Vegetation Trotz Hitze sind die Perspektiven für das Weinjahr 2018 sehr vielversprechend
Kerngesunde Trauben am Mittelrhein: Herausragende Aussichten für den Wein
Noch ist der Weinjahrgang 2018 nicht zu Hause, wie der Bacharacher Winzer Jochen Ratzenberger sagt, aber die Perspektiven sind bestens, dass in den kommenden Wochen schöne Weine gelesen werden können. Die Trauben nicht nur im Oberdiebacher Fürstenberg sind sehr gesund. Foto: Volker Boch
Volker Boch

Mittelrhein. Die Menschen stöhnen unter den heißen Bedingungen der späten Julitage. In der Landwirtschaft bleibt dafür allerdings keine Zeit, denn es gibt jede Menge zu tun. Im Weinbau ist dies nicht anders, denn auch hier sorgt die Witterung für ein rekordverdächtiges Tempo. Alles läuft darauf zu, dass ein extrem früher Lesebeginn ansteht – und ein tolles Ergebnis. Die Hitze ist für die Winzer dabei weniger ein Problem als die Ungewissheit, ob die derzeit positiven Aussichten auch ein glückliches Finale finden.

Es gibt schlechtere Plätze, den Sommer zu spüren als diesen zu Füßen der Fürstenberg. Die Burgruine im Rücken, sitzt es sich im Weinberg von Jochen Ratzenberg hoch über den Häusern von Oberdiebach äußerst italienisch. Die Sonne strahlt satt von oben, unten flimmert die Wasseroberfläche des Rheins im Tal, Ausflugsschiffe fahren den Strom entlang. Hier im Fürstenberg bietet die Natur ein famoses Schauspiel. Der Blick des Bacharacher Winzers geht in diesem Weinberg immer wieder ins Rund des Panoramablicks, wenngleich er in den zurückliegenden Wochen angesichts einer explosionsartigen Vegetation extrem viel zu tun hatte. Zuletzt war vor allem die Qualitätsarbeit gefragt, das Reduzieren von Blattwerk und Trauben, das dem Jahrgang seine Klasse geben soll.

Die frühe Blüte, die anhaltend hohen Temperaturen und das insgesamt überaus stabile Wetter haben den diesjährigen Kalender im regionalen Weinbau extrem verdichtet. „So ein Jahr ist nicht einfach“, sagt Ratzenberger, der nicht nur als Vorsitzender des VDP Mittelrhein erlebt, wie alle Kollegen gefordert sind. „Der Wuchs war speziell im Juni so stark, dass viele Winzer kaum hinterherkamen. Es war extrem viel Arbeit.“

Es galt nicht nur, mit dem hohen Tempo der Natur Schritt zu halten, sondern auch das Ergebnis im Blick zu halten – die Arbeit auf ein bestmögliches Resultat auszurichten. Ratzenberger erinnert in diesem Zusammenhang an das Jahr 2011, als gerade der Herbst für extreme Bedingungen sorgte und hohe Temperaturen die Mostgewichte in die Höhe steigen ließen. In der Bacharacher Paradelage Wolfshöhle erntete Ratzenberger im Durchschnitt 115 Grad Oechsle, sozusagen Beerenauslesen vom Stock. Entsprechend wichtig ist es, auf eine Balance zu achten, auf eine gute Mischung von Mostgewicht und physiologischer Reife der Beeren. Das Jahr 2018 unterscheidet sich in dieser Hinsicht auch kolossal vom Jahr 2003, als die Reben angesichts wochenlanger Temperaturspitzen zwischenzeitlich energiesparend das Traubenwachstum „einstellten“.

Mit Blick auf die Trauben nicht nur in der Lage Fürstenberg lässt sich sagen: Alle Mühe dieses Jahres hat sich gelohnt. „Die Trauben sind gesund, das Wachstum geht gut voran, es sieht wunderbar aus“, sagt Ratzenberger, „auch in der Menge gibt es so viel wie fast noch nie.“ Außerdem ist die viel beschworene Trockenheit dieser Wochen in den Weinbergen derzeit kein größeres Problem. Natürlich, die Junganlagen in der Region, können Wasser gebrauchen, aber die etablierten Rebzeilen stehen in geradezu eindrucksvoller Pracht mitten in der Sonne. Am Morgen ist es immer wieder feucht, zudem gab es am vergangenen Wochenende Regengüsse, die sich positiv ausgewirkt haben. „Jeder Regentropfen war Gold wert“, sagt Ratzenberger, „und im Bopparder Hamm gab es teils auch mehr Regen als in Bacharach.“ Diese Feuchte wird gebraucht, denn jetzt muss vor allem die physiologische Reife der Trauben voranschreiten. „So ein Jahr hatten wir noch nicht“, sagt Ratzenberger, „uns fehlen daher auch etwas die Erfahrungswerte.“

Jochen Ratzenberger rechnet derzeit damit, dass in seinem Betrieb um den 15. September mit der Rieslinglese begonnen wird. Er geht davon aus, dass die Mostgewichte und die Reife der Trauben bis dahin in einem optimalen Verhältnis stehen. Erfahrungsgemäß sind die Kollegen im Bopparder Hamm etwa acht bis zehn Tage früher dran, dort könnte es schon Anfang September losgehen.

Wenn alles so positiv weiter verläuft wie bisher und die Trauben gesund bleiben, könnte am Mittelrhein ein Ausnahmejahrgang gelesen werden, mit herausragender Menge und Spitzenqualitäten. Aber die Winzer wollen nicht euphorisch werden, dafür haben sie in den vergangenen Jahren zu viele Witterungswechsel erlebt. Ratzenberger sagt: „Es sieht sehr vielversprechend aus, aber die Lese ist noch nicht zu Hause.“

Von unserem Chefreporter Volker Boch

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