Projekt der Puricelli-Schule
Rundweg erinnert an jüdisches Leben in Rheinböllen
Am ersten Standort des Rundganges, dem Gebäude des ehemaligen Handelsmannes Simon Grünewald, konnten sich die Veranstaltungsgäste in die entsprechende Schautafel vertiefen.
Dieter Diether

Wer waren die früheren jüdischen Bürger von Rheinböllen? Wie haben sie gelebt? Diese Fragen beantwortet jetzt ein interaktiver Rundweg. Am Sonntag wurde die Eröffnung gefeiert.

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In Rheinböllen gibt es jetzt einen interaktiven Rundweg, der das jüdische Leben in der Stadt zum Thema hat. Anhand von acht Stationen werden exemplarisch Familiengeschichten und Schicksale früherer jüdischer Mitbürger veranschaulicht.

Rheinböllen zählte zwar nicht wie etwa Gemünden oder Laufersweiler zu den Gemeinden mit sehr hohem jüdischen Bevölkerungsanteil, dennoch war er auch hier beträchtlich. Von 1808 bis 1858 verdreifachte er sich, im letztgenannten Jahr machten 109 jüdische Menschen neun Prozent der Einwohner aus. Sie waren im Dorfleben integriert, und betagte Zeitgenossen attestieren zum Beispiel den einstigen Handelshäusern heute noch: "Mer hott geere beim Juude kaaft".

Schulleiter Manuel Hortian stellte die anschaulichen Informationstafeln anhand eines Beispieles vor.
Dieter Diether

Die erste Initiative zum Thema trieb bereits vor knapp 30 Jahren die Lehrerin Renate Höhn mit einer Firmgruppe um. Auf deren Fundus bauten Schülerinnen und Schüler der Puricelli-Realschule plus seit Anfang dieses Jahres auf. Zusammen mit Schulleiter Manuel Hortian und weiteren Lehrkräften trugen sie Informationen zusammen und gestalteten videobasierte Interviews. Aus diesen Interviewsequenzen entstanden Texttafeln mit integrierten QR-Codes, die an den einzelnen Stationen angebracht wurden. Jeder Interessierte kann mit seinem Smartphone die QR-Codes zum Leben erwecken und sich den aufschlussreichen Inhalten widmen.

Auf den knapp anderthalb Kilometer messenden barrierefreien Kurs sind Stadtbürgermeisterin Bernadette Jourdant und Schulrektor Manuel Hortian zu Recht stolz, vermittelt er doch gerade in der heutigen, einerseits etwas aufgeladenen, zum anderen vielfach geschichtsvergessenen Phase Einblicke in eine scheinbar längst vergangene Zeit. Viele Mitmenschen beachten Geschichte nicht oder zeichnen sich durch mangelndes Bewusstsein oder Ignoranz aus. Dem wollen die Schülerinnen und Schüler der „Puri“ mit der inhaltlichen Ausgestaltung des Rundweges entgegenwirken.

Nachfahren per Videocall zugeschaltet

Am vergangenen Sonntag wurde der Rundweg mit einer Feierstunde offiziell eröffnet. Bürgermeisterin Jourdant und Schulleiter Hortian begrüßten dazu unter anderem Kurt Müller, Beigeordneter der Verbandsgemeinde Simmern-Rheinböllen, Markus Risch, Superintendent des Kirchenkreises Simmern-Trarbach, Rheinböllens Pfarrer Wolfgang Jöst und Christof Pies, ausgewiesener Experte für jüdische Geschichte im Hunsrück. Zur Veranstaltung waren neben Lehrkräften der Puricelli-Schule auch einige Schülerinnen und Schüler gekommen, die maßgeblich an der Realisierung des Rundwegs beteiligt waren.

Ursprünglich wollte auch Danni Ariel, ein Enkel des 1944 im KZ Theresienstadt ermordeten Julius Grünewald, aus Israel anreisen und diesen für das jüdische Gedenken besonderen Tag gemeinsam mit den Rheinböllern erleben. Die aktuelle militärische Gefahrenlage ließ jedoch keinen Flug aus Tel Aviv zu. Ariel wurde per Videocall zugeschaltet und erzählte aus der Familiengeschichte.

Auch an der in ihrer Bausubstanz noch erhalten gebliebenen früheren Synagoge der Jüdischen Gemeinde Rheinböllen ist eine Infotafel angebracht.
Dieter Diether

Ariels Cousine Barbara Rosman sowie sein Cousin Simon Grünewald nahmen gleichfalls mittels Videoschalte an der Veranstaltung im Gemeindezentrum teil. Beide sind Enkel des früheren jüdischen Handelsmannes Simon Grünewald und seiner Gattin Ida, deren drei Söhne bis 1939 Deutschland schon den Rücken gekehrt hatten. Die Eltern verkauften 1940 ihr Anwesen in Rheinböllen und siedelten nach Frankfurt über. Auch ihr Leben endete in einem Konzentrationslager. Die Enkelkinder leben heute im australischen Sydney.

Schulleiter Manuel Hortian betonte zum Abschluss die verbindende Wirkung von Musik, und eine seiner Schülerinnen intonierte das viel gesungene geistliche Lied „Von guten Mächten treu und still umgeben“ des evangelischen Theologen und NS-Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer, der im April 1945 gleichfalls in einem Konzentrationslager umgekommen ist. Im Anschluss begleiteten Hortian und Jourdant die Gäste zu den ersten Stationen des Rundweges.

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