Von unserem Redakteur Wolfgang Wendling
Bereits ab dem kommenden Jahr könnten 50 bis 60 Jugendliche ohne Begleitung Erwachsener dem Rhein-Hunsrück-Kreis zugewiesen werden. Für diese vergleichsweise hohe Zahl „unbegleiteter Minderjähriger“, wie es auf Amtsdeutsch heißt, wäre dann das Kreisjugendamt von zuständig.
Hintergrund für dieses Szenario ist eine geplante Gesetzesänderung. Die Bundesregierung bereitet einen neuen Gesetzesentwurf vor, wonach die unbegleiteten Minderjährigen nach dem gleichen Schlüssel an Länder, Kreise und Städte verteilt werden wie es derzeit bei den erwachsenen Flüchtlingen geschieht. Nach dem geltenden Recht fallen allein reisende Kinder und Jugendliche in die Obhut jenes Jugendamtes, in dessen Zuständigkeitsbereich sie sich gerade befinden, wenn sie auf sich aufmerksam machen oder die Öffentlichkeit auf sie aufmerksam wird. Derzeit befinden sich elf jugendliche Flüchtlinge zwischen 15 und 18 Jahren in der Obhut des Jugendamtes. Nur ein Teil von ihnen ist im Rhein-Hunsrück-Kreis untergebracht.
In der Kreisverwaltung herrscht Ratlosigkeit
Wolfgang Stemann, Fachbereichsleiter Soziale Dienste des Jugendamtes und Sozialplanung, und Jugendamtsleiter Michael Gutenberger setzten den Jugendhilfeausschuss von der geplanten Neuerung in Kenntnis. Dort herrschte ebenso große Ratlosigkeit wie in der Kreisverwaltung.
Denn sollte es tatsächlich zur Pflichtaufgabe des Kreises werden, sich in den nächsten Jahren um Hunderte unbegleitete Minderjährige zu kümmern, müsste die Flüchtlingshilfe in völlig neue Dimensionen vorstoßen. Für Superintendent Horst Hörpel ist es keine Frage, dass noch mehr ehrenamtliches Engagement erforderlich wäre.
Jugendamt ist gefordert
Doch zunächst ist das Kreisjugendamt gefordert: Die minderjährigen Flüchtlinge müssen rund um die Uhr betreut werden. Wo kommen sie unter? Wer betreut sie? Sie brauchen einen Vormund. Wer soll das machen? Und was geschieht mit ihnen, wenn sie volljährig sind? Für Gutenberger und Stemann ist klar, dass nur mithilfe freier Träger ein solcher Kraftakt gelingen kann.
Immerhin: Die sogenannten Clearingmaßnahmen – also das Feststellen von Alter, Herkunft Gesundheit, Entwicklungs- oder Bildungsstand – sollen landesweit in vier Schwerpunktjugendämtern erfolgen. Für Rhein-Hunsrück wäre Ingelheim zuständig. Aber was wäre, wenn auch das Kreisjugendamt in irgendeiner Form in das Clearing einbezogen würde? Alles Fragen, auf die noch niemand eine Antwort hat.