Der Freundeskreis Ströher unternahm in den vergangenen Jahren viele Reisen zu Wirkungsstätten des bedeutenden Hunsrücker Malers, im In- wie im Ausland. Eine Reise streifte dabei den Ort Carlsfeld im heutigen Sachsen-Anhalt, wo Ströher unter anderem das Bild „Feldarbeit bei Carlsfeld“ gemalt hat. Um dieses Werk nach Simmern und in die dortige Kunstsammlung Ströher zu bringen, unternahmen für die Ströher-Stiftung Dieter Merten und Mario Kasper eine Reise nach Berlin. Im vornehmen Stadtteil Grunewald unterzeichneten sie einen Kaufvertrag für zwei Arbeiten in Öl, welche die Simmerner Sammlung auf einzigartige Weise bereichern werden.
Beim Bild „Feldarbeit bei Carlsfeld“ handelt es sich um eine exzellente Landschaftsarbeit, die 1915 entstand und durch die typische, farbintensive Pointierung Ströhers beeindruckt. Der sanfte Lichteinfall lässt die Arbeit von drei Frauen auf dem Felde erfreulich erscheinen, leichter Wind durchstreift die Bäume nahe eines Gutshauses.
Doch so sanft die Wirkung des impressionistischen Bildes ist, so rau ist die Geschichte dahinter. „Wir sind unheimlich dankbar und glücklich, dass diese Arbeit nun in die Sammlung Ströher gelangen kann“, sagen Kasper und Merten nach ihrer Berlin-Reise. Denn dort einigten sich die beiden mit der rechtmäßigen Besitzerin, Ina Meinel, über den Ankauf dieses Bildes und des weiteren Ölgemäldes „Ochsenbrucher Moor“, das zweiseitig bemalt ist und ebenfalls ein Unikat darstellt. Schon einmal hatte die Stiftung über diese Bilder verhandelt, allerdings mit einem unrechtmäßigen Besitzer.
Wie der Kameraschwenk in einem Fernsehkrimi
Der Blick zurück wirkt in diesem Fall wie der Kameraschwenk in einem Fernsehkrimi: Voller Vertrauen in den Verkäufer und mit großer Freude präsentierte die Stiftung Ende Mai den Ankauf der beiden Bilder aus einem Berliner Nachlass. Persönlich wurden die Gemälde vom Verkäufer nach Simmern gebracht, durch intensive Recherchen und eine Echtheitsprüfung von Museumsleiter Fritz Schellack umfangreich vorbereitete Verträge dokumentierten einen rechtmäßigen Besitzübergang an die Sammlung Ströher. „Leider entpuppte sich der Verkäufer mitsamt seiner Herkunftsgeschichte der Bilder als arglistiger Täuscher“, schildert Merten heute. Wenige Wochen nach dem Verkauf der Bilder meldete sich die Berliner Staatsanwaltschaft bei ihm und skizzierte Merten einen überaus dreisten Betrugsfall.
Der Mann, der in Simmern bei der offiziellen Übergabe der Ströher-Gemälde als freundlicher, geradezu freundschaftlicher und insgesamt überaus vertrauenswürdiger Nachfahre eines Kunstsammlers aufgetreten war, dessen Bilder – darunter die beiden von Ströher – in einem Keller in Vergessenheit geraten waren, stellte sich als Krimineller heraus. Noch ist das Untersuchungsverfahren der Staatsanwaltschaft in vollem Gange und eine Bestrafung des Täters steht aus, doch für Merten und den Stiftungsvorstand entwickelte sich über den Verlauf des Sommers eine unglaubliche Kriminalgeschichte. In der Tat waren die Bilder Ströhers einige Jahre im Keller eines Hauses in Berlin aufbewahrt worden. Wahrhaftig war der Kunstsammler verstorben und die Bilder in Vergessenheit geraten. Doch an einem Punkt unterscheiden sich die Geschichten auf frappierende Weise: Die Staatsanwaltschaft hat ermittelt, dass der nette Mann, der sich in Simmern als Verwandter des Kunstfreundes bestmöglich verkaufte, die Bilder selbst aus dem betreffenden Keller gestohlen hatte. Mehrfach war der Täter dort offenbar eingestiegen – unter anderem, um das zweite, doppelseitig bemalte Ströher-Bild, „nachliefern“ zu können. Das Bild stellte sich als das Werk „Ochsenbrucher Moor heraus“, gemalt im Gebiet des heutigen Nationalparks – die Rückseite zeigt einen Birkenweg in der Region.
Bei Einbruch gefilmt
Da zwischenzeitlich Verdachtsmomente aufgekommen waren, dass Einbrüche in den besagten Keller unternommen worden waren, installierten die Ermittler eine Überwachungsanlage. Der in Simmern als freundlicher Herr auftretenden Berliner wurde auf diese Weise wohl beim Diebstahl des zweiten Ströhers gefilmt.
Da das Ermittlungsverfahren nicht abgeschlossen ist, hält die Staatsanwaltschaft die beiden Bilder derzeit als Beweismittel unter Verschluss. „Wir hoffen inständig, dass wir sie bald erhalten können“, sagt Dieter Merten, „aber in erster Linie sind wir unglaublich dankbar dafür, dass wir überhaupt eine zweite Möglichkeit erhalten haben, die Bilder für unsere Sammlung zu erwerben.“ Merten hatte nach dem ersten Schock des kaum vorstellbaren dreisten Betrugs rasch Kontakt mit der rechtmäßigen Besitzerin Ina Meinel aufgenommen.
Letztlich kam es zu dem Besuch in Berlin-Grunewald, bei dem Mario Kasper und Dieter Merten nicht nur ein überaus freundliches Gespräch mit Meinel über die Sammlung Ströher und über die Kunstleidenschaft ihres verstorbenen Vaters führten, sondern auch einen Kaufvertrag fixierten. „Wir wissen nicht, ob wir das Geld, das wir an den Betrüger bezahlt haben, wieder bekommen“, sagt Merten, „wir hoffen, dass dies der Fall ist, aber genauso kann es verloren sein.“
Auch wenn die Stiftung Ströher für den Ankauf der Bilder letztlich ein zweites Mal bezahlen müsste, wäre dies aus Sicht der Kunstsammlung lediglich ein finanzieller Verlust. „Viel dramatischer wäre aus unserer Sicht, wenn wir die Bilder nicht mehr hätten bekommen können“, sagen Merten und Schellack. Sie hoffen, dass die Gemälde schnellstmöglich von der Staatsanwaltschaft freigegeben werden.