Zu Gast im Land der Vorfahren
Nachfahren jüdischer Familien besuchen den Hunsrück
Der jüdische Friedhof von Gemünden wird auch ein Ziel der Exkursion auf den Spuren jüdischer Vergangenheit im Hunsrück sein.
Dupuis Werner. Werner Dupuis

Ihre Vorfahren lebten im Hunsrück, bis sie vor dem Terror der Nationalsozialisten fliehen mussten. Jetzt besuchen Nachfahren dieser jüdischen Familien die einstige Heimat ihrer Eltern und Großeltern. 

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Auf den Spuren der Vergangenheit kommen rund 40 Nachfahren jüdischer Familien, die ehemals in verschiedenen Ortschaften im Hunsrück lebten, in der Woche vom 22. bis zum 29. Juni nach Simmern. Sie leben heute in den USA, in Uruguay und in Israel. In ihren Familien ist die Erinnerung an ihre frühere Heimat bis heute wach geblieben.

„Die ersten Erzählungen, die ich über Deutschland hörte, waren jene aus der Kindheit meines Vaters – es waren Geschichten über Fahrradtouren entlang des Rheins. In meinen Erinnerungen gibt es ein Deutschland vor dem Holocaust“, weiß Bilha Kislev, deren Vater in Kastellaun aufwuchs. Für viele ist die Reise zu den Wurzeln ihrer Vorfahren ein wichtiger Schritt bei der Erforschung der eigenen Familiengeschichte, aber auch eine immer wieder auch schmerzvolle Auseinandersetzung mit dem erlittenen Unrecht ihrer Vorfahren.

Die Inschriften auf den Grabsteinen jüdischer Friedhöfe, wie hier in Laufersweiler, zu entziffern ist häufig keine leichte Aufgabe.
Dupuis Werner. Werner Dupuis

Das Besuchsprogramm wird vom Förderkreis Ehemalige Synagoge Laufersweiler mit vielen Kooperationspartnern organisiert und bietet zahlreiche Gelegenheiten zur Begegnung und zum Austausch. Christof Pies, Vorsitzender des Förderkreises, der schon seit vielen Monaten mit der umfangreichen Vorbereitung der Begegnungswoche beschäftigt ist, hofft, dass trotz der aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und dem Iran die Gäste aus Israel gewillt sind und die Möglichkeit haben, anzureisen.

Auftakt ist am Montagabend, 23. Juni, um 19 Uhr im Pro-Winzkino Simmern mit einer Filmvorführung des dritten Teils aus der Reihe „Heimat – eine deutsche Chronik“ von Edgar Reitz, die im Jahr 1935 spielt. Im Anschluss präsentiert Ayelet Drach-Mayer Auszüge aus ihrer digitalen Familienchronik, in der anklingt, was die Hunsrück-Heimat für die Familien, die vor dem NS-Terror fliehen mussten, bis heute bedeutet.

Auf den Spuren jüdischer Vergangenheit

Eingebunden in die Woche der Begegnung und Erinnerung ist auch das am Dienstag, 24. Juni, um 19 Uhr im Pro-Winzkino stattfindende 26. Simmerner Stadtgespräch. Zu Gast ist der rheinland-pfälzische Landtagspräsident Hendrik Hering. Gemeinsam mit Gästen wird er über die Bedeutung der Erinnerungskultur, über Veränderungen und aktuelle Herausforderungen sprechen.

Auf mehreren Exkursionen wird die Hunsrück-Region auf den Spuren jüdischer Vergangenheit erkundet. Unter der Leitung von Fritz Schellack, langjähriger Leiter des Hunsrück-Museums, wird am Dienstag, 24. Juni, in Kastellaun, Kirchberg, Gemünden, Laufersweiler und Hottenbach Station gemacht. Am Mittwoch, 25. Juni, steht eine Tour über die Hochebene des Hunsrücks auf dem Programm. Dabei erfahren die Besucher allerlei Wissenswertes über Landschaft und Geschichte der Region. Dazu gehören Themen wie beispielsweise die Energieversorgung oder ein Blick hinter die Kulissen der Abfallwirtschaft Rhein-Hunsrück. Der Tag findet seinen Abschluss um 19 Uhr in der Friedenskirche Kirchberg, wo der Kirchenkreis Simmern-Trarbach zu einem Gespräch über das Verbindende der Religionen einlädt.

In Laufesrweiler werden die Gäste aus aller Welt - wie viele Gruppen zuvor - unter der Leitung von Christof Pies (3. von rechts) auf die Spurensuche ihrer Vorfahren gehen.
Dupuis Werner. Werner Dupuis

Den kulturellen Höhepunkt der Begegnungswoche bildet ein Konzertabend im Simmerner Schloss am Donnerstag, 26. Juni, um 19 Uhr. Sarah Hickethier und Carsten Braun präsentieren gemeinsam mit Amnon Seelig, dem Kantor der Jüdischen Gemeinde Mannheim, jiddische und hebräische Lieder. Im Anschluss trägt Alma Mayer, deren Großeltern aus Laufersweiler stammen, eine musikalische Erzählung vor, die sie basierend auf einer Familiengeschichte zur Begegnungswoche verfasst hat. Darin beschreibt sie einen „Heutransport am Schabbath“. In einer multimedialen musikalischen Erzählung präsentiert die Nachfahrin ihrer 1939 nach Palästina geflohenen Vorfahren das Dilemma der Laufersweiler jüdischen Bauernfamilie Mayer beim Heumachen am Schabbath. Musikalisch in Szene gesetzt wird die Geschichte von der Multiinstrumentalistin Alma Mayer und ihrem internationalen Ensemble auf historischen Instrumenten.

Am Freitag, 27. Juni, folgt die Gruppe einer Einladung des Landtags, des Ministerpräsidenten, der Antisemitismusbeauftragten und der jüdischen Gemeinde nach Mainz. Neben dem Besuch der neuen Synagoge bietet der Ausflug Gelegenheit, das Welterbe Oberes Mittelrheintal in Oberwesel und Bacharach mit seiner reichen und wechselhaften jüdischen Geschichte zu entdecken.

Eine Anmeldung zum kostenlosen Besuch der Filmvorführung und des Stadtgesprächs im Pro-Winzkino ist unter Telefon 06761/7748 oder unter www.pro-winzkino.de möglich. Für die Fahrten über den Hunsrück und nach Mainz sind in begrenzter Zahl Plätze vorhanden. Eine Anmeldung ist erforderlich, ebenso für das Konzert am Donnerstag mit jiddischen Liedern in Simmern. Informationen und Anmeldung per E-Mail an synagoge-laufersweiler@vodafone.de, an cpies@rz-online.de oder telefonisch unter 0157/74321551.

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