Hinter dem Bürgerbegehren steht der Lichtkünstler, bekennende Freimaurer und Geschäftsführer der gemeinnützigen Organisation Pixelhelper, Oliver Bienkowski, der in der Vergangenheit vor allem mit medienwirksam inszenierten und provokanten Nacht-und-Nebel-Aktionen aufgefallen ist. Mit Projektoren warfen er und seine Mitstreiter Lichtkunstkarikaturen auf internationale Botschaften zu mannigfaltigen Themen: Sie protestierten unter anderem gegen Überwachungsprojekte der NSA, Waffenlieferungen an Saudi-Arabien oder jüngst den Aufenthalt von Thailands König in Garmisch-Partenkirchen. 2019 warb Oliver Bienkowski um Spenden, um ein Lübecker Museumsschiff zu kaufen und damit vor Marokko Flüchtlinge in Seenot aufzuspüren.
Seit einigen Wochen hat sich Bienkowski, der in Facebook anführt, in St. Goar zu wohnen, zur Aufgabe gemacht, die Loreley-Klinik in Oberwesel zu erhalten. Erfahrung im Führen von Krankenhäusern ist aber offenbar nicht vorhanden: „Ich mache den Marketingleiter und hole zwei Geschäftsführer“, teilt er auf Nachfrage unserer Zeitung mit. Ein Ex-Mitarbeiter von den Helioskliniken sei mit dabei. Einen konkreten Namen nennt er aber nicht. Nach mehrfacher Nachfrage, teilt er nur mit, er werde die Namen zweier neuer Geschäftsführer bei der Stadtratssitzung nennen.
Der Stadtrat könnte sich als nächstes mit dem Thema beschäftigen, denn Bienkowski und weitere Mitstreiter haben 255 Unterschriften gesammelt und diese am Dienstag im Oberweseler Rathaus abgegeben. Bienkowski gibt an, mit seiner Organisation Pixelhelper das Krankenhaus gemeinnützig weiter betreiben und den Grundversorgungsstatus, die Intensivstation und andere Abteilungen wiederherstellen zu wollen.
Finanziert werden soll das Vorhaben mit dem Verkauf von Blutspenden – privaten Spenden und Steuergeldern. „Wir haben keine eigenen Millionen, um die Klinik zu kaufen, wir fordern nur die Anteile ein zu den gleichen Konditionen wie es das Deutsche Rote Kreuz angeboten bekommen hat“, schreibt die Organisation auf Facebook. Das war damals ein symbolischer Euro. Die Organisation führt außerdem an, mit den staatlichen „Coronamitteln“ die Mitarbeiter in den ersten drei bis sechs Monaten bezahlen zu wollen. „Mit den Geldern des Ministeriums aus dem Krankenhausfonds bauen wir die Technik für eine Blutbank auf und kaufen 16 Kleinbusse, um Blutspender aus dem ganzen Bundesgebiet nach Oberwesel zu bringen, weitere 16 Blutspendebusse werden im ganzen Bundesgebiet mobile Blutspenden umsetzen. Mit den Gewinnen aus den Blutverkäufen finanzieren wir die laufenden Kosten des Krankenhauses“, teilt die Organisation mit.
Damit meint Pixelhelper die 22 Millionen Euro staatlicher Fördermittel aus dem Krankenhausstrukturfonds, die ursprünglich für die Fusion der beiden Häuser vorgesehen waren und deren Verwendungszweck eng begrenzt ist auf einen Umbau oder eine Schließung. Voraussetzung ist, dass ein Fördertatbestand nach Paragraf 1 der Krankenhausstrukturfonds-Verordnung vorliegt. Ob dieser mit einem Aufbau einer Blutbank in Oberwesel gegeben ist, scheint zumindest einmal fraglich. Auf Nachfrage unserer Zeitung, ob es bereits eine Zusage gibt, teilt Bienkowski mit, das Ministerium beantworte seine E-Mails nicht. Blutbank und Ausbau vom Labor seien aber eine Infrastrukturmaßnahme. „Deshalb sehen wir das positiv.“
Das an das Krankenhaus angegliederte Seniorenzentrum soll nach dem Willen der Pixelhelper um den Schwerpunkt Demenzerkrankungen erweitert und im St. Goarer Krankenhaus eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung und alternative Wohnformen eingerichtet werden. Ein Hospitalboot mit 30 Krankenzimmern und einem Operationsaal soll bei Naturkatastrophen und in Entwicklungsländern zum Einsatz kommen. „Für interessierte Ärzte der Loreley Klinik erweitert sich so der Einsatzbereich auf Katastrophenhilfe und medizinische Behandlung in Entwicklungsländern“, teilt die Organisation mit.
„Mir erscheint das Unternehmenskonzept undurchführbar“, bewertet VG-Bürgermeister Peter Unkel das Vorhaben der Organisation. Nach Auffassung der Verbandsgemeinde Hunsrück-Mittelrhein ist auch das Bürgerbegehren rechtlich nicht zulässig, was auch der Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz bereits bestätigt habe. „Außerdem basiert der begründende Inhalt auf unwahren Behauptungen. Vor diesem Hintergrund erscheint es fragwürdig, dass seitens der Firma Pixelhelper Foundation gGmbH über ein ,Spendenkonto Bürgerbegehren' Spenden aus der Bürgerschaft eingeworben werden“, teilte die Verbandsgemeindeverwaltung unter anderem im Amtsblatt mit. Die Stadt Oberwesel veröffentlichte den Text auf dem Facebook-Account der Stadt. Nach der Veröffentlichung erhielten VG-Bürgermeister Peter Unkel und Oberwesels Stadtbürgermeister Marius Stiehl Post von einer Lahnsteiner Kanzlei, die Pixelhelper vertritt und eine Unterlassungserklärung von den Bürgermeistern fordert. Stadt und Verbandsgemeinde haben nun auch einen Anwalt eingeschaltet, der Anfang vergangener Woche auf deren Schreiben geantwortet hat. Die geforderte Unterlassung haben die Bürgermeister nicht unterzeichnet.
Mit seinem Bürgerbegehren will Bienkowski erreichen, als Geschäftsführer von Pixelhelper die Kommunen in der Gesellschafterversammlung der Krankenhaus GmbH „in jeder nach Gesetz und Satzung zulässigen Weise“ zu vertreten. Ob ein solches Bürgerbegehren, das die Gemeindeordnung und Gesellschaftsrecht berührt, juristisch überhaupt zulässig ist?
„Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass das Bürgerbegehren nach Paragraf 17 Gemeindeordnung nicht zulässig sein könnte“, sagt Unkel. Die Verbandsgemeinde wird dies und die Authentizität der Unterschriften zunächst prüfen, bevor der Oberweseler Stadtrat sich damit beschäftigen wird. „Die vorgeschlagene Form der Finanzierung ist als unseriös anzusehen“, warnt auch Oberwesels Stadtbürgermeister Marius Stiehl. Er könne sich außerdem nicht vorstellen, dass bei Pixelhelper die nötige Expertise vorhanden sei, um ein Krankenhaus zu führen.
Weil in den beiden Loreley-Kliniken wohl Ende September endgültig die Lichter ausgehen werden, da der Mehrheitsgesellschafter Marienhaus aussteigt und sich bislang kein seriöser neuer Betreiber gefunden hat, suchen die Kommunen jetzt weiter nach einem alternativen Weg, die medizinische Versorgung für die Bevölkerung aufrechtzuerhalten. Mit der Göck Consulting AG ist in Oberwesel aktuell eine auf das Gesundheitswesen spezialisierte Managementberatungen im Auftrag der kommunalen Krankenhaus GmbH damit beschäftigt, ein Konzept für ein Medizinisches Versorgungszentrum zu entwickeln.