Heimatkundler Jürgen Johann aus Boppard will Aufnahme durch die Unesco erwirken und hat an Ministerien geschrieben
Nachbarschaften zum Kulturerbe machen
Suzanne Breitbach

Boppard. Heimatkundler Jürgen Johann hat zwei rheinland-pfälzische Ministerien angeschrieben und um Aufnahme der historischen Nachbarschaften als besondere Kulturform im Herzen des Welterbegebietes Oberes Mittelrheintal zwischen Trechtingshausen und Andernach als immaterielles Unesco-Kulturerbe gebeten.

Auf der Suche sei Johann auf die zahlreich noch heute vorhandenen Nachbarschaften gestoßen.

Jürgen Johann arbeitet seit 1981 bei der Stadtverwaltung Boppard. Über Ferdinand Benner senior entdeckte er die Geschichts- und Heimatkunde seiner Heimatstadt Boppard. In den vergangenen Monaten hat Johann immer wieder vom immateriellen Weltkulturerbe gelesen. Mindestens 500 Aufsätze, sieben Bücher und fünf Filme, also etliche heimatkundliche Publikationen in der Fachpresse hat Johann erarbeitet. Bei der Volkshochschule Boppard hat er sechs Jahre lang Heimatkundekurse angeboten. Die Heimat liegt Johann besonders am Herzen. Immer wieder hat er über die Nachbarschaften gelesen und geschrieben.

„Die meisten der Nachbarschaften existieren bereits seit Hunderten von Jahren, wobei sie vielfach aus alten Brunnengemeinschaften (Trinkwasser war schon immer ein ausgesprochen hohes und schützenswertes Gut innerhalb der Gesellschaft) oder anderen Schutzgemeinschaften (Beispiel: Einsatz an der Stadtmauer) entstanden. Nachfolgend beispielhaft einige rheinische Ortschaften, in welchen historische Nachbarschaften bis in die heutigen Tage den (kulturellen) Jahreskalender durchaus noch mitbestimmen: Boppard, Bad Salzig, Kamp-Bornhofen, Oberwesel, Steeg, Trechtingshausen, Lahnstein, Ahrweiler und Andernach.

Während früher die Nachbarschaften schwerpunktmäßig insbesondere bei familiären Notsituationen (Sterbefälle, Krankheiten, Armut und vieles mehr) ihre satzungsgemäßen Aufgaben erledigten, liegt heute der Schwerpunkt vornehmlich auf kulturellem Gebiet, so zum Beispiel bei der Ausrichtung der jährlichen Kirmesfeier. Zu den ältesten Bopparder Nachbarschaften gehören: Ritter-Beyer-Nachbarschaft, die Bälzer und die Märkter Nachbarschaft. Die Bopparder Märkter Nachbarschaft begeht im Jahr 2020 das 600. Jubiläum ihrer Orgelbornskirmes im Marienberger Park. Sie war einstmals das größte rheinische Volksfest zwischen Koblenz und Bingen.

„Es wäre nicht nur für alle Nachbarschaftsmitglieder zweifelsohne eine Riesensache, wenn zumindest der Versuch unternommen würde, die historischen Nachbarschaften des Rheinlandes in die Liste der besonderen immateriellen Kulturformen aufzunehmen, zumal die Nachbarschaften quasi ein Alleinstellungsmerkmal für sich in Anspruch nehmen können, weil es vergleichbare Einrichtungen des Zusammenlebens innerhalb örtlicher Gemeinschaften deutsch- und europaweit wohl nicht gibt. Sehen Sie eine Chance, das mehrstufige Anerkennungsverfahren einzuleiten und auf den förmlichen Weg zu bringen, wobei ich selbstverständlich gerne meine ganze heimathistorische Unterstützung mitsamt zweckdienlicher Fachinformationen et cetera hierzu erbringe?“, schrieb Jürgen Johann an die beiden Ministerien.

Jürgen Johann freut es, wenn die Ministerien den Vorschlag unterstützen oder aufgreifen und die von ihm als Einzelperson nicht zu leistenden notwendigen formellen Schritte zur Anerkennung der seit vielen Jahrhunderten gelebten rheinischen Tradition forcieren würden.

So ist sein Schreiben an Innenminister Roger Lewentz und den Minister für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur, Konrad Wolf, mit der Bitte um die Aufnahme der historischen Nachbarschaften im Rheinland zwischen Andernach und Trechtingshausen in die offizielle Liste des immateriellen Kulturerbes begründet. „Die Nachbarschaften haben es verdient“, macht sich Johann stark für die Nachbarschaften im Rheintal, von denen etliche seit mehreren Jahrhunderten existieren.

Der persönliche Referent von Minister Lewentz hat bereits ein Antwortschreiben verfasst und darauf hingewiesen, dass sowohl Lewentz als auch der ehemalige Staatssekretär Günter Kern mit Interesse Johanns Schreiben zur Kenntnis genommen hätten. „Die Zuständigkeit für das Unesco-Welterbe und Ihr Anliegen liegt im von Ihnen ebenfalls kontaktierten Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur. Insofern gehen wir davon aus, dass Sie von dort eine entsprechende Rückmeldung erhalten werden“, heißt es im Antwortschreiben des Innenministeriums.

Das Vorzimmer von Minister Konrad Wolf hat den Posteingang von Jürgen Johann bestätigt. Die Bearbeitung nimmt ein wenig Zeit in Anspruch, Jürgen Johann muss sich gedulden.

Von unserer Reporterin Suzanne Breitbach

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