">
Oberwesel
Neue Führung erkundet die Oberweseler Unterwelt

Dicht drängen sich die Teilnehmer der Führung "Mit Riesling durch die Unterwelt" im Keller der legendären Oberwelser Gaststätte "Zum Lamm".

Werner Dupuis

Oberwesel. Stadtführungen, die nicht die gewohnten Sehenswürdigkeiten als Ziel haben, sondern die Teilnehmer zu den im Untergrund verborgenen Schätzen leiten, sind voll im Trend: Der Verein Mainzer Unterwelten führt solche Touren seit einigen Jahren erfolgreich durch, und auch die Binger Kellerführungen erfreuen sich großer Beliebtheit. Was liegt also näher, als einen solchen unterirdischen Rundgang in Oberwesel anzubieten, wo einige Bereiche der Stadt dank der Weinbautradition fast flächendeckend unterkellert sind?

Dicht drängen sich die Teilnehmer der Führung "Mit Riesling durch die Unterwelt" im Keller der legendären Oberwelser Gaststätte "Zum Lamm".

Werner Dupuis

Die Tourist-Information Oberwesel hat sich der Thematik angenommen und die neue Führung „Mit Riesling durch die Unterwelt“ kreiert, die maximal 30 Besuchern die seltene Gelegenheit gibt, an einem Abend gleich drei Oberweseler Weinkeller zu erkunden. Die bewährte Gästeführerin Luise Lutterbach, die auch die Binger Kellerführungen zu einem Erlebnis macht, begibt sich mit den Teilnehmern auf Entdeckungstour durch Weinstuben und Winzerkeller und entlockt deren Besitzern allerlei Anekdoten und Legenden, die sich rund um die traditionsreichen Betriebe ranken.

Zum Auftakt der Veranstaltungsreihe begrüßt Iris Marx die Besucher im Keller ihrer Historischen Weinwirtschaft. Das Gewölbe, das wie die übrigen Räume der Gastwirtschaft liebevoll mit nostalgisch anmutenden Möbeln und alten Gebrauchsgegenständen ausstaffiert ist, bietet sonst den Rauchern Zuflucht, doch an diesem Abend plaudert die Hausherrin dort mit Lutterbach über ihr Erfolgsrezept der vergangenen 30 Jahre. „Es gab Abende, die waren unvergesslich. Ich habe hier schon auf den Tischen getanzt“, schwärmt sie, während ihre Gäste am ersten Glas Riesling des Abends nippen. Ihrem Konzept von Gastlichkeit – „Ich lasse es zu, dass die Dinge passieren“ – blieb Iris Marx über die Jahrzehnte treu, lediglich der Fokus auf die Küche kam hinzu – mit überraschenden Wendungen: „Neuerdings kommen viele Wanderer. Das sind junge Leute, die dann eine Hausmacherplatte haben wollen – das haben früher doch nur die Opas bestellt!“

Den Gärprozess mit allen Sinnen erleben

Aus der wohlig warmen Gaststube geht es für die Gäste der Kellerführung zu einer weiteren legendären Oberweseler Gastwirtschaft: Wolfgang Dietrich, dessen Ururgroßvater Jakob Becker 1872 das Gasthaus „Zum Lamm“ eröffnete, empfängt die Besucher in den engen Gängen, die sich vom Hof ausgehend weit im Untergrund verzweigen. Hier lässt sich der Gärprozess mit allen Sinnen erleben: Aus den großen Edelstahlbehältern klingt ein leises Blubbern, ein süßlicher Geruch liegt in der Luft.

Besonders die wenigen großen Holzfässer haben es den Besuchern angetan. Für Nostalgiker hat der Winzer allerdings schlechte Nachrichten: „Die Leute wollen junge, spritzige Weine, das bekommt man in den Holzfässern nicht hin“, erklärt Dietrich. Lediglich beim Rotweinausbau kommen diese noch zum Einsatz.

Obwohl neben dem regulären Betrieb im „Lämmchen“ die Weinlese auf Hochtouren läuft, nehmen sich Wolfgang Dietrich und seine Mutter Inge Becker, die 1970 bis 1972 die Region als Mittelrhein-Weinkönigin vertrat, bei der Kellerführung viel Zeit für die Gäste. Etwa wenn Inge Becker von ihrem Besuch als Weinhoheit beim Bundespresseball in Bonn erzählt: „Der Bundespräsident, die Minister – das waren doch alles Menschen wie du und ich.“

Nachdem die Gäste im „Lämmchen“ den hausgemachten Weinbergpfirsichbrand bekostet haben, zieht es die Gruppe weiter in das Anwesen von Johannes Hoffmann in der Rheinstraße. Über eine steile Treppe erreichen die Besucher das urige Tonnengewölbe, in dem so mancher Oberweseler alle zwei Jahre wieder zum mittelalterlichen Spectaculum vergnügliche Stunden verbringt. Der Winzer lässt es sich nach einem langen Lesetag im Weinberg nicht nehmen, die Teilnehmer der Führung persönlich zu begrüßen und im Zwiegespräch mit Luise Lutterbach einen Bogen von der Familienhistorie zur Oberweseler Weinbaugeschichte im Allgemeinen zu schlagen.

Früher brauchte man kein Botox

„Jeder hatte früher einen Weinberg in Oberwesel, man hatte ja sonst nichts zu trinken“, erinnert Hoffmann an Zeiten, als das Wasser in der Stadt noch stark mit Keimen belastet war. Seine Vorfahren waren als Baumeister tätig und anerkannt, den Weinbau betrieben sie nebenher. Die Qualität der so produzierten Weine war eine andere, als man sie heutzutage kennt, gibt Hoffmann zu: „Damals musste man kein Botox spritzen. Wer den sauren Wein trank, hatte ohnehin ständig ein Grinsen im Gesicht!“

Dass das heutzutage nicht mehr passiert, davon überzeugen sich die Besucher vor Ort bei der Verkostung eines Rieslings des Hauses. Johannes Hoffmann und seine Ehefrau Ute tragen mit ihrem Fachwissen beide dazu bei, ihren Kunden Jahr für Jahr Weine in der gewohnt hohen Qualität präsentieren zu können: Sie ist Winzermeisterin, er gelernter Weinbautechniker.

Dicht drängen sich die Teilnehmer der Führung "Mit Riesling durch die Unterwelt" im Keller der legendären Oberwelser Gaststätte "Zum Lamm".

Werner Dupuis

Besonders die großen Weinfässer haben es den Besuchern der Führung angetan.

Werner Dupuis

Kellerführerin Luise Lutterbach entlockt Inge Dietrich Anekdoten aus ihrer Zeit als Mittelrhein-Weinkönigin.

Werner Dupuis
1 / 3

Bei Kerzenschein und Wein endet ein gelungener Abend, der den Teilnehmern der Führung nicht nur Einblicke in die Unterwelt, sondern auch hinter die Kulissen traditionsreicher Weinbaubetriebe und alteingesessener Weinwirtschaften ermöglichte.

Die nächste Kellerführung in Oberwesel beginnt am Samstag, 12. November, um 18 Uhr. Die Teilnahme kostet 33 Euro, inklusive einem Glas Riesling und einem Snack an jeder Station. Anmeldungen nimmt die Tourist-Info Oberwesel entgegen, Tel. 06744/710 624, E-Mail info@oberwesel.de

Martina Koch

Top-News aus der Region