„Gemäß einer Nachweisung des Kreisphysikus Dr. Rothenberger zu Simmern aus dem Jahre 1835 war die Gründungsurkunde der Mohren-Apotheke zu Simmern am 3. November 1774 ausgestellt. Dazu ist bemerkt: Privilegiert von der Churfürstlichen Regierung für den Joann Henrich Karsch von Alsenz als zweite Apotheke. Nachdem sie mehrere Besitzer gehabt hatte, wurde sie 1785 von Zollverwalter Rothermel an Christian Kirchmayer von Kulmbach für 1800 Gulden verkauft.“ So ist es in historischen Dokumenten nachzulesen.
Die Apotheke blieb 212 Jahre im Besitz der Familie Kirchmayer, Ende Juni 1997 übernahmen Daniela und Bernd Schulte-Langforth den Betrieb und führen ihn bis heute fort. „Das sind jetzt zwar schon 27 Jahre. Aber zu dem Jubiläum, das wir jetzt feiern, haben wir gerade mal 10 Prozent beigetragen“, sagt Bernd Schulte-Langforth bescheiden. „Wir haben für die nächste Woche zwar ein paar Besonderheiten vorgesehen – es gibt ein Schätzspiel, bei dem die Anzahl an Pillen in einem großen Apothekerglas geschätzt werden muss, Rabattaktionen und eine Verlosung –, aber ansonsten geht der Alltagsbetrieb normal weiter“, erklärt Bernd Schulte-Langforth.
Seine direkten Vorgänger, Horst Kirchmayer und seine Frau Helga Kirchmayer, führten die Apotheke noch 14 Jahre länger als Daniela und Bernd Schulte-Langforth – 41 Jahre. Wie lange er das Geschäft noch leiten möchte, fragen wir ihn. „Wenn man mich lässt, mache ich noch ein bisschen“, erklärt der 63-Jährige, und man merkt ihm die Leidenschaft für sein Metier an. Und schon fügt er hinzu: „Man lebt ja für seinen Beruf.“
Fortbestand der Apotheke ist offen
Wie lange das Ehepaar Schulte-Langforth noch hinter dem Apothekentresen stehen wird, entscheidet sich wohl in vier Jahren – im November 2028. „Dann läuft unser Mietvertrag nach 30 Jahren aus, und zwar einen Monat später, nachdem ich 67 werde“, erzählt Schulte-Langforth. Ein Schlussstrich soll dies aber nicht sein. „Meine Mitarbeiter wünschen sich, dass ich auch sie noch bis zur Rente schleppe“, sagt der Apotheker.
Vielleicht ist es ja auch noch zu früh, um in die Zukunft zu blicken. Die Vergangenheit hält viele schöne Erinnerungen vor. Bernd Schulte-Langforth hat die Anfänge seines Apothekerdaseins in Simmern noch gut vor Augen. „Mehr als 200 Jahre hat Familie Kirchmayer die Apotheke geführt, dann kamen wir. Ich glaube, den Kirchmayers hat gefallen, dass wir als Apotheker-Ehepaar das Geschäft fortführen wollten“, sagt Schulte-Langforth rückblickend.
Horst Kirchmayer ist schon vor einiger Zeit verstorben. Helga Kirchmayer indes lebt noch – im oberen Teil des Gebäudes mit dem markanten Türmchen auf der Dachmitte. „Letztens haben wir noch ihren 90. Geburtstag gefeiert“, berichtet der 63-Jährige. Zur Erinnerung, Horst Kirchmayer hat Helga Danco 1962 geheiratet. Helga Danco war nach ihrer Praktikantenzeit von 1953 bis 1955 in der Mohren-Apotheke ebenfalls Apothekerin geworden.
„Wenn man mich lässt, mache ich noch ein bisschen weiter. Man lebt ja schließlich für seinen Beruf.“
Inhaber Bernd Schulte-Langforth denkt noch nicht ans Aufhören. Gern würde er die Mohren-Apotheke in Simmern gemeinsam mit seiner Frau Daniela Schulte-Langforth noch eine Zeit lang weiterbetreiben.
Schulte-Langforth hat viel Lob für seine Vorgänger parat – etwa für die Weitsicht von Erich Kirchmayer. Er hatte die Apotheke am 1. Januar 1932 übernommen und 1955 das gesamte Erdgeschoss umgebaut. Die Vorderfront wurde unterkellert und die Offizin – so nennt man die Arbeitsräume einer Apotheke –, von diesem Zeitpunkt an ohne Treppenstufen erreichbar, über die gesamte Front erweitert. Zwei große Schaufenster veränderten die Gesamtansicht seither. „Dass Ebenerdigkeit, also Barrierefreiheit, in der Geschäftswelt ein wichtiger Faktor sein könnte, wurde erst in den 1970er-/1980er-Jahren so richtig zum Thema. Kirchmayer hat das schon 20 Jahre früher erkannt“, sagt voller Bewunderung Bernd Schulte-Langforth.
Dass die Apotheke heute das 250-jährige Bestehen feiern kann, ist auch der Hartnäckigkeit und des Durchhaltevermögens eines weiteren Vorgängers zu verdanken: Friedrich Julius Kirchmayer, der die Apotheke ausgangs des 19. Jahrhunderts betrieb – und Fürchterliches erleben musste. Im Oktober 1887 vernichtete ein Feuer das gesamte Häuserviertel, das durch die Marktstraße, Schlossstraße und Hunsgasse begrenzt wird.
Friedrich Julius Kirchmayer hatte die Apotheke mit seiner Frau Charlotte Henriette geborene Götz 1859 von seinem Onkel gekauft. Nun, nach dem verheerenden Flammenmeer, konnte das Ehepaar auf der gegenüberliegenden Seite im Haus der Familie Götz eine Notapotheke einrichten – bis zur Vollendung des Neubaus im Februar 1889.
Die Geschichte zeigt: Es gibt stets Höhen, aber auch Tiefen. Das ist beim aktuellen Betreiberehepaar auch nicht anders. Ob die Mohren-Apotheke in wenigen Jahren weitergeführt werden kann, steht in den Sternen. „Ein Nachfolger ist nicht in Sicht“, sagt Bernd Schulte-Langforth. Es gestalte sich ohnehin immer schwieriger, Personal für die Apotheke zu gewinnen. „Die Konkurrenz ist groß. Da ist es nicht leicht, qualifizierte Mitarbeiter zu bekommen“, weiß er. Die Altersstruktur in der Mohren-Apotheke verdeutlicht das Problem. Sieben Personen aus dem Elfmitarbeiterteam sind 60 Jahre und älter. Aber dies habe auch große Vorteile. „Viele langjährige Mitarbeiter in einem harmonischen Team – das ist unsere Stärke.“
Entwicklung sieht nicht gut aus
Auch die Entwicklung insgesamt sei nicht rosig. Der Begriff Apothekensterben ist in aller Munde. Das ist in Simmern nicht anders. Fünf Apotheken gab es einst in der Kreisstadt, heute sind es noch drei. Bernd Schulte-Langforth kommt nicht zuletzt auch deswegen zu dem Schluss: „Das sind keine schönen Aussichten – auch wenn man auf 250 Jahre zurückblicken kann.“