Kastellaun
Protest der Einzelhändler: Kastellaun verschwindet im Packpapier

Petra Müller-Wetstein und ihre Tochter Hannah werden den Familienbetrieb in den kommenden Tage mit Packpapier verhüllen. Damit wollen sie und andere Kastellauner Gewerbetreibende auf die immer schwerer werdende Situation im Einzelhandel hinweisen.

Werner Dupuis

Kastellaun - Das Motto eines regionalen Bundestagsabgeordneten vor der Wahl im September lautete ganz plakativ: "Peter packt's an." Diesen Satz wandeln viele Geschäftsleute in Kastellaun vom kommenden Montag an etwas um. "Kastellaun packt sich ein", heißt es eine Woche lang. Mit 1000 Metern Packpapier werden Dutzende Geschäfte verhüllt.

Von unserem Redakteur Volker Boch

„Wir malen den Teufel schon mal an die Wand“, lautet das Motto der Aktion. Denn so „zu“ könnten nicht nur in Kastellaun in wenigen Jahren viele Ladenlokale aussehen. „Der zunehmende Einkauf bei Internethändlern wie Amazon, Zalando und Co., in Internetapotheken und im Katalog-Versandhandel entzieht dem ortsansässigen Einzelhandel die dringend benötigten Umsätze“, heißt es in einem Flyer, der die Aktionswoche begleiten wird. Damit sollen die Kunden, die sich über die Verhüllung der Geschäfte wundern, darüber aufgeklärt werden, welche Idee dem Projekt zugrunde liegt. Denn jeder Kunde trägt durch sein Einkaufsverhalten auch mit dazu bei, ob das Ladensterben nicht weiter voranschreitet.

Kastellaun genießt in der Region keinen schlechten Ruf, wenn es um die Bewertung der lokalen Angebote gilt. Einzelhändler aller Art sind hier zu finden: vom Sportartikelanbieter, der ein großes Sortiment aufweist, über Metzger, Bäcker, Apotheken, Bekleidungsgeschäfte für alle Altersklassen bis hin zu Reisebüro, Fotograf und Schuhhandel. Kastellaun gilt als innovativ, was Veranstaltungen und das Miteinander angeht – und doch steckt allen die gleiche Sorge in den Köpfen: Wie wird es hier in fünf, zehn oder gar 15 Jahren aussehen? Sind die jetzt nur vorübergehend verhüllten Schaufenster dann ganz ausgeräumt? In anderen Kommunen ist dies bereits Realität.

„Ich will das Rad der Zeit gar nicht zurückdrehen“, sagt Petra Müller-Wetstein, die von ihrem Geschäft für Bürobedarf, Bücher und Schulsachen in der Bahnhofstraße ausgehend die Aktion angestoßen hat. „Online Artikel anzubieten ist wichtig, nicht nur für Buchhändler“, sagt sie, „aber vielen Kunden ist gar nicht bewusst, wie es weitergeht, wenn sie weiter so einkaufen, wie sie es heute machen.“ Gerade bei Jugendlichen ist der Online-Einkauf so fest implementiert, dass sie sich kaum vorstellen können, welche Folgen dies für den Einzelhandel gerade im ländlichen Raum hat.

In der badischen Stadt Kenzingen hat es im März eine ähnliche Aktion gegeben, um die Kunden für den Einzelhandel zu sensibilisieren. In Kenzingen wurde die Verhüllung von großer öffentlicher Aufmerksamkeit begleitet. Auf die Aktion in Baden wurde Müller-Wetstein über die bundesweite Qualitätsoffensive „buy local“ aufmerksam, die sich nachhaltig für das Einkaufen vor Ort stark macht. Im September gab es in Kastellaun ein Treffen mit gut zwei Dutzend interessierten Gewerbetreibenden und Bürgermeister Marlon Bröhr. Der Zuspruch war bereits bei dieser Informationsveranstaltung gut.

„98 Prozent der Geschäfte ziehen mit“, sagt Müller-Wetstein, die sich freut, dass mehr als 60 Betriebe zugesagt haben, bei dem Projekt mitzumachen. Vom 4. bis zum 11. November packen sie Kastellaun vorübergehend ein.

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