19-Millionen-Projekt der Rhein-Hunsrück-Entsorgung erzeugt Strom aus Biogas und ist bundesweit beispielhaft
Nach Rekord-Bauzeit: Startschuss für Bioabfallvergärungsanlage gefallen
RHE-Vorstand Thomas Lorenz (von links), Kreisbeigeordnete Rita Lanius-Heck und Staatssekretär Erwin Manz drückten symbolisch auf den Knopf.
Thomas Torkler

Kirchberg. Der Spruch „Gut Ding will Weile haben“ passt bei vielen Gelegenheiten – aber bestimmt nicht in Bezug auf die neue Bioabfallvergärungsanlage, die in Rekordzeit auf dem Gelände und unter der Regie der Rhein-Hunsrück-Entsorgung (RHE) entstanden ist. Am Donnerstag wurde sie per symbolischem Knopfdruck von dem geschäftsführenden Vorstand der RHE, Thomas Lorenz, der Ersten Beigeordneten des Rhein-Hunsrück-Kreises, Rita Lanius-Heck, und Staatssekretär Erwin Manz vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität offiziell in Betrieb genommen.

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RHE-Vorstand Thomas Lorenz (von links), Kreisbeigeordnete Rita Lanius-Heck und Staatssekretär Erwin Manz drückten symbolisch auf den Knopf.
Thomas Torkler

Zahlreiche Ehrengäste begrüßte Thomas Lorenz bei der Einweihungsfeier. Neben den offiziellen Vertretern aus Politik und Verwaltung hob Lorenz vor allem Landrat a. D. Bertram Fleck, Staatssekretär a. D. Thomas Griese und seinen ehemaligen Vorstandskollegen Klaus-Peter Hildenbrand hervor. Lorenz nannte das Trio „Männer der ersten Stunde“. Thomas Griese war seinerzeit maßgeblich daran beteiligt, dass das Land Rheinland-Pfalz eine finanzielle Förderung von 1,5 Millionen Euro lockermachte, Bertram Fleck hat großen Anteil daran, dass der Rhein-Hunsrück-Kreis vor drei Jahren, am 21. November 2018, als Energiekommune des Jahrzehnts ausgezeichnet wurde. Und Klaus-Peter Hildenbrand bezeichnete Lorenz bis zu dessen Pensionierung als „Motor und Mitinitiator des Projektes“. In seiner Begrüßungsansprache erklärte Lorenz: „Ich will es kurz machen: Wir haben es geschafft! Und wir haben aus der herkömmlichen Biotonne eine echte Bioenergietonne gemacht.“

Ausbaufähige Ressource

Die hochmoderne Bioabfallvergärungsanlage „ist einzigartig in Deutschland und setzt einen neuen Standard“, erklärte Staatssekretär Manz. „Wir sehen in den getrennt gesammelten Bioabfällen eine ausbaufähige Ressource zur Gewinnung von Biogas: Ein Rohstoff, den wir nicht extra erzeugen müssen, sondern den wir auf diesem Wege klimaschonend verwerten“, betonte der Staatssekretär.

Er machte deutlich, wie wichtig es sei, dass die Bevölkerung aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis bisher so gut mitgespielt habe und dies hoffentlich auch weiter tun wird. „Die vorherige Trennung des Abfalls ist wichtig, vor allem, dass Kunststoffe entfernt werden.“ Unter anderem sei dies essenziell, weil ein Produkt der Anlage ja auch die Erzeugung von Flüssigdünger sei und vermieden werden muss, dass Kunststoffreste in zerkleinerter Form am Ende auf den Äckern der Landwirte landen.

„Wir haben aus unserer herkömmlichen Biotonne eine echte Bioenergietonne gemacht.“

Thomas Lorenz, geschäftsführender Vorstand der Rhein-Hunsrück-Entsorgung, ist stolz auf die neue Bioabfallvergärungsanlage.

Letzte Tests hätten ergeben, „dass wir im Flüssigdünger 0 Prozent Fremdstoffe haben“, sagte Thomas Raussen vom Witzenhausen-Institut. Die GmbH mit Standort im nordhessischen Werra-Meißner-Kreis war maßgeblich an der Entstehung der Anlage beteiligt und verantwortlich für die Planung. Raussen bedankte sich beim Kirchberger Planungsbüro Jakoby & Schreiner für die gute Zusammenarbeit und nannte die Anlage das „i-Tüpfelchen des Abfallsystems im Rhein-Hunsrück-Kreis“. Auch er betonte in dem Zusammenhang, wie wichtig das praktizierte Sammelsystem im Kreis mit sorgfältiger Trennung der Abfallstoffe sei: „Nur so war es möglich, die Anlage zu bauen.“ Thomas Lorenz erklärte, dass die Störstoffquote durch intensive Öffentlichkeitsarbeit im Rhein-Hunsrück-Kreis unter Einsatz von Bioscouts und durch Veröffentlichungen unter anderem auch in der Rhein-Hunsrück-Zeitung dafür gesorgt hätten, dass der angelieferte Bioabfall bei der RHE eine so geringe Störstoffquote aufweise.

Wenig Störungen beim Bau der Anlage verursachte übrigens die Corona-Pandemie. Baubeginn war am 20. März 2020 – also exakt zu der Zeit, als die Corona-Krise mit dem ersten Lockdown durchstartete. Obwohl die einzelnen Gewerke der Anlage von international angesiedelten Firmen erledigt wurden, sei es zu keiner Zeit zu nennenswerten Ausfällen durch Krankheit oder Quarantäne gekommen. „Das beweist, dass wir auch während der Corona-Zeit bauen können“, sagte Karlgünter Eggersmann. Die RHE hatte den Auftrag für den Bau an ein Konsortium der Anlagenbauer Eggersmann (Halle/Westfalen) und Hitachi Zosen Inova (Zürich/Schweiz) vergeben. Eine kleine Reminiszenz an die Schweizer Beteiligung am Bau war der Auftritt von zwei Alphornbläsern, die die Einweihung der neuen Bioabfallvergärungsanlage musikalisch umrahmten.

In mehreren Gruppen machten die Ehrengäste einen Rundgang übers Gelände der neuen Anlage auf dem Gelände der Rhein-Hunsrück-Entsorgung. Fotos: Thomas Torkler
Thomas Torkler

Primärzweck der Anlage ist natürlich der Gewinn von wertvollem Biogas zur Stromerzeugung. Das Biogas lässt sich zwischenspeichern und kann flexibel ins Stromnetz eingespeist werden. Energetisch ist die Anlage konsequent auf die netzdienliche Stromerzeugung in Zeiten, wenn Windräder und Solaranlagen wenig Strom erzeugen, ausgelegt. Weniger als ein Sechstel des erzeugten Stroms wird für den Betrieb der Anlage benötigt, ebenfalls eine Topquote, denn bei vergleichbaren Anlagen, liege der Eigenbedarf des erzeugten Stroms meist bei einem Drittel, hieß es. Thomas Lorenz sagte nicht ohne Stolz, dass die RHE mit dieser speziellen Anlagen- und Vergärungstechnik in Sachen Technologie und Klimaschutz zukünftig eine Vorreiterrolle in Deutschland übernehme. Und das bestätigten im Rahmen der Einweihungsfeier auch alle anderen Grußwortredner.

Die Erste Kreisbeigeordnete Rita Lanius-Heck freute sich, dass der Rhein-Hunsrück-Kreis mit der Inbetriebnahme der Anlage einen weiteren Baustein zur Energiewende präsentieren könne. Sie blickte zurück auf das erste Windrad im Kreis 1995, das Strom für 200 Haushalte produziert habe. „Heute sind es 276, die Strom für 300.000 Haushalte liefern“, skizzierte Lanius-Heck den Werdegang des Landkreises zur Energiekommune des Jahrzehnts.

Müllgebühren bleiben stabil

Thomas Lorenz hatte ebenfalls zurückgeblickt und die mehr als 13 Millionen Euro erwähnt, die in verschiedene Projekte der RHE geflossen seien, vom Verwaltungsgebäude als Energiegewinnhaus, über ein erfolgreiches Grüngutkonzept mit drei eigenen Heizanlagen bis zum eigenen 1,5 MW Solarkraftwerk auf dem Deponiekörper und zur eigenen Strommarke RH-Energie. Die neue Bioabfallvergärungsanlage hat insgesamt 19 Millionen Euro gekostet, 1,5 Millionen Euro steuert das Land bei. In der Summe habe die RHE in einem Jahrzehnt 32 Millionen Euro in die Kreislaufwirtschaft und den Klimaschutz investiert.

Für die Bürger sei am Ende entscheidend, was die Entsorgung ihres Abfalls kostet. Lorenz konnte unverbindlich schon mal eine frohe Botschaft verkünden: „Ohne den politischen Entscheidungsträgern vorgreifen zu wollen, werden wir die Gebühren 2022 nicht anpassen müssen.“

Von unserem Redaktionsleiter Thomas Torkler

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