer“, der Ortsgemeinde Riegenroth, in Anlehnung an seine lange Tradition als Friedhof ein Bestattungswald am Schönenberg entstehen. Das umfangreiche Genehmigungsverfahren ist bereits eingeleitet. Viele Institutionen und Behörden müssen ihre Einwilligung dazu abgeben. Bürgermeister Ben Kunz und sein Gemeinderat sind optimistisch, dass die Genehmigung ohne Komplikationen vonstattengeht. Die Zufahrt zum Waldfriedhof erfolgt über bestehende Wirtschaftswege von Riegenroth aus. Eine begrenzte Anzahl von Fahrzeugen kann bei Trauerfeiern auf einer mit grobem Schotter befestigten Wiese abgestellt werden.
Neu aufgeschichtet wurde in mühevoller Handarbeit bereits die denkmalgeschützte alte Bruchsteinmauer, die das gesamte Areal begrenzt. Das schmiedeeiserene Eingangstor haben kundige Handwerker genauso aufgearbeitet wie das große Sandsteinkreuz von 1777, das am Andachts- und Versammlungsplatz steht.
Alte Grabsteine, die quer über das Gelände verteilt oder pietätlos in der Vergangenheit in den abschüssigen Böschungen des Schönenbergs „entsorgt“ wurden, hat man von überwachsenden Moosen und Algen befreit. Sie stehen jetzt in einer Reihe und angelehnt an die Friedhofsmauer. Ihre eingemeißelten Inschriften sind wieder zu lesen. Ein Stück der Geschichte des heute rund 230 Einwohner zählenden Dorfes Riegenroth und der umliegenden Orte, die ebenfalls ihre Toten hier bestatten durften, wird dadurch wieder erfahrbar.
Messdiener aus Kisselbach „schrubbten“ alte verwitterte Sandsteinplatten, die weit verstreut herumlagen, und befestigten damit den Fußweg vom Eingangstor zum Andachtsplatz. Bei der Herrichtung des sensiblen Geländes wurde großen Wert auf einen sorgsamen Umgang mit der Natur, mit Flora und Fauna sowie mit den hier wachsenden Hecken und Bäumen gelegt. Viele Stunden waren Freiwillige ehrenamtlich tätig. Die beiden Riegenrother Ralf Martin und Hans-Josef Dietrich engagierten sich besonders bei der Wiedererweckung des Schönenbergs.
In „normalen“ Zeiten ist am frühen Morgen des Ostersonntags der Schönenberg das Ziel vieler Christen, die hier einen ökumenischen Gottesdienst gemeinsam mit der Freien Evangelischen Gemeinde Simmern in der freien Natur feiern.
Angesichts der Coronakrise ist noch nicht klar, ob er auch in diesem Jahr stattfinden kann. Die Tradition soll aber auf jeden Fall fortgesetzt werden.