Zum 1. Oktober trat Sebastian Balzer in seine Fußstapfen. Nun steht dieser Schritt auch Sabine Fischer bevor. „Vier bis fünf Jahre werde ich wohl noch machen“, sagt die Ärztin. Doch spätestens dann sollte klar sein, wer ihren Platz in der Praxis einnimmt.
Jeder sechste niedergelassene Arzt in Deutschland ist 65 Jahre alt oder älter. In Rheinland-Pfalz trifft das auf 17,7 Prozent der Ärzte zu. Das hat eine Studie der Stiftung Gesundheit ergeben. Gleichzeitig sinkt die Anzahl der niedergelassenen Ärzte jährlich, in Rheinland-Pfalz gab es im vergangenen Jahr 5 Prozent weniger Niedergelassene als im Vorjahr. Außerdem steigt die Anzahl der Mediziner, die im Angestelltenverhältnis sind. „Der Anteil der Niedergelassenen ist innerhalb des Jahres 2023 von 72,6 Prozent auf 70,9 Prozent gesunken. Der Anteil der angestellten Ärzte stieg von 27,4 auf 29,1 Prozent. Etwa die Hälfte der angestellten Ärzte arbeitet in Praxen, die andere Hälfte in MVZ“, heißt es bei der Stiftung Gesundheit.
Diesen Trend hat auch Sabine Fischer wahrgenommen. Die viel beschworene „Work-Life-Balance“ und die gewünschte Vereinbarkeit von Familie und Beruf treibe viele Ärzte ins Angestelltenverhältnis. Das mache die Suche nach einem Nachfolger nicht einfacher. Doch ein weitaus größeres Problem sieht die Ärztin bereits im Studium. Zum einen fehle es an Studienplätzen. „Wir haben in Rheinland-Pfalz bisher nur die Uni Mainz. Viele Studenten wechseln nach dem Physikum von dort in andere Bundesländer, weil es hier dann zu wenig Plätze gibt“, weiß Fischer.
In dieser Hinsicht sei das Land Rheinland-Pfalz nicht gut aufgestellt. Ein anderes Problem sei, dass rund ein Viertel der Abgänger am Ende gar nicht im Beruf arbeite – weil er häufig als unattraktiv empfunden werde. Ihr Fazit: „Wir brauchen mehr Studienplätze oder mehr attraktive Arbeitsplätze.“
Attraktiven Arbeitsplatz bieten
Bei Letzterem möchte Fischer ansetzen, wenn es darum geht, einen Nachfolger für ihren Arztsitz zu finden, denn sein Erhalt liegt der Medizinerin besonders am Herzen. „Der Arztsitz hier in Kirchberg sollte erhalten bleiben. Er ist allerdings nicht ortsgebunden. Finde ich keinen Nachfolger, haben wir keinen Einfluss darauf, wo er besetzt wird“, erklärt sie. Dann könnte der Sitz etwa in Büchenbeuren oder Simmern eingerichtet werden.
Um die regionale Versorgung aber zu erhalten, möchte Fischer bei der Nachfolgersuche einen besonderen Weg gehen. Sie möchte darauf verzichten, einen jungen Mediziner ins kalte Wasser der Selbstständigkeit zu schubsen, indem sie erst dann auf die Suche geht, wenn ihr Ruhestand kurz bevorsteht. Vielmehr möchte sie jetzt einen Assistenten oder einen Weiterbildungsassistenten Allgemeinmedizin suchen.
Wenn Fischer ihre Patienten behandelt, verlässt sie auch mal den konventionellen Weg. „Es gibt Medizin, die nach der Empirie richtig ist und in keinen Leitlinien steht“, ist sie sicher. Ihre Patienten zu Alternativen wie Naturheilverfahren drängen will sie hingegen nicht. „Wir können darüber informieren, aber wir üben keinen Druck aus“, macht Fischer deutlich. Gleichzeitig wolle sie aber die Medizin, die gelehrt werde, von ihrem Sockel heben und stets die Frage stellen: „Ist sie das richtige für den Patienten, der da vor mir sitzt?“
Ziel: Integrative Behandlung
Vor mehr als 20 Jahren nahm Fischer als hausärztliche Internistin in der Gemeinschaftspraxis Messinger/Waxmann in Kirchberg den Platz des verstorbenen Kollegen Gerd Otte ein. Ihr Ziel schon damals: ihre Patienten als Ärztin mit fundierter schulmedizinischer Ausbildung und breitem naturheilkundlichen Wissen integrativ zu behandeln.
Dass sie mit ihrem ganzheitlichen Denken auch mal an ihre Grenzen stößt, musste sie in dieser Zeit schmerzlich erfahren. „Aber es ist hilfreich, feste Abläufe und Standards zu kennen“, sagt sie. Auch wenn diese Standards nicht zwingend auf jeden Menschen passten. Immerhin sei jeder Mensch individuell, ist Fischer sicher. Nichtsdestotrotz möchte sie genau diese an einen jungen Kollegen weitergeben – mitsamt derer ihres Kollegen Balzer, der seinen Schwerpunkt in der Geriatrie hat. Denn auch er soll eine Rolle bei der Einarbeitung eines potenziellen Nachfolgers spielen. Obendrein stehen den beiden Medizinern noch sechs erfahrene Praxismitarbeiter zur Seite.
Punkten möchte Fischer bei der Suche auch mit dem Umstand, dass ihre Praxis die volle Ausbildungsbefugnis der Uni Mainz habe. „Wir können also volle 30 anerkannte Monate weiterbilden“, erklärt Fischer.
„Wir wollen einer jungen Kollegin oder einem jungen Kollegen die Möglichkeit geben, in die Selbstständigkeit reinzuspüren“, sagt sie. Er – oder sie – könne so „laufen lernen“ mit zwei verantwortlichen Praxisinhabern an der Seite. Die Technik und die Infrastruktur seien vorhanden. In alles andere könne der potenzielle Nachfolger hineinwachsen, verspricht Fischer – so er denn gefunden wird.