Forstämter unterstützen die natürliche Verjüngung - Lage ist angespannt, aber besser als in vielen Nachbarwäldern
Mensch braucht Wald mehr als umgekehrt – Forstämter unterstützen natürliche Verjüngung
Thomas Meurer, Beigeordneter der Gemeinde Ellern (von links), Revierleiter Jan Hannappel und der stellvertretende Forstamtsleider Manuel Meder betrachten sich den Zustand des Ellerner Waldes, wo die Naturverjüngung bereits eingesetzt hat.
Sina Ternis

Rhein-Hunsrück. Die Lage ist angespannt, aber nicht hoffnungslos. So lässt sich die Situation des Waldes vor allem im Soonwald zusammenfassen. Doch wer den Weg in Richtung Ellerner Hochsteinchen erklimmt, der entdeckt auch dort viele Kahlschläge, viele Fichten, die vom Borkenkäfer befallen oder ihm bereits zum Opfer gefallen sind.

Wer aber genau hinsieht, der erkennt auch die neuen Bäume, die auf den Flächen wachsen. Teilweise hat sich die Natur an diesen Stellen selbst verjüngt, teilweise haben die Mitarbeiter des Forstamts Simmern, vor allem Revierleiter Jan Hannappel, durch gezielte Pflanzungen auch nachgeholfen. Generell gehe es darum, das machen er und der stellvertretende Forstamtsleiter Manuel Meder deutlich, die Balance zu finden – zwischen den Fähigkeiten der Natur, sich selbst zu helfen, und Eingriffen zur Unterstützung bei der Bildung eines gesunden Baumbestandes, weg von für äußere Einflüsse anfälligen Monokulturen, hin zu resilienteren Mischbaumbeständen.

Im Vergleich zu den Nachbarregionen, dazu zählen beispielsweise der Naturpark Hunsrück-Hochwald oder auch die Wälder im Mittelrheintal, sind Borkenkäfer im Soonwald noch in einem überschaubaren Maß vertreten. Die Population könnte in den kommenden Jahren allerdings deutlich anwachsen.

Dafür gibt es laut Meder vor allem zwei Gründe: „Wenn in den benachbarten Regionen bereits große Populationen vorhanden sind, können diese sich weiter ausbreiten.“ Hinzu komme, dass es den Bäumen durch die zunehmende Trockenheit an Widerstandskraft fehle. Beides zusammen kann dazu führen, dass mehr Bäume dem Borkenkäfer zum Opfer fallen.

So sind gesunde Fichten in der Lage, den Käfern zu trotzen, indem sie Harz absondern. Allerdings werde das bei großen Populationen zunehmend schwieriger, und auch durch die Hitze angeschlagene Bäume verfügten nicht mehr über ausreichend Harz. Unterdessen kommen die warmen Temperaturen den Käfern entgegen, beschleunigen deren Ausbreitung.

Genau die versuchen die Forstarbeiter zu verhindern, indem sie befallene Bäume beseitigen. Noch ist das in den Hunsrückwäldern möglich. Ob und inwieweit die Borkenkäferpopulation anwächst, ob sich die Probleme der Nachbarregionen auch auf den Soonwald ausweiten, das vermögen die beiden Experten nicht zu sagen.

Was sie wissen: dass sich die Wälder verändern werden und verändern müssen. Fichten seien früher, vor allem nach den Kriegen, als es darum ging, den Wiederaufbau voranzutreiben, das Mittel der Wahl gewesen. Wegen ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber den damals herrschenden Bedingungen, aber auch, weil sie sich gut als Nutzholz eigneten. „Noch heute sind sehr viele Dachstühle aus Fichtenholz hergestellt“, weiß Meder.

Deswegen kann er nachvollziehen, dass damals andere Entscheidungen getroffen wurden. Entscheidungen, wie sie heute nicht mehr getroffen werden. Weil Fichten den im Zuge des Klimawandels wärmer werdenden Temperaturen und den langen Trockenperioden nicht in dem Maß trotzen können, wie es beispielsweise viele Laubbaumarten können. „Sie sind auch im Hunsrück nicht naturnah, sondern wirklich bewusst vom Menschen kultiviert“, weiß Meder. Rheinland-Pfalz sei aufgrund der klimatischen und standörtlichen Bedingungen und der steinigen Böden eher geeignet für Laubhölzer, wie Buche und Eiche.

Ausprobieren, welche Baumarten mit der Witterung zurechtkommen

Auf einem kleinen Teilstück beim Ellerner Hochsteinchen kann man diesen Wandel schon in Ansätzen erkennen. Nur noch wenige Fichten stehen hier, und die meisten haben bereits braune Stellen in der Krone. Allerdings ist auch zu sehen, wie sich der Wald auf den großen Kahlflächen verjüngt. Langsam zwar, aber es passiert etwas.

