Buch stellt Täter- und Opfererfahrungen einander im Dialog gegenüber
Reiner Engelmann legt neues Buch vor: Ehemaliger Neonazi erzählt seine Geschichte
Rechtsextreme Gewalt und die Auseinandersetzung mit den Gräueltaten der Nationalsozialisten sind die beherrschenden Themen in den Büchern von Reiner Engelmann. Ein ehemaliger Neonazi begegnet in seinem neuen Buch einer Überlebenden des Holocaust. Foto: Werner Dupuis
Werner Dupuis

Schneppenbach/Völkenroth. Erinnerungen von Holocaust-Überlebenden sammelt und überliefert Reiner Engelmann aus Schneppenbach. Er hat sich zur Aufgabe gemacht, Erinnerungen an den Holocaust zu bewahren.

Lesezeit 3 Minuten

Rechtsextreme Gewalt und die Auseinandersetzung mit den Gräueltaten der Nationalsozialisten sind die beherrschenden Themen in den Büchern von Reiner Engelmann. Ein ehemaliger Neonazi begegnet in seinem neuen Buch einer Überlebenden des Holocaust. Foto: Werner Dupuis
Werner Dupuis

Seine Bücher sind keine trockenen Abhandlungen, sie sollen bewegen und berühren. Dies gilt auch für sein neuestes Buch „Hass und Versöhnung“, das als Taschenbuch erschienen ist. Der heute 69-Jährige war 35 Jahre lang Sozialpädagoge an einer Förderschule in Bad Kreuznach.

In dem neuen Buch erzählt der in Völkenroth im Hunsrück geborene Autor, wie der Protagonist Emil von einem ganz normalen Jugendlichen in einer ganz normalen Familie in Deutschland zum Neonazi geworden ist. Er berichtet Schritt für Schritt, wodurch er in eine hörige Abhängigkeit zu bereits etablierten Persönlichkeiten der Szene gekommen ist. „Wenn diese Anhänger der Nazi-Ideologie Verbrechen begangen haben, schütteln wir den Kopf und wollen damit am liebsten nichts zu tun haben. Umso wichtiger ist dieses Buch“, so der Autor Reiner Engelmann.

Hintergrundwissen erfahren

Insbesondere Eltern, Lehrer und Jugendliche, aber auch alle anderen können hierdurch Hintergrundwissen erfahren, das besser verstehen hilft, wie ein intelligenter junger Mann gewalttätig werden und welche Macht eine Gruppe Gleichgesinnter auf einen unsicheren Jugendlichen ausüben kann. Es geht darum, welche Methoden dabei angewendet werden und wie verachtend mit jüdischen und vor allem auch mit ausländischen Mitbürgern umgegangen wird. Die junge Neonazi-Generation begeht dabei keine Kavaliersdelikte, sondern brutale Verbrechen, basierend auf Halbwissen um gesellschaftliche Zusammenhänge, Ignoranz um Fluchtgründe und eigenen Interpretationen.

Vordergründig spielen enorme persönliche Defizite eine Rolle, die die Neonazis nicht reflektieren, sondern in Gewalt umwandeln. In jeder Stadt, in jedem Dorf können Ausschreitungen stattfinden. Emil beschreibt seinen Weg, seine Taten, seine Gefängnisstrafe und seine psychologische Begleitung bei dem Prozess, sich von der Neonazi-Gesellschaft zu lösen, körperlich und geistig.

Reiner Engelmanns neues Buch ist nun im Handel erhältlich.
asdf

Teil dieses Prozesses war ein Gespräch mit einer Holocaust-Überlebenden. In der Vis-à-vis-Konfrontation mit der Seniorin hat Emil eine ganz neue Erfahrung gemacht; er ist emotional daran gereift, die Sichtweise einer Verfolgten präsentiert zu bekommen. Der Dialog, im Buch erweitert um Rückblenden beider Gesprächspartner, führt Emil Stück für Stück aus seiner noch nicht ganz aufgelösten engen Sichtweise zu einem Verständnis hin, das ihn mehr berührt, als er erwartet hat. Er beginnt, sich für seine frühere Gesinnung und für seine Taten zu schämen. Ihm wird durch dieses Gespräch vieles klar: wozu er sich in der Szene bekannt hat und vor allem, welches Leid er fremden Menschen angetan hat. Er lernt, dass jeder Mensch ein Recht auf sein Leben, auf körperliche Unversehrtheit hat, und dass es keinen Grund gibt, einen Menschen auf der Straße anzugreifen, zu verletzen oder gar zu töten.

Nicht nur Emils Offenheit, sondern auch, dass seine Geschichte wahr ist, macht diese so mitreißend. Emil wendet sich komplett von seinen alten Idealen ab und will nun durch seine Geschichte aufklären, warnen und denen die Augen öffnen, die noch nicht begriffen haben, was Gewalt nicht nur mit den Opfern, sondern auch mit den Tätern macht. „Die Geschichte von Emil Landmann habe ich in Teilen verfremdet. Er möchte heute unerkannt in seinem neuen sozialen Umfeld leben können. Die Geschichte von Anna Schöps ist authentisch. Wir haben trotzdem ein Pseudonym vereinbart, damit ich die Übergänge der einzelnen Geschichten, die Emil und Anne sich wechselseitig erzählt haben, freier gestalten konnte“, erklärt Engelmann sein Vorgehen.

Von unserem MitarbeiterGünter Weinsheimer

„Hass und Versöhnung“ ist im CBT-Verlag in Pößneck erschienen, hat 272 Seiten und ist im Buchhandel für 10 Euro erhältlich.

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