Bopparder Jäger wollen auf Problematik aufmerksam machen - Leinenpflicht auf Traumschleifen sind keine Option
Junge Wildtiere leiden unter Wanderboom: Bopparder Jäger wollen auf Problematik aufmerksam machen

Gerade jetzt, zur Brut- und Setzzeit, werden freilaufende Hunde zum Problem für Jungtiere. Kitze wie dieses haben keine Chance, wenn sie aufgespürt werden. Foto: Werner Dupuis

Werner Dupuis

Boppard/Rhein-Hunsrück. Eine hochtragende Ricke, die von einem freilaufenden Hund in einen Wassersammler getrieben wird und mit der Hilfe der Feuerwehr gerettet werden muss, zwei Kitze, die ebenfalls von einem Hund einen Steilhang herunter getrieben werden, wobei eins der beiden stirbt, eine führende Ricke, die sich nach der Hatz durch einen Hund in einem Drahtzaun erhängt und deren Kitze nicht gefunden werden können oder ein Kitz, das nach dem Sturz in einen Wassersammler in den Rhein flüchtet und dort ertrinkt – all diese und weitere Vorkommnisse gehörten in den vergangenen Wochen zum Alltag dreier Jäger.

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Im Zuge der Corona-Pandemie treibt es immer mehr Menschen insbesondere auf die Traumschleifen, darunter zahlreiche Hundehalter. Das stellen Uwe und Michael Retzmann sowie Leonard Geyr fest, die die Reviere Niederhirzenach/Rheinbay und Oberhirzenach/Holzfeld gepachtet haben. Und dabei kommt es in diesem Jahr vermehrt zu Hundeattacken und empfindlichen Störungen der Wildtiere.

„Besonders an den Wochenenden ist hier die Hölle los“, sagt Uwe Retzmann. Da stehe der Parkplatz insbesondere der Traumschleife „Rheingold“ voll, weitere Autos wichen in Feld- und Wiesenwege aus. Einheimischen hingegen sei der Trubel häufig zu groß, und diese gingen dann lieber in den Wildruhezonen spazieren, kritisiert er. Einige dieser Bereiche seien die vergangenen 25 Jahre völlig unberührt gewesen, so Michael Retzmann. Sein Bruder ergänzt: „Aber da kann man ja keinem einen Vorwurf machen, die Natur gehört allen.“ Es genüge eben ein schwarzes Schaf, um die Arbeit vieler Jahrzehnte zunicht zu machen. Denn die drei investierten viel Zeit, auch Geld und sie sind mit Herzblut dabei, den Wildtieren viel Lebensraum zu bieten, versichern sie.

„Zehn Prozent der Zeit verbringen wir mit dem Jagen, 90 Prozent sind wir mit Arbeit und Hege beschäftigt“, sagt Retzmann. In den Revieren stecke viel Herzblut, und das über Generationen hinweg. Schon Geyrs Großvater hatte dort eine Jagd gepachtet, Retzmanns Vater war bei diesem Jagdaufseher. „Wir kennen hier jeden Winkel“, sagt er. Gemeinsam haben sie Wildäcker angelegt, Bienensäume gesät und Nist- und Eulenkästen gebaut, um die Wildtiere zu unterstützen. Zudem haben sie einige Flächen gekauft und arbeiten eng mit einem Biobauern zusammen, der diese nicht düngt und nach Absprache und mit Rücksicht auf Setzzeit und Bodenbrüter mäht. Gerade das Niederwild, die Hasen und Bodenbrüter, hätten ebenfalls unter Hunden und Unruhe zu leiden, würden allerdings häufig vergessen.

„Ab Beginn der Setzzeit hänge ich präventiv immer Hinweisschilder auf, die die Menschen für den Nachwuchs der Tiere sensibilisieren sollen“, berichtet Michael Retzmann. Und die etwa auch daran erinnern sollen, dass Müll nicht in die Natur gehört. Denn der ist ein weiteres Problem, das die hohe Frequenz auf den Wanderwegen mit sich bringt. „Auf der Rheingold stehen sicher 30 bis 40 Bänke“, schätzt Uwe Retzmann. Die würden von jungen Leuten gern auch mal als Partyplatz genutzt, Flaschen und anderer Müll landeten im Anschluss in Hecken, Sträuchern und Wiesen. Und könnten so auch zur Gefahr für Wildtiere werden. Zudem nutzten manche Wanderer Hecken und Büsche als Toilette. Und die städtischen Mitarbeiter müssten dann nicht nur mähen, sondern auch noch die Hinterlassenschaften wegmachen. Daher sehen die drei auch die Stadt Boppard in der Verