Bundeslandwirtschaftsministerin bei Oberweseler Stadtgesprächen zum Thema "Gesund ernähren - sichere Lebensmittel"
Klöckner wehrt sich vehement gegen Vorwürfe
Moderiert von Markus Appelmann, sprach Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner in Oberwesel über ihr Nestlé-Video, über Glyphosat und gesunde Ernährung.
Werner Dupuis

Oberwesel. Brandaktuell war das Thema der jüngsten Auflage der Oberweseler Stadtgespräche im Kulturhaus am Freitag: „Gesund ernähren – sichere Lebensmittel“, lautete es.

Die Veranstaltung war von besonderer Brisanz und mit Spannung erwartet worden, denn die Kolpingsfamilie hatte die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz eingeladen. Julia Klöckner (CDU) war heftig unter Beschuss geraten nach ihren Äußerungen zum Einsatz des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat und vor allem nach ihrem jüngsten Video mit dem Deutschland-Chef des Lebensmittelkonzerns Nestlé. Letzteres brachte ihr massive Kritik ein, besonders in sozialen Medien.

Moderiert von Markus Appelmann von Sat1, spannte Klöckner einen breiten Bogen von Essgewohnheiten über Verbraucherverhalten bis hin zum Tierwohl. Die aktuelle Diskussion wegen ihres Nesté-Interviews klammerte sie dabei nicht aus.

Kantor überbrückt Wartezeit

Dieser Aspekt war mit Spannung erwartet worden, doch die gut 100 Zuhörer im Kulturhaus mussten zunächst Geduld bewahren, denn die Ministerin kam eine gute Stunde zu spät nach Oberwesel. Aus Berlin angereist, hatte ihr Flugzeug Verspätung. Die Wartezeit überbrückte Regionalkontor Lukas Stollhof mit einer spontanen musikalischen Einlage am Flügel des Kulturhauses. Das Warten bot den Gästen aber auch die Gelegenheit zum persönlichen Gespräch. Bundespolitische und lokale Themen, besonders nach der der Kommunalwahl, gab es reichlich.

Zu Beginn ihres Vortrags hatte Julia Klöckner dann interessante Zahlen im Gepäck: 91 Prozent der Deutschen wollen sich gesund ernähren. Dass das Essen schmecken muss, darauf legen laut einer repräsentativen Umfrage ihres Ministeriums 98 Prozent größten Wert. „Zahlen, die nicht immer miteinander kompatibel sind“, interpretierte die 46-jährige Politikerin. 11 Millionen Tonnen unverdorbene Lebensmittel werden pro Jahr in Deutschland vernichtet. 9 Prozent geben die Bundesbürger für Lebensmittel aus. Jede zweite Frau ist übergewichtig, 61 Prozent der Männer haben zu viel auf den Rippen, 15 Prozent der Kinder sind bereits zu schwer.

Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst und Gemüse, weniger Fleisch, weniger Fett, Salz und Zucker, lautet Klöckners Empfehlung, nicht nur an das aufmerksame Publikum im Saal. Trotz veränderter Esskultur, Lebensgewohnheiten und Arbeitsbedingungen, sollten die Konsumenten nicht auf industrielle Fertiggerichte zurückgreifen, sondern mit frischen Zutaten selbst ihre Mahlzeiten zubereiten, empfahl Klöckner.

Einen hohen Stellwert misst die Ministerin dabei Kindergärten und Schulen bei. Hier werde das Fundament für eine spätere bewusste und gesunde Ernährung gelegt. Untersuchungen hätten gezeigt, dass gesünderes Kita-Essen nur 4 Cent mehr koste, als das, was im Durchschnitt angeboten würde. Klöckner sprach sich für eine klare Definition der Inhaltstoffe bei Lebensmittel aus. Nur Rot, Gelb und Grün wie bei einer Ampel funktioniere jedoch nicht, ist sie überzeugt: „Wir brauchen andere Systeme!“ Alles was bis dato an Klassifizierung auf dem Markt sei, hätte Stärken und Schwächen. Bis zum Sommer soll eine von ihrem Ministerium in Auftrag gegebene Studie klären, welche Systeme optimal seien, um den Verbraucher objektiv Information zu geben.

Genauso müsse auch die Klassifizierung beim Tierwohl-Label funktionieren: „Ähnlich wie beim Biosiegel, muss der Verbraucher auf einen Blick erkennen, wie die Tiere gehalten wurden.“

Reizthemen wie Glyphosat und die Nutzung der Gülle in der Landwirtschaft sparte sie nicht aus. Der Gebrauch des umstrittenen Unkrautvernichters werde zukünftig radikal eingeschränkt. Das liege nicht nur im Ermessen ihres Resorts. Auf ein Verbot wollte sie sich nicht festlegen. Gespräche mit der Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) würden geführt. Gefordert sei auch die Deutsche Bahn, die mit dem Spritzmittel ihr Schienennetz vom Bewuchs freihält.

Und um Gülle-Tourismus zu vermeiden, müsse die Zahl der Nutztiere in Verbindung mit der bewirtschafteten Ackerfläche in Relation stehen. „Tricksern“, die durch Gülle-Tourismus viel Geld verdienen, müsse das Handwerk gelegt werden.

Vehement gegen Vorwürfe gewehrt

Vehement verteidigte Klöckner ihr Video mit dem Nestlé-Konzern, in dem sie das Engagement des Unternehmens für seine Initiative zur Reduzierung von Zucker, Fette und Salz in Lebensmitteln gelobt hatte. Kritik kam daraufhin von allen Seiten. Durch das Internet rauchte ein veritabler Shitstorm. Erneut verwahrte sich Klöckner auch im Oberweseler Kulturhaus gegen den Vorwurf der Schleichwerbung, des Lobbyismus und dass sie sich als Ministerin vor den PR-Karren eines multinationalen Konzerns habe spannen lassen. Gespräche mit der Industrie seien ein wichtiges Instrument im politischen Alltag und vollkommen legitim, argumentierte sie: „Sonst erreichen wir überhaupt nichts.“

Klöckner beklagte sich in dem Zusammenhang darüber, dass wenn man die Meinung Anderer nicht teilt, man direkt als Lobbyist beschimpft oder oft „holzschnittmäßig“ etwas vorgeworfen bekäme. Das sei nicht fair. „Nur Schwarz-Weiß geht überhaupt nicht“, sagte Klöckner. „Wir müssen wieder den Ton finden, wo wir sachlich miteinander reden. Leute, die im Internet Kübel ausschütten, verändern nichts in diesem Land.“

Von unserem Reporter Werner Dupuis

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