Landgericht Schizophrener wollte Menschen töten - Zwei seiner vier Opfer waren erst fünf Jahre alt
Landgericht: Angeklagter hält sich für den Antichrist
Die Figur einer «Justitia»
Symbolbild: Patrick Seeger/Archiv
Patrick Seeger/Archiv. dpa

Boppard/Bad Kreuznach. Er wollte nur eins: in die forensische Psychiatrie eingesperrt werden – um sich selbst für seine Schlechtigkeit zu bestrafen. Sein Plan stand fest: Er musste einen Menschen töten, um sein Ziel zu erreichen. Ein Opfer hatte er sich schon auserkoren: einen seiner Mitpatienten in der psychiatrischen Abteilung der Hunsrück-Klinik Simmern.

Und so wartete der 48-jährige Mittelrheiner geduldig ab, bis sein Opfer sich in der Nacht zum 23. Mai 2016 zum Schlafen hingelegt hatte. Dann nahm er einen Stuhl und schlug ihn dem wehrlosen Mann mit voller Wucht auf den Kopf. Der schrie Zeter und Mordio. Ein weiterer Patient kam vorbei und entriss dem Angreifer den Stuhl. Das Opfer kam mit ein paar Blessuren und dem Schrecken davon. Doch es war weder der erste noch der letzte Angriff des Schizophreniepatienten, dessen Taten am gestrigen Montag vor dem Landgericht Bad Kreuznach verhandelt wurden.

Die Staatsanwaltschaft, vertreten von Marina Mesenholl, wirft dem Angeklagten, der aufgrund seiner Psychose als schuldunfähig gilt, versuchten Mord, versuchten Totschlag jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Körperverletzung sowie gefährliche Körperverletzung vor. Das Schwurgericht um Richter Folkmar Broszukat ist mit dem Fall betraut.

Der Angeklagte, der sich derzeit in der Psychiatrie in Alzey befindet, und dem von mehreren Seiten eine durchaus hohe Intelligenz bescheinigt wird, konnte nicht persönlich vor Gericht erscheinen, da er an einer schweren Lungenentzündung leidet. Sein Geisteszustand ist unverändert, man befürchtet, dass er trotz seines schlechten Zustands durchaus in der Lage ist, andere Menschen zu gefährden – etwa durch einen Griff an den Hals. Trotz starker Medikamente und Elektroschocktherapien leidet er nach wie vor unter Wahnvorstellungen. „Er hält sich für den Antichrist“, berichtete einer seiner behandelnden Ärzte. Der Patient sei von dem Gedanken besessen, eine Einweisung in die forensische Psychiatrie, sei die Strafe, die er verdient habe. Während seines Aufenthalts in der Hunsrück-Klinik habe der Angeklagte rund 50 Angriffe auf Personal und Mitpatienten verübt. Oft wurde er mit Gurten fixiert, damit er sich selbst und andere nicht gefährden konnte.

Zwei Monate nach dem Mordversuch an seinem Mitpatienten wurde der Beschuldigte nicht mehr in der Hunsrück-Klinik behandelt, sondern lebte in einer offenen Wohngruppe für psychisch Kranke in Boppard. Solange sich die Patienten an- und abmelden und abends wieder zurück sind, dürfen sie sich frei bewegen. Auch der Angeklagte nutzte die Möglichkeit von Zeit zu Zeit und unternahm beispielsweise Spaziergänge am Rhein. An einem Julitag war er – in Begleitung einer Betreuerin – beim Friseur, als er die Pädagogin unvermittelt begrapschte und davonlief, wie diese vor Gericht schilderte. Die Betreuerin, die nichts von den Angriffen in Simmern wusste, sowie weitere Zeugen berichteten, dass der Mann in der Rheinallee zunächst einen fünf Jahre alten Jungen umgeworfen und dessen Kopf mehrfach auf dem Boden aufgeschlagen habe. Das Kind erlitt Hämatome und blutete aus der Nase. Unmittelbar danach stieß der Angreifer ein fünfjähriges Mädchen, das mit seiner Großmutter unterwegs war, vom Fahrrad, sodass sich dieses Schürfwunden zuzog. Ein dänischer Tourist, der demnächst als Zeuge aussagen soll, hatte die Szene beobachtet und rang den Angreifer zu Boden. Es habe lange gedauert, bis ihre Enkelin den Angriff verarbeitet habe, sagte die Großmutter des Kindes vor Gericht. Eine Zeitlang habe das Mädchen weder zum Spielplatz gehen noch Rad fahren wollen und sich nur an der Hand eines Erwachsenen nach draußen getraut.

Der vierte Angriff ereignete sich im Februar 2017 – nun wieder in der Hunsrück-Klinik in Simmern. Der Beschuldigte schlug mehrfach mit einem Fixiergurt auf Gesicht und Schultern einer Mitpatientin ein. Die junge Frau erlitt schmerzhafte Prellungen und eine Schwellung im Gesicht. Ihre Mutter gab vor Gericht an, dass ihre Tochter, selbst psychotisch erkrankt, durch den unvermittelten Angriff auf ihrem eigenen Genesungsweg weit zurückgeworfen wurde und noch tagelang unter einer Angst vor Männern litt.

In Polizeivernehmungen und im persönlichen Gespräch mit Richter Broszukat, der sich vergangene Woche nach Alzey begeben hatte, hatte der Mann zugegeben, dass er den Mitpatienten sowie den Jungen habe töten wollen. Die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach fordert die Unterbringung des Angeklagten in einer psychiatrischen Klinik. Die Verhandlung wird am Donnerstag, 22. März, fortgesetzt.

Von unserer Redakteurin
Silke Bauer

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