Landschaftlich reizvoll am Übergang vom Hunsrück zur Mosel, hinter der Grenze des Rhein-Hunsrück-Kreises, liegt Nörtershausen im „hintersten Zipfel des Landkreises Mayen-Koblenz“, wie es ein Sprecher der Elterninitiative Schulplatzlösungen IGS Emmelshausen beschreibt (die Eltern wollen aus Sorge vor möglichen Konsequenzen für ihre Kinder nicht mit ihren Namen in der Zeitung stehen). Ein Teil des Nörtershausener Ortsteils Pfaffenheck liegt sogar noch im Rhein-Hunsrück-Kreis. Genau diese Lage macht es den Eltern jedoch so schwer, einen Schulplatz für ihre Kinder zu finden. Letztlich gibt es nur eine Schule im zuständigen Kreis Mayen-Koblenz, die die Kinder mit einem Schulbus erreichen können, eine große Wahlmöglichkeit gibt es also nicht.
Die Elterninitiative hat sich im April gegründet, nachdem zehn Kindern mit Wohnsitz im Kreis Mayen-Koblenz (MYK) zunächst ein Platz für das kommende Schuljahr in der fünften Klasse der IGS Emmelshausen zugesagt und dann von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) wieder abgesagt worden ist.

IGS Emmelshausen wehrt sich gegen Aussagen der ADD
Die Schulleitung der IGS Emmelshausen bricht ihr Schweigen und äußert sich zu den Vorwürfen, sie habe Fehler beim Aufnahmeverfahren für das kommende Schuljahr gemacht. Das hatte zuvor die ADD unserer Zeitung mitgeteilt.
Seitdem ging es in der Angelegenheit viel um die Kreisgrenze und die Schulordnung, aber wenig um die Kinder, finden die Eltern der Initiative im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Grundschüler leiden sehr unter der Situation, berichten ihre Eltern, äußern Fragen wie „Was haben wir bloß falsch gemacht?“. Sie fühlten sich in ihren Rechten verletzt und zuletzt gar als ein „Spielball der ADD“. Dabei hatten sie es in ihrem Schulleben bislang eigentlich schon schwer genug, finden die Eltern. Ihre Kinder wurden während der Coronapandemie eingeschult und hätten während der Grundschulzeit infolge etlicher Lehrerwechsel nur ihre Mitschüler als wirkliche Konstante in der Schule erfahren.
Die Debatte in der Angelegenheit wurde von Beginn an mit viel Emotion geführt. Zunächst sahen sich die Eltern mit Kindern aus Emmelshausen und der näheren Umgebung benachteiligt, als sie wegen der großen Nachfrage im Aufnahmeverfahren keinen Platz an der IGS bekommen hatten. Dass stattdessen zumindest kurzzeitig zehn Kinder mit Wohnsitz im Nachbarkreis eine Zusage bekamen, dafür gab es wenig Verständnis. Nun bekommen die Eltern der Initiative häufig zu hören, sollten ihre Kinder nun doch einen Platz bekommen, ginge das wiederum zulasten der Kinder aus der direkten Umgebung. „Es geht uns nicht darum, anderen einen Platz wegzunehmen. Wir wollen eine Lösung, die den Emmelshausener und Nörtershausener Kindern zugutekommt. Denn wir sehen, dass das Problem mit der hohen Nachfrage und zu wenigen Plätzen auch in den nächsten Jahren bestehen wird“, so eine Sprecherin der Initiative.
Eltern haben sich frühzeitig erkundigt und explizit nachgefragt
In einem Schreiben haben sich die Eltern deshalb an einen breiten Verteiler mit Vertretern aus der Kommunalpolitik bis zur Landesregierung gewandt. Darin berufen sie sich auf die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns, den Vertrauensschutz und bemängeln, dass keine Ermessensabwägung und -entscheidung vorgenommen wurde. Weiter machen sie etliche Vorschläge, wie aus ihrer Sichtweise „Schulplatzlösungen“ gefunden werden könnten.
Um für ihre Kinder eine Lösung zu finden, bei der ein Platz in der IGS Emmelshausen am Ende steht, dafür drängt nun zunehmend die Zeit - in sechs Wochen beginnen die Sommerferien. Dabei haben die Eltern das Problem angesichts des geburtenstarken Jahrgangs und spätestens nach der Schließung der Bischöflichen Realschule Marienberg Boppard schon früh kommen sehen und sich entsprechend früh im Prozess erkundigt, wie ihre Chancen um einen Platz an der IGS Emmelshausen stehen. Bereits bei den Informationsveranstaltungen und erneut bei der Anmeldung Anfang Februar habe man an der IGS explizit nachgefragt, ob die Anmeldungen gleichberechtigt behandelt werden. Daraufhin habe sich die IGS in der Frage schriftlich mit der ADD ausgetauscht – mit der Konsequenz, dass „auch Kinder aus den Randorten des „Gebietes des Trägers“ (vgl. § 13 (6) ÜSchO) berücksichtigt wurden“. Das teilte die Schulleitung in einem Schreiben auf der Internetseite mit, das unserer Zeitung vorliegt, das in der Zwischenzeit jedoch geändert wurde und diesen Absatz nicht mehr enthält.

Antrag auf weitere fünfte Klasse an IGS Emmelshausen
Die Nachfrage nach Plätzen für Fünftklässler übersteigt die Kapazität, und dann kassiert die Schulaufsicht auch noch Schulplatz-Zusagen wieder ein: Die Situation an der IGS Emmelshausen ist kompliziert.
Der weitere Ablauf, wie ihn die Elterninitiative schildert: Mitte Februar habe man die Zusagen erhalten, sehr zur Freude der Nörtershausener Kinder sollten sie demnach alle in eine Klasse gehen. Mit dem Schreiben wurden die Eltern aufgefordert, Busfahrkarten für ihre Kinder zu beantragen und die Kinder eine Einladung zu einem Kennenlernnachmittag in der Schule im März. Am ersten Samstag der Osterferien, 12. April, erhielten die Familien die Schreiben der ADD, in denen die Schulplatzzusagen wieder aufgehoben wurden. „Da waren die Osterferien gelaufen, die Kinder sehr unglücklich“, beschreiben es die Eltern.
In dem Schreiben der ADD habe die Behörde Alternativschulen in Mayen, Münstermaifeld und Mülheim-Kärlich genannt worden, mit denen die Eltern Kontakt aufnehmen sollten. Allesamt Orte, die für die Kinder aus Nörtershausen nicht mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar sind. Auf eine Anfrage unserer Zeitung hatte die ADD zuletzt informiert, man habe die Eltern nach der Absage bei der Suche nach einem Schulplatz unterstützt. Das empfinden die Eltern der Initiative nicht so. „Wir hatten das Gefühl, wir mussten der ADD erst mal erklären, wo Nörtershausen liegt und welche Schulen erreichbar sind.“ Im Kreis MYK sei das lediglich die Realschule plus in Kobern-Gondorf, allerdings mit einer Fahrtzeit von rund 50 Minuten pro Strecke, eine IGS lasse sich nicht mit dem Bus erreichen.
Von Kröpplingen aus sind nur Schulen im Rhein-Hunsrück-Kreis mit dem Bus erreichbar
Für eines der betroffenen Kinder mit Wohnsitz in Kröpplingen, einem Höhen-Ortsteil von Brodenbach im Kreis MYK, ist die Verkehrssituation sogar noch verzwickter. Nach Brodenbach führe eine Straße, diese könne jedoch von Bussen nicht befahren werden. Man könne mit dem ÖPNV ausschließlich Schulen im Rhein-Hunsrück-Kreis erreichen, berichtet die Mutter. Deshalb besuchen die Kinder aus dem Ort bereits seit Jahren die Kita und - wie die Kinder aus Nörtershausen und Pfaffenheck auch - die Grundschule in Boppard-Buchholz.
Von Schulen in der Trägerschaft der Stadt Koblenz habe man schon früh vor der Anmeldung signalisiert bekommen, dass Schüler mit Wohnsitz außerhalb der Stadt voraussichtlich keine Plätze frei sein werden. In der Angelegenheit gab es zuletzt unterschiedliche Aussagen darüber, ob die städtischen Schulen Kinder aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis abgelehnt habe und der Zulauf der IGS auch darin zu begründen sei. Die Pressestelle der Stadt Koblenz kann dazu auf Anfrage unserer Zeitung bislang keine „belastbaren Zahlen“ nennen, die Daten lägen nicht vor. Die 5. Klassen im kommenden Schuljahr seien jedoch fast vollständig mit Kindern aus Koblenz besetzt. „Dies lässt darauf schließen, dass auswärtige Anmeldungen - etwa aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis - in größerer Zahl nicht berücksichtigt werden konnten“, teilt Pressesprecher Thomas Knaak mit.

ADD sagt Kindern Plätze für IGS Emmelshausen wieder ab
Nach dem Ärger um die Schulplatzvergabe an der IGS Emmelshausen hatte die Kreisverwaltung die ADD um Prüfung gebeten. Die Behörde stellte Fehler im Verfahren fest und erteilte nun zehn Kindern unter anderem aus Pfaffenheck wieder eine Absage:
Die beiden Koblenzer Schulen in Trägerschaft des Bistums Trier haben in diesem Jahr durchaus Schüler aus anderen Landkreisen etwa dem Rhein-Hunsrück-Kreis aufgenommen, teilt die bischöfliche Pressestelle auf unsere Anfrage mit. Für die Nörtershausener Kinder sind diese jedoch keine Option mehr, da die Anmeldefristen bereits vor dem Anmeldeverfahren an der IGS verstrichen sind. Das Recht auf eine freie Schulwahl sehen die Eltern praktisch nicht gegeben.
In der Zwischenzeit haben die meisten der betroffenen Eltern Widerspruch gegen den Bescheid der ADD eingelegt und mittlerweile auch dazu einen ablehnenden Bescheid von der Behörde erhalten. Manche erwägen nun eine Klage. Weil der Ausgang jedoch ungewiss ist, haben bis auf zwei Familien ihre Kinder an unterschiedlichen anderen Schulen in der Region angemeldet. Jedoch nicht ohne sich vorher zu versichern, dass dies nicht schädlich ist – für den Fall, dass es doch noch einen Platz in der IGS Emmelshausen geben sollte.
Denn die IGS ist für viele nicht nur aus verkehrstechnischen, sondern auch aus pädagogischen Gründen die erste Wahl, berichten sie im Gespräch. „Die IGS ist die modernste Schulform, man kann dort alle Abschlüsse ablegen“, beschreibt es ein Elternteil. Zudem sei das Ganztagsschulkonzept flexibler als an anderen Schulen und zum Teil besuchen auch schon Geschwisterkinder die Schule. „Es hängt einfach so vieles für die Kinder daran“, sind die Eltern einig.
Eine Antwort der ADD auf die Anfrage unserer Zeitung zur Kritik der Elterninitiative liegt noch nicht vor. Die Behörde stellt eine Auskunft für die kommende Woche in Aussicht.