Einen Teil der Bäume, darunter beispielsweise Buchen, Weißtannen, Bergahorne oder Lärchen, hat Hannappel in den vergangenen Jahren gepflanzt. Zu einem Zeitpunkt, als die Kahlflächen noch nicht so kahl waren wie heute. Das hatte den Vorteil, dass die großen Bäume den jungen Pflanzen Schatten spenden konnten.

Allerdings sei es dann auch auf der Fläche in den vergangenen beiden Jahren sehr schnell gegangen mit dem Borkenkäferbefall, wodurch auch die potenziellen Schattenspender weggefallen seien. Ein wenig müsse man auch versuchen herauszufinden, was gut funktioniert und was nicht funktioniert. Welche heimischen Baumarten mit den sich verändernden Bedingungen klarkommen, welche Probleme haben, ob es sinnvoll ist, auch Bäume, die in Südeuropa heimisch sind, anzupflanzen, weil die wärmere Temperaturen und weniger Feuchtigkeit gewöhnt sind.

Er weiß, dass er sich damit einer Mehrgenerationenaufgabe angenommen hat, dass es Geduld braucht, bis eine tiefgreifende Veränderung stattfindet. Aber auch er nimmt wohlwollend zur Kenntnis, dass etwas passiert. Es sind mittlerweile auf einigen Teilstücken so viele Bäume gewachsen, dass man laut Meder schon von einem Wald sprechen kann. Weil die Durchwurzelung und eine Beschattung des Bodens gewährleistet sind. Auch eine Naturverjüngung, also eine natürliche Ansamung von Bäumen, hat bereits stattgefunden.

Birken, Buchen, Fichten, sie alle sind hier zu finden. Diese Art der Entwicklung ist laut Hannappel die präferierte. Aus zwei Gründen. Der eine ist ein ganz pragmatischer: „Die Pflanzung von Bäumen ist auch eine Kostenfrage. Wir können also nicht überall unzählige Bäume pflanzen“, weiß Meder.

Der zweite Grund ist aus seiner Sicht aber genauso wichtig: Die durch Verjüngung wachsenden Bäume können sich aufgrund ihrer breiten Genetik und ungestörten Entwicklung am besten an vorherrschende Bedingungen anpassen.

Das richtige Maß finden aus Bepflanzung und Naturverjüngung

Eine aktive Unterstützung in Form von Pflanzung angepasster Baumarten oder dem Schutz von Naturverjüngung sei aber auch deswegen notwendig, weil man andernfalls 300 bis 400 Jahre Geduld brauche, um wieder zu einem artenreichen Laubmischwald zu kommen. Artenvielfalt sei deswegen wichtig, weil das Ökosystem auf diese Weise deutlich besser auf mögliche Störungen reagieren könne.

Und das wird nicht nur in Ellern, sondern vielerorts auch deutlich, wo große Flächen an Fichtenbeständen wegbrechen und riesige Lücken hinterlassen. Lücken, die Hannappel und seine Kollegen nun mit Bedacht wieder füllen.

„Der Wald braucht uns, den Menschen, nicht. Aber wir brauchen den Wald, und die Förster tun alles dafür, um mit möglichst wenigen, punktuellen Eingriffen den Wald so zu entwickeln, dass er auch in Zukunft die vielseitigen Ansprüche unserer Gesellschaft erfüllen kann“, sagt Meder – und zählt auf: Naturschutz, Holznutzung, Erholung, Klima- und Wasserschutz und vieles mehr.

Das sieht auch Thomas Meurer, Erster Beigeordneter der Gemeinde Ellern, so. 400 Hektar Wald fallen auf die Gemarkung des Ortes, aktuell ist der Zustand passabel. Das liegt laut Meurer auch daran, dass sich die Gemeinde schon seit vielen Jahren intensive Gedanken um ihren Wald macht. So wurde beispielsweise, um den Verbiss durch Wild zu reduzieren, vor vielen Jahren bereits ein Jagdkonzept erstellt.

Zudem stehe die Gemeinde im ständigen Austausch mit Revierleiter Hannappel. „Das funktioniert wirklich super, und gemeinsam treffen wir Maßnahmen.“ So habe es im Frühjahr eine Pflanzaktion mit 80 Teilnehmern gegeben. „Ellern und der Wald, das ist eine besondere Verbindung – durch die Baumschule, die Holzkerb und das Unternehmen Tenhaeff gibt es da eine Symbiose“, sagt Meurer.

Von Sina Ternis

Top-News aus der Region