Rhein-Hunsrück-Zeitung
Kinder sollen in Nachbar-Kitas ausweichen

Im Wohnzimmer des Buchholzer Kindergartens wird es langsam eng. Hier spielen verschiedene Altersklassen in einem Raum zusammen. Da auch in zumutbarer Entfernung in der Nachbarschaft sämtliche Kindergärten voll belegt sind, soll in Buchholz eine neue Gruppe gebaut werden. Foto: Suzanne Breitbach

Suzanne Breitbac

Ein Überangebot an 87 Plätzen gibt es für die Kerngruppe der Drei- bis Sechsjährigen in den 57 Kindergärten des Kreises. Bei den unter Dreijährigen kann es dagegen schon mal ganz schön eng werden. Da kann es passieren, dass Kinder in eine Nachbar-Kita ausweichen müssen - natürlich nur, wenn sie in zumutbarer Entfernung liegt.

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Von unserem Redakteur Wolfgang Wolfgang

Rhein-Hunsrück. In den 57 Kindertagesstätten des Kreises finden die Kleinen ausreichend Platz. 4054 Plätze stehen derzeit zur Verfügung, das sind 70 mehr als im vorigen Jahr. Im kommenden Kindergartenjahr gehören 2877 Personen zu dieser Altersgruppe. Für die Größten unten den Kleinen sind 2964 Plätze eingerichtet.

So sagt es die Statistik. In diesem Falle „lügt“ sie mit Sicherheit nicht. Geht doch die Unterbringung der Drei- bis Sechsjährigen seit vielen Jahren kreisweit völlig unproblematisch über die Bühne. Im Kindertagesstättenbedarfsplan, den das Jugendamt einmal im Jahr dem Jugendhilfeausschuss präsentiert, ist seit geraumer Zeit die Feststellung, dass die Zahl der Plätze die Anzahl der Kinder übersteigt, eine unverrückbare Konstante.

Ganz anders bei der Betreuung der unter Dreijährigen. Zwar schaffen es Kreisjugendamt, Kommunen und die Träger der Kindergärten jedes Jahr aufs Neue, dem Rechtsanspruch für die Ein- und Zweijährigen gerecht zu werden und genügend Plätze zur Verfügung zu stellen, aber das ist alles andere als einfach. Bei den Zweijährigen geht das Jugendamt davon aus, dass mehr als 90 Prozent dieser Altersgruppe früher oder später in den Kindergarten gehen.

Ein verlässliche Zahl gibt es lediglich zum Jahresende. Weil das Land für jedes zweijährige Kindergartenkind einen Betreuungsbonus von 1000 Euro zahlt, sofern in einer VG oder verbandsfreien Gemeinde mehr als zehn Prozent der Zweijährigen einen Kindergarten besuchen, muss genau gezählt werden. 490 zweijährige Kindergartenkinder wurden am 31. Dezember 2015 ermittelt. Das sind 63,2 Prozent der 788 Kinder im Alter von zwei Jahren, die es zu diesem Zeitpunkt im Kreis gab. Ende 2014 gingen 523 von 800 Zweijährigen in eine Kita. Die Betreuungsquote lag bei 65,4 Prozent.

Die höchste Betreuungsquote bei den Zweijährigen gab es im vorigen Jahr in der VG Emmelshausen mit 68,5 Prozent, die geringste mit 54,5 Prozent in der VG Rheinböllen.

Schwieriger wird es bei den Einjährigen. Das Jugendamt geht bei seiner Planung davon aus, dass 40 Prozent der Einjährigen in den Kindergarten gehen. Wie viele es tatsächlich sind, wird nicht ermittelt. Die maßgebliche Rechnungsgröße bilden allein die unter Dreijährigen (U3). 1027 Plätze stehen kreisweit für diese Altersgruppe bereit. Das reicht – statistisch gesehen.

All die Jahre waren die Kita-Träger wegen der Überkapazität der Plätze für die Drei- bis Sechsjährigen in der Lage, durch Gruppenumwandlungen – aus der Regelgruppe wurde eine kleine altersgemischte oder eine geöffnete Gruppe – und Einrichtung von Krippengruppen, den ganz Kleinen den nötigen Raum zu geben.

Aber das funktioniert jetzt nicht mehr so einfach, räumte Hans-Joachim Jung, zuständiger Dezernent der Kreisverwaltung, vorm Jugendhilfeausschuss ein. Die Nachfrage nach U3-Plätzen steigt. So wird es in manchen Kindergärten, vor allem in Boppard, in der VG Emmelshausen, in Kastellaun oder auch in Gemünden und Damscheid richtig eng. „Wir müssen die Nachbarbereiche stärker in den Blick nehmen“, schilderte Jung eine Lösungsmöglichkeit.

Dass es jetzt möglich ist, bei Engpässen in einem Kita-Einzugsgebiet den betroffenen Kindern im benachbarten Kita-Bereich in zumutbarer Entfernung einen Platz anzubieten, hat der Kreisausschuss (KA) Ende November beschlossen. Hintergrund: 300 Kita-Plätze im Kreis waren 2015 nicht belegt, hatte eine Nachfrage bei allen Kindergärten ergeben.

Dieser KA-Beschluss wurde jetzt erstmals bei der Kindertagesstättenbedarfsplanung umgesetzt. Im 80-seitigen Bedarfsplan wird Eltern nicht selten geraten, auf Nachbarbereiche auszuweichen, weil im Einzugsgebiet ihres Kindergartens kein Platz ist. So sollen Kinder aus Weiler, Damscheid – dort fehlen 10 bis 15 Plätze – oder Oberwesel nach St. Goar ausweichen, weil in der einstigen Kreisstadt noch 10 bis 15 Plätze frei sind. Kappel könnte Kinder aus Kirchberg aufnehmen, Mengerschied wäre für Gemünden Ausweichquartier, Rheinböllen für Ellern.

Auch Dörth hat noch einige Plätze. Dort könnten einige Nachbarskinder aus Emmelshausen Platz finden. Dramatisch ist die Situation in Kastellaun. Dort fehlen 20 Plätze. Als Ausweichkindergärten für die Burgstädter böten sich Buch und Dommershausen an.

Dass im Bedarfsplan so häufig die Unterbringung in Nachbarbereichen für ratsam erachtet wird, um eine Kita-Betreuung zu ermöglichen, ging Ausschussmitglied Beate Dahmen gegen den Strich. „Das ist schon fast die Regel. Es sollte aber die Ausnahme sein“, monierte sie. Auch Gudrun Tenhaeff fand kritische Worte dazu.

Nicht überall ist das Einbeziehen der Nachbarbereiche als Lösung des Kapazitätsproblems möglich. Mancherorts hilft nur noch ein Neubau: So soll in Buchholz eine eingruppige Einrichtung gebaut werden, ebenso in Damscheid und Biebern. In Karbach entsteht derzeit eine neue Gruppe, an den Ellerner Kindergarten wird eine Krippengruppe angebaut.

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