Haus am Fruchtmarktdarf an Edgar Reitz und die "Heimat" erinnern - Stadtrat beschließt Sanierungsarbeiten
Nach filmreifer Debatte: Edgar-Reitz-Museum in Simmern kann kommen
Just als die teuren Pflasterarbeiten vor den Fenstern des Hauses Ziegelmayer auf vollen Touren liefen, diskutierte der Stadtrat, ob er Geld für die Installation eines Museums in der rückseitig gelegenen Werkstatt des Hauses ausgeben möchte. Dort soll durch eine Sanierung Platz für die Erinnerung an die „Heimat“ entstehen. Foto: Werner Dupuis
Werner Dupuis

Die Kreis- und Filmstadt Simmern schafft Platz für ein Edgar-Reitz-Museum. Der Raum ist bereits vorhanden, nur umgebaut werden muss in der Werkstatt des ehemaligen Hauses Ziegelmayer noch entsprechend, damit das Museum an den Start gehen kann. Dafür machte der Stadtrat nach kontroverser Diskussion und einigem Knirschen im Gebälk den Weg frei.

Just als die teuren Pflasterarbeiten vor den Fenstern des Hauses Ziegelmayer auf vollen Touren liefen, diskutierte der Stadtrat, ob er Geld für die Installation eines Museums in der rückseitig gelegenen Werkstatt des Hauses ausgeben möchte. Dort soll durch eine Sanierung Platz für die Erinnerung an die „Heimat“ entstehen. Foto: Werner Dupuis
Werner Dupuis

Dem „Heimat“-Erfinder und -regisseur Edgar Reitz, der Ehrenbürger der Stadt ist, wollte der Rat dann doch keine Absage erteilen – zumal die Gesamtkosten bei „nur“ 220.000 Euro abzüglich möglicher Fördergelder liegen. Manchmal helfen einfach klare Worte. Gesprochen wurden sie in diesem Fall von Fritz Schellack, der als Direktor des Hunsrück-Museums in Diensten der Stadt ist. Schellack ist ein Mann von Klartext, den auch diejenigen respektieren, die ihn oder auch jene Funktion, die er für die Stadt Simmern und die Region ausübt, vielleicht nicht so schätzen wie andere, die rundum froh sind, dass es einen profunden Kenner und Könner wie Schellack gibt. Zum einen, weil er in der Regionalgeschichte extrem bewandert ist und dies zum anderen nicht zu Markte trägt, um sich und seine weitreichenden Kenntnisse damit persönlich zu präsentieren, sondern das, wofür er steht: den Hunsrück und dessen Geschichte.

Nötige Distanz, kritische Worte

Als Schellack im Stadtrat vorträgt, ist ihm zweierlei anzumerken. Einerseits die nötige kritische, räumliche und politische Distanz zur Stadt, in der er arbeitet und Spuren hinterlässt, die aber nicht sein privates Umfeld allein prägt. Andererseits spricht er etwas aus, das sich an diesem Abend wenige klar zu formulieren trauen würden: „Es muss, glaube ich, allen bewusst werden, was wir für ein Pfund in dieser Stadt haben. Die Filmgeschichte des Hunsrücks ist es mit Sicherheit wert, im kollektiven Gedächtnis erhalten zu bleiben.“

Das mit dem kollektiven Gedächtnis ist bekanntermaßen stets eine besondere Sache. Denn der Mensch vergisst rasch. Mancher Lobgesang ist auf die Filmgeschichte Simmerns, das Pro-Winzkino als Förderer der „Heimat“, auf Edgar Reitz sowie auf den Willen zum Erhalten und Bewahren seines Werkes durch das Hunsrück-Museum gehalten worden. Ohne das epochale Geschehen rund um die „Heimat“ wäre der Hunsrück, gerade auch Simmern, nicht allein cineastisch, sondern vor allem kulturell ärmer.

Dazu ist vieles gesprochen, doch als es darum geht, im Stadtrat Mittel für eine allem Anschein nach seriös und insgesamt bescheiden, auf nötige Maßnahmen reduziert wirkende Sanierung der Werkstatt des Hauses Ziegelmayer freizugeben, erscheint die große Welt rund um den Film plötzlich klein, eng und provinziell. Jeder im Stadtrat weiß, wie viele Hunderttausend Euro an Mehrkosten der neue Pflasterbelag verursacht, der gerade vor den Fenstern des denkmalgeschützten Hauses Ziegelmayer am Fruchtmarkt verlegt wird. Just werden große Summen für diesen Belag ausgegeben, die finanzielle Planung geriet angesichts explodierender Kosten augenscheinlich zum Desaster. Der Stadtrat hat offensichtlich weniger ein Problem damit, dass im Bereich zwischen Ziegelmayer- und Ärztehaus gerade 1 Million Euro in den Bodenbelag „versenkt“ werden. Bei der diskutierten Ziegelmayer-Sanierung heißt es dann aber: „Wir haben noch nichts beschlossen, und ein Konzept liegt noch nicht vor.“ Das sagt eine namhafte Fraktionsspitze – und nahezu wortgleich verkündet kurz darauf die Spitze einer anderen großen Fraktion: „Was uns natürlich interessiert, ist ein Konzept. Wir wollen eigentlich ein gesamtes Konzept sehen.“

Fraktionen fordern Konzeptionen

Was genau die Fraktionen an Konzeption fordern außer jenem, was Schellack versucht, dem Rat in energischen Worten zu vermitteln, bleibt derweil sehr nebulös. Vor dem weiteren Hintergrund, dass nur ein paar Häuser die Oberstraße hinauf für einen Millionenbetrag einst die Idee eines Konzerthauses, für das es nie ein wirklich nachhaltiges, womöglich sogar schriftlich fixiertes Konzept als Grundlage der angedachten Investition gab, wirkt die Szenerie bisweilen etwas grotesk. Bekanntlich strich der Rechnungshof das Konzerthaus schließlich.

Beim historischen Haus Ziegelmayer steht die Stadt, wie Bürgermeister Andreas Nikolay, Museumsleiter Schellack und Architektin Annette Peter im Rat deutlich machen, vor der (un)gewissen Herausforderung, dass auf nicht absehbare Zeit hin eine Betrachtung durch Fachbüros für historische Bausubstanz vorgenommen wird. Ein Gesamtkonzept, so erläutert der Bürgermeister, könne nicht vorgelegt werden, solange nicht klar sei, wie das historische Haus saniert werden soll. Gedanken zur Nutzung, so scheint es, wurden sich aber bereits in einzelnen Fraktionen durchaus gemacht – beispielsweise in Form einer Eisdiele.

Die Werkstatt des Hauses Ziegelmayer ist vom Denkmalschutz nicht betroffen, das Maß der notwendigen Sanierungen erscheint überschaubar – da würde es sich, so könnte der Tenor lauten, aus Sicht der Stadt lohnen, die Arbeit des Ehrenbürgers Edgar Reitz dort zu würdigen. Wie Schellack klarstellt, ist im Hunsrück Museum vieles zur „Heimat“ eingelagert, viel mehr, als in der kleinen und zu überarbeitenden Ausstellung im Hunsrück-Museum gezeigt werden könne.

Während Teile des Rates sich im Laufe der Sitzung – und wohl auch aufgrund der unpolitischen, aber in der Sache deutlichen Aussagen Schellacks – für die Umgestaltung der Werkstatt erwärmen können, wirken einige Fronten lange verhärtet. „Ich nehme das zur Kenntnis, dass man sich hinter der Forderung eines Gesamtkonzeptes versteckt“, spricht Schellack offene, vermutlich zutreffende Worte. Architektin Peter wäre sonst womöglich gar nicht erst zu Wort gekommen, um die für die Stadt letztlich auf Kosten von 120.000 bis 130.000 Euro geschätzte Sanierung zu erläutern und auf eine mögliche Leader-Förderung zu sprechen zu kommen. Der seitens der CDU-Fraktion formulierte Gedanke, für das Projekt zuerst einmal einen Leader-Antrag zu stellen und erst nach einer etwaigen Förderzusage die Sanierung dann auch wirklich zu beschließen, widerspricht unterdessen offensichtlich dem Grundsatz von Förderanträgen.

„Irgendwann muss man springen“

„Ich gestatte mir zu sagen: Irgendwann muss man auch einmal springen“, sagt Schellack. „Sie haben so viele Beschlüsse gefasst, um das kulturelle Leben zu stützen, das kann man doch nicht auf die Bank schieben für fünf Jahre.“ Es war zuvor im Rat schließlich die Idee formuliert worden, abzuwarten, bis der Denkmalschutz entschieden haben möge. „Das sehe ich schon mit einer gewissen Emotion“, sagt Schellack, der mit Verweis auf seine bald endende Dienstzeit ausspricht, dass ihm angesichts der Argumentation und des Vorgehens im Rat die Worte fehlten. Inhaltlich betont er zudem, dass die Werkstatt des Hauses Ziegelmayer barrierefrei zu erreichen sei und die Kosten allein dadurch im Rahmen blieben im Vergleich zu einem Umbau des denkmalgeschützten Gesamthauses zu einem museumsartigen Gebäude. „Es wird Jahre dauern, bis jemand mit dem Rolli in das Haus Ziegelmayer kommt“, erklärt er. „Das ist eine Chance“, ruft Schellack dem Rat zu. Er betont, dass rund drei Dutzend Ehrenamtliche in der Museumsarbeit wirken und allein dadurch Hunderte Stunden freiwilliger Dienste unentgeltlich für die Kulturarbeit geleistet werden.

Schellacks Ausführungen scheinen ein Signal für nötige Sondierungsgespräche zu sein. CDU-Fraktionschef Thomas Klemm wandert zu einzelnen Tischen, um sich gerade mit dem jungen Flügel auf eine offensichtlich neue Linie abzustimmen. Die bis dato hart erscheinende Front gegen das Projekt scheint zu bröckeln und Risse zu bekommen. Alsbald gibt es ein erstes zartes Lob: „Ich finde das klasse, was Sie machen“, sagt Klemm zu Schellack, „ich halte das für eine gelungene Sache, man sollte den Leader-Antrag stellen, ich glaube, wir haben keine schlechten Chancen, und es bleibt uns immer noch vorbehalten, dies umzusetzen.“ Teile des Rates lehnen das Projekt zwar weiterhin ab, die Mehrheit stimmt aber für Umbau der Werkstatt, für den jetzt auch ein Antrag auf Leader-Förderung bei der Lokalen Aktionsgruppe Hunsrück gestellt werden soll.

Von unserem Chefreporter Volker Boch

Top-News aus der Region