Nach der Verkündung der Kampfkandidatur gegen Christian Baldauf steht wieder das Amt als Chef der Kreisverwaltung an
Nach der Verkündung der Kampfkandidatur: Landrat Bröhr nimmt sich einen Tag Auszeit
Viele Mikrofone bekam Marlon Bröhr unter die Nase gehalten bei seiner Pressekonferenz am Dienstagvormittag in Simmern. Stadtbürgermeister Andreas Nikolay hatte als Hausherr der Hunsrückhalle die Journalisten begrüßt und moderierte die Fragerunde. Foto: Werner Dupuis
Werner Dupuis

Simmern. Im Rahmen eines erwartet großen Bahnhofs setzte Landrat Marlon Bröhr am Dienstag in der Simmerner Hunsrückhalle sein bislang größtes politisches Ziel aufs Gleis. Auch wenn in der Kreisstadt schon lange kein Zug mehr abgefahren ist in Richtung Mainz, soll für Bröhr von dieser Pressekonferenz aus eine Reise beginnen, die das Ziel Staatskanzlei hat. Über Neustadt nach Mainz lautet der klare Fahrplan.

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Mit der Pünktlichkeit früherer Bahn-Fahrpläne leitete Simmerns Stadtbürgermeister Andreas Nikolay exakt um 10.30 Uhr die Pressekonferenz in der Hunsrückhalle ein. Zwei überdimensionale Plakatwände machten deutlich, dass der Stadtchef hier nur die Nebenrolle spielen würde, sozusagen als Schaffner agierte. Der Hausherr begrüßte „meinen Freund und Landrat Marlon Bröhr“, der sogleich ans Mikrofon treten sollte.

Als Quereinsteiger in die Politik gekommen, blieb Bröhr auch bei diesem Termin seiner Linie treu, dass er dann hellwach ist, wenn es gilt. So viele Termine hat es bereits gegeben, bei denen sich der Landrat als vermeintlich erster Politiker am Platze beim offiziellen Foto in die hintere Reihe stellte und einer Phalanx Platz machte, die es nach weiter vorne zog. Jetzt aber, an diesem Dienstag, galt es, Weichen für die Zukunft zu stellen. Es sprach ein Landrat des Rhein-Hunsrück-Kreises, der für einen Tag im Urlaub weilte. Bereits in der vergangenen Woche hatte Bröhr aus dem Urlaub heraus zur Pressekonferenz eingeladen, am Montag war er dann im Büro und leitete in der Kreisverwaltung bis in die Abendstunden eine Marathonsitzung des Kreistags. Am Dienstag aber pausierte das Amt.

Bröhr thematisierte am Rednerpult zwar immer wieder den Rhein-Hunsrück-Kreis und betonte, wie gern er hier lebt und auch in der Verantwortung als Landrat tätig ist. Aber er erklärte eben auch, dass es ihn nach Höherem streben lässt. Er möchte nicht weniger, als die seit 1991 andauernde Wahlschlappen-Misere der CDU Rheinland-Pfalz beenden.

„Mir wurde seit 2006 immer gesagt, dass ich keine Chance habe“, erklärte Bröhr mit Blick auf seine bisherige politische Laufbahn. Als Zahnmediziner trat er in Kastellaun an und kandidierte ohne das Siegel der heimischen CDU und trotz eines christdemokratischen Gegenkandidaten. Er gewann ebenso wie er sich zuletzt in der Wahl zum Landrat 2014 gegen Michael Maurer (SPD) durchsetzte. Bei der Landratswahl lag die Zustimmung bei 68,69 Prozent.

Die Fahrt, die Bröhr aufnehmen möchte, um Spitzenkandidat der CDU zu werden, soll nicht von jenem „klassischen“, linientreuen Klinkenputzen geprägt sein, das die Regel ist. „Ich werde nicht den Hörer in die Hand nehmen und rumtelefonieren. Ich habe überhaupt keine Zeit dazu, ich habe ein sehr schönes Amt“, sagte er. Letzterer Teil des Satzes war auch für den Tag nach diesem Urlaubstag wichtig, denn nach dem freien Tag der Ankündigung seiner Kampfkandidatur gegen Christian Baldauf ist Bröhr wieder Landrat des Rhein-Hunsrück-Kreises.

Wie sehr auch der Erfolg des Kreises ihn mit beflügelt hat, unterstrich Bröhr, der unter anderem erklärte, mit Stolz Landrat der „Energiekommune des Jahrzehnts“ zu sein. Dieser Verdienst, da macht er wenig Aufhebens drum, geht insbesondere auf die Arbeit seines Vorgängers Bertram Fleck zurück. Die wirtschaftlich positiven Errungenschaften der Energiewende und die positive finanzielle Entwicklung vieler kommunaler Etats hat unter anderem dazu geführt, dass sich der Kreis prächtig entwickelt hat. So ließ Bröhr auch die erhebliche Reduzierung der Verschuldung um gut die Hälfte nicht unerwähnt und die stabile Finanzsituation des Kreises. Sein Ziel ist es, diese Entwicklung auf das Land zu übertragen.

In einem am Dienstag veröffentlichten Video macht Bröhr analog zu den großformatigen Plakaten deutlich, dass er hoch hinaus will. An einer Steilwand ist der Landrat als Kletterer zu sehen, in einer Perspektive also, die nach oben führt. Am Seil gesichert zwar, aber durchaus mit dem Restrisiko einer gewissen Fallhöhe.

Unter dem Motto „Rheinland-Pfalz kann mehr“ schwingt sich Bröhr auf, erst Gegenkandidat von Christian Baldauf bei der Landes-CDU zu werden und dann Ministerpräsident. Dabei betont er zugleich, dass er sein Amt als Landrat des Rhein-Hunsrück-Kreises sehr schätzt. Für den Fall, dass die große Fahrt in Richtung Mainz von Erfolg gekrönt sein sollte, werden im Hintergrund bereits Aspiranten auf die Nachfolge Marlon Bröhrs als Landrat gehandelt. Aber dieser mögliche zweite Teil des Rhein-Hunsrücker Fahrplanes wird erst nach der Landtagswahl im Frühjahr 2021 verkündet. Bis dahin hat der offizielle Fahrplan vorerst nur einen Haltepunkt: Neustadt an der Weinstraße.

Schafft es Marlon Bröhr dort am Samstag, 16. November, Landtagsfraktionschef Christian Baldauf zu überflügeln oder eine Urwahl über die Spitzenkandidatur zu erreichen, dann könnte eine Reise beginnen. Sie könnte zur großen Fahrt werden für den Landrat und für den Rhein-Hunsrück-Kreis bedeuten, dass der Chef der Kreisverwaltung möglicherweise noch den ein oder anderen Urlaubstag nimmt. Der freie Tag vom Dienstag könnte dann nur der Auftakt gewesen sein.

Von unseren Redakteuren Volker Boch und Thomas Torkler

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