Bundesweite Petition richtet sich an Gesundheitsminister Jens Spahn - Einrichtung in der Hunsrück-Klinik arbeitet defizitär
Klares Signal für die Hunsrück Klinik: Landfrauen setzen sich für Erhalt der Geburtsstation ein
Stationsleiterin Heidi Märker und die Hebammen Carolin Rosenbaum, Natalie Bäcker und Anika Jacot (von links) stehen voll hinter der Unterschriftenaktion.​
Werner Dupuis

Rhein-Hunsrück/Simmern. Viel positive Resonanz und entsprechend viele Unterschriften erhielten die Landfrauen Rhein-Hunsrück am Donnerstag auf dem Simmerner Wochenmarkt. Mit der Forderung „Schützt die Geburtshilfe und Gynäkologie vor Ort!“ beteiligten sich die Rhein-Hunsrücker Frauen an der bundesweiten Unterschriftenaktion „Geburtshilfe. Im ländlichen Raum. Jetzt!“ des Deutschen Landfrauenverbands (DLV). Bis zum 1. September können Unterschriftenlisten beim DLV eingereicht werden, die Petition wird im Anschluss an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn überreicht. Unterstützung erhielten die Frauen am Donnerstag auch von Hebammen, Pflegepersonal und Vertretern der Klinikleitung der Simmerner Hunsrück-Klinik sowie von Rita Lanius-Heck, die die Aktion nicht nur als Präsidentin des Landfrauenverbands Rheinland-Nassau unterstützte, sondern auch als Erste Beigeordnete des Rhein-Hunsrück-Kreises.

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Werner Dupuis
Stationsleiterin Heidi Märker und die Hebammen Carolin Rosenbaum, Natalie Bäcker und Anika Jacot (von links) stehen voll hinter der Unterschriftenaktion.​
Werner Dupuis
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Zu wenig Geburten in Simmern

„Wir haben mit unserer Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe jedes Jahr einen Defizit im höheren sechsstelligen Bereich“, berichtet Rainer Frischmann, Krankenhausdirektor der Hunsrück-Klinik. Der Mittelwert liege bei circa 800.000 Euro jährlich. Aufgrund des Fallpauschalensystems rechne sich eine solche Station nur bei 800 bis 1000 Geburten pro Jahr, in Simmern erblickten jedoch nur zwischen 500 und 600 Kinder jährlich das Licht der Welt. Zu wenige also, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Dieses Defizit müsse der Träger in anderen Bereichen wieder reinholen. Personell sei die Station in Simmern jedoch gut aufgestellt. „Das liegt aber auch an dem sehr guten Team“, ist Frischmann sicher und gibt zu bedenken: „Wenn die finanzielle Lage schlecht ist, ist man als Arbeitgeber auch nicht mehr attraktiv.“ Ein Umstand, der sich schnellstmöglich ändern sollte, findet der Krankenhausdirektor. Er hofft, dass eine solche Aktion wie die Unterschriftensammlung den Druck auf die Bundesregierung, auch kleine Geburtshilfen zu unterstützen, ein wenig erhöhen könnte. Denn es gebe auf Bundesebene zwar die Diskussion um eine Stärkung kleinerer Stationen, passiert sei aber bisher nichts.

Für die Landfrauen Rhein-Hunsrück jedenfalls steht fest: „Geburtshilfe ist Grundversorgung und darf nicht der Wirtschaftlichkeit unterliegen!“ Immer wieder werde in der Politik großspurig von der Stärkung des ländlichen Raums geredet, gleichzeitig aber sei das Land nicht willens, eine – wenn auch kleine – Geburtshilfeeinrichtung wie die in Simmern finanziell zu unterstützen oder die Rahmenbedingungen anzupassen. „Da nützen all die Sonntagsreden nichts, wenn die Infrastruktur immer weiter eingeschränkt wird“, kritisiert Lanius-Heck. Würde die Station der Hunsrück-Klinik geschlossen, gebe es keine Möglichkeit mehr, im Kreis zu entbinden, macht sie deutlich. Und auch landesweit habe die Zahl der Fachabteilungen abgenommen. „2009 gab es noch 52 Geburtsstationen landesweit, 2017 waren es nur noch 32“, sagt sie. Nach den Schließungen in Daun und Germersheim waren es 2019 nur noch 30 Stationen in Rheinland-Pfalz, die noch Geburtshilfe anboten. „Gleichzeitig ist aber die Zahl der Geburten gestiegen“, weiß Lanius-Heck. Das führe auch dazu, dass sich die Arbeitsbedingungen in den noch vorhandenen Stationen verschärften, in denen „Hebammen oftmals drei, gelegentlich auch bis zu fünf Gebärende gleichzeitig betreuen“ müssten, erklären die Landfrauen Rheinland-Pfalz gemeinsam mit dem Hebammen-Landesverband Rheinland-Pfalz und der Elterninitiative Mother Hood in einer Pressemitteilung.

Gut gerüstet für die Zukunft

Die Station in Simmern fühlt sich nicht nur personell, sondern auch inhaltlich gut gerüstet für die Zukunft. „Was die Zahl der Geburten angeht, können wir uns eigentlich nicht beklagen“, sagt Stationsleiterin Heidi Märker. Dennoch gebe es viel Angst innerhalb des Teams, auch wenn sich alle sicher seien, dass der Träger, die Stiftung Kreuznacher Diakonie, die Station unterstütze. „Aber man weiß ja nicht, wie es sich entwickelt“, sagt Märker. Die Kollegen seien nach wie vor motiviert, die Station weiter nach vorne zu bringen. „Wir erneuern den Standard stetig, Bonding und Stillen sind bei uns wichtige Themen, wir entwickeln neue Ideen und die Hebammen und Schwestern unterstützen sich gegenseitig“, berichtet sie. Hebamme Natalie Bäcker ergänzt: „Wir sind alles andere als altbacken und gestalten die Geburten sehr individuell.“ Zudem werde das Team von vier Stillberaterinnen unterstützt, zwei weitere befänden sich derzeit in Ausbildung. „Wir sind ein harmonisches Team, das sich stets weiterentwickelt und zukunftsorientiert arbeitet“, sagt Märker.

Ein weiteres Problem, das durch Schließungen auf werdende Mütter zukomme, sei, dass sie weite Wege in Kauf nehmen müssten. Daher wollen die Landfrauen „Druck für kurze Wege machen“. „Es darf nicht zur Normalität werden, als Frau weite Strecken auf sich zu nehmen, wenn gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen anstehen, Arztpraxen aufgesucht, Hebammen gefunden oder Geburtsstationen rechtzeitig erreicht werden müssen“, betont etwa Ursula Braunewell, Zweite Vizepräsidentin des DLV und Vorsitzende des Fachausschusses Frauen-, Sozial- und Gesellschaftspolitik. Eine Bleibe- und Rückkehrperspektive für Frauen und ihre Familien gebe es nur dort, „wo eine geburtsmedizinische, gynäkologische und Hebammen-Versorgung sichergestellt ist“, so Braunewell. „Das Krankenhaus in Simmern ist gut ausgestattet und muss unbedingt erhalten werden – mitsamt der Geburtsstation“, sagt Lanius-Heck.

Auch Kreis wünscht sich Erhalt

Das sei auch dem Kreis enorm wichtig, bekräftigt sie in ihrer Funktion als Kreisbeigeordnete. Wenn das Land Rheinland-Pfalz mithelfe, die Station finanziell zu unterstützen, werde auch der Kreis prüfen, wie er die Simmerner Geburtshilfe unterstützen kann. „Wir müssen weiter für den Erhalt und unser Krankenhaus aufstehen“, sagt Lanius-Heck. Ob es am Ende auch was nütze, das wisse wohl niemand.

Aufgeben wollen die Landfrauen auch im Rhein-Hunsrück-Kreis jedenfalls nicht. Im Juli wollen sie erneut eine Aktion für die Simmerner Fachabteilung starten. Dann werden sie sich mit dem Landfrauenbus vor der Hunsrück-Klinik postieren und weiter für die Unterstützung „ihrer“ Geburtsstation kämpfen.

Das fordert der Deutsche Landfrauenverband konkret:

Mit seiner Unterschriftenaktion „Geburtshilfe. Im ländlichen Raum. Jetzt!“ fordert der Deutsche Landfrauenverband Bundesminister Jens Spahn und die Gesundheitsministerkonferenz auf, „sich für eine wohnortnahe Geburtshilfe stark zu machen“. Konkret fordert der Verband:

„Das Schließen von Geburtsstationen und Kreißsälen stoppen;

Die Ansiedlung von Hebammen in Kooperation mit Gynäkologinnen und Gynäkologen aktiv fördern und durch Etablierung medizinischer Versorgungszentren sicherstellen;

Geburtshilfe politisch zum Thema machen und bei der Gesundheitsministerkonferenz der Länder fest verankern.“

Von unserer Redakteurin

Charlotte Krämer-Schick

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