Die achtjährige Charlotte sitzt auf dem Boden. Vor ihr liegen ein Farbkasten, ein Skizzenblock und ein Behälter mit Wasser. In der Hand hält sie einen Pinsel. Mit konzentriertem Blick tunkt sie den fluffigen, leicht angefeuchteten Pinsel in die rote Farbe ihres Malkastens. Sie dreht ihn, bis die ursprünglich braunen Pinselhaare an der Spitze komplett rot gefärbt sind. Dann setzt sie ihn auf der – bis auf die grobe Zeichnung einer Tulpe – noch weißen Seite ihres Skizzenbuches an und malt die Blüten der Blume damit aus. Dabei schaut sie immer wieder hoch und betrachtet ihre Vorlage: eine rote Tulpe auf einem Rasenstück mitten in Simmern.
Zusammen mit einigen anderen Kindern nimmt Charlotte an dem Osterferien-Workshop „Urban Sketching“ des Hunsrück-Museums teil. Angeleitet von Künstlerin Doaa Elsayed, gehen die Kinder durch die Stadt und suchen spannende Motive zum Abzeichnen. Dabei werden sie an den unterschiedlichsten Orten fündig.

Den Workshop in Kooperation mit der Hunsrücker Künstlerin Doaa Elsayed bietet das Museum in diesem Jahr zum ersten Mal an. Damit will Museumsleiterin Kristina Müller-Bongard die Kinder an das Thema Kunst heranführen. Das Museum soll ein „lebendiger Raum“ sein. „Die Kinder sollen merken, dass hier Kunst geschaffen wird. Gleichzeitig sollen sie aber auch ein Teil des Prozesses sein“, betont Müller-Bongard.
Nachdem die Kinder am ersten Workshoptag ihr Skizzenbuch gestaltet und die Farben aus dem Farbkasten kennengelernt haben, geht es den Rest der Woche nach draußen. Sie sollen die Stadt erkunden und Motive finden, die sie malen wollen. Als sie sich an diesem Morgen vor dem Museum versammeln, macht Elsayed zunächst die Aufgabe klar. „Jeder sucht sich ein Motiv, was ihn oder sie am meisten anspricht. Das malt ihr dann. Und denkt immer daran: Ihr dürft Fehler machen“, betont die Künstlerin.

Die Gruppe zieht los. Es dauert nicht lange, und der passende Ort ist gefunden. Eine ruhige Nebenstraße direkt am Simmerbach. Bevor die Kinder jedoch anfangen zu zeichnen, erklärt die Künstlerin ihnen, worauf sie achten sollen. Gespannt sitzen die Teilnehmer im Kreis um sie herum und lauschen ihren Worten. „Eure Augen sind euer Scanner. Ihr schaut euch das Motiv genau an und malt dann ab, was ihr seht. Am besten schaut ihr nur dreimal aufs Blatt“, sagt sie. Sie selbst sucht sich eine Holzbrücke als Motiv aus und malt sie vor. Plötzlich wird es ganz still, und die Kinder schauen neugierig zu, wie Elsayed vorgeht. Sie verfolgen jeden Bleistiftstrich. Auch bei ihren Erklärungen zum Mischen der Farben hören sie interessiert zu.

Obwohl die Künstlerin im Hunsrück-Museum zum ersten Mal einen Workshop gibt, hat sie in diesem Bereich bereits viel Erfahrung. Sie unterrichtet in Schulen und Universitäten und bietet in ihrem Atelier in Wahlbach verschiedene Malkurse für Kinder und Erwachsene an. „Die Arbeit mit Kindern ist schon etwas Besonderes. Sie sind viel freier in dem, was sie tun“, betont Elsayed.
Mit den Tipps der Workshop-Leiterin suchen sich schließlich auch die Kinder ihr Motiv aus und fangen an zu malen. Die achtjährige Charlotte wählt eine rote Tulpe aus. Doch auch eine Brücke, ein Auto und andere Pflanzen bringen die jungen Künstler zu Papier. „Es macht total Spaß“, sagt Charlotte. Sie male auch zu Hause nach der Schule jeden Tag drei Bilder, deswegen bereite ihr auch der Workshop so viel Freude. Auch die anderen Kinder teilen ihre Meinung. „Kannst du den Workshop nächstes Jahr bitte auch anbieten, Doaa? Dann kommen wir auf jeden Fall wieder“, sagt einer der teilnehmenden Jungs zu der Künstlerin.

Auch an anderen Ecken in Simmern finden die kleinen Künstler ihre Motive. Dazu gehören unter anderem die Stephanskirche und der Schinderhannesturm. Am letzten Tag des Workshops war ihr Skizzenbuch gut gefüllt und sie schauten sich ihre Werke zum Abschluss im Museum gemeinsam an.