Ort des spektakulären Geschehens: In Bacharach stiegen Sporttaucher entspannt aus dem Rhein, während zahlreiche Rettungskräfte den Fluss nach vermeintlich Ertrinkenden absuchten. Foto: Werner Dupuis
Von unserem Chefreporter Volker Boch
Am Tag danach sind die Stromschwimmer in Bacharach das Stadtgespräch. Mit einer Mischung aus Erheiterung, Verwunderung und Ratlosigkeit erinnern sich Anwohner und Gäste an den Vorabend. Rotorengeräusche von Hubschraubern, Blaulichtgeflacker und große notfalldienstliche Betriebsamkeit hatten sich am Donnerstag kurz nach 21 Uhr rund um den Rheinabschnitt zwischen Lorchhausen und Bacharach ausgebreitet und das leben in diesem Teil des Tals erfasst. In der Pressemeldung der Wasserschutzpolizei (WSP) St. Goar heißt es: „Über fünf Personen im Rhein, wovon eine sich augenscheinlich in einer hilflosen Lage befand, wurde die Wasserschutzpolizeistation St. Goar am Abend des 9. Juni in Kenntnis gesetzt. Demnach meldeten sich mehrere Bürger bei der Polizei, die unabhängig von einander Personen in Höhe der Ortslage Lorchhausen (Hessen) im Wasser gesehen hätten.“
Der Dienststellenleiter der WSP Rüdesheim, Bernd Morschhäuser, bestätigt den Vorfall. „Es wurde durch Passanten bei verschiedenen Stellen angerufen.“ Seine Dienststelle wurde damit ebenso auf den Plan gerufen wie verschiedene weitere Einsatzkräfte. „Es gab einen großen Bahnhof“, sagt Morschhäuser. Denn die Polizei musste aufgrund der Schilderung davon ausgehen, dass akute Lebensgefahr bestand.
Fakt ist nach Erkenntnissen vom Freitag, dass es sich bei der betreffenden Gruppe um Sportschwimmer beziehungsweise Taucher gehandelt haben muss, die ganz regelmäßig im Rhein trainieren. Denn zum einen trugen die Personen Neoprenanzüge, zum anderen führten sie ein Schlauchboot mit sich. Anwohner in Bacharach berichten, dass seit Jahren an jedem Donnerstag im Sommer eine Tauchergruppe aus dem Raum Wiesbaden in Bacharach an Land geht, sich auf einem Parkplatz – zur Belustigung oder wahlweise Empörung der Zaungäste – umzieht und dann auf einen Abschluss-Schoppen in Bacharacher Lokale startet. Auch die Wasserschutzpolizei Bingen bestätigt, dass sowohl eine DLRG-Gruppe als auch Taucher im Rhein schwimmt und dies sozusagen angemeldet ist.
Nicht jeder kann sich so etwas zutrauen wie damals der Rheinschwimmer Andreas Fath - und auch: Nicht jedem wird so etwas zugetraut.
Das Schwimmen im Rhein ist grundsätzlich nicht verboten, die Rheinschiffahrtspolizeiverordnung datiert diesbezüglich auf das Jahr 1970 und erlaubt selbst beim Erreichen der Hochwassermarke 1 das Schwimmen im Strom – abgesehen von Gefährdungsabschnitten wie dem Bereich der Loreley, in unmittelbarer Nähe von Schiffen und Steigern sowie Industrieanlagen oder auch gewissen Ortsbereichen.
Offensichtlich unternahm die altbekannte Schwimmergruppe an diesem Donnerstag ihren Saisonauftakt – bei wieder etwas gesunkenem Wasserstand und verhältnismäßig angewärmten 18,5 Grad Temperatur. Weshalb es nun überhaupt zu einem Alarm kam, ist fraglich. „Die Schwimmer trugen allesamt einen Neoprenanzug und machten keinerlei Anstalten, sich einer Nothilfesituation befunden zu haben“, teilt die WSP St. Goar mit. Dennoch war ein Großaufgebot unterwegs: „Neben den zwei Streifenbooten der Wasserschutzpolizei befanden sich mehrere Feuerwehreinheiten der linken und rechten Rheinseite sowie zwei Hubschrauber im Einsatz.“ Anwohner berichten gar von einem dritten kreisenden Hubschrauber.
Für Dienststellen wie die Polizeihubschrauberstaffel Rheinland-Pfalz in Winningen oder deren hessischen Kollegen in Egelsbach sind solche Einsätze an Flüssen, die sich als Fehlalarme entpuppen, ebenso wie für die Wasserschutzpolizei im Sommer alles andere als eine Seltenheit. „Unser Ermessensspielraum geht in solchen Fällen gegen null“, sagt Bernd Morschhäuser, „da müssen wir hin.“ Umso mehr sensibilisieren die Einsatzkräfte dafür, dass Passanten in vermeintlichen Notlagen genau hinschauen und behutsam von ihrem Handy Gebrauch machen. Die Kosten, die am Donnerstag im fünfstelligen Bereich gelegen haben dürften, trägt in solchen Fällen fast immer die Allgemeinheit. Die Taucher übrigens wurden von den herbeigerufenen Rettern am Donnerstag nicht mehr angetroffen – sie waren längst in Bacharach an Land gegangen und zum Schoppen entschwunden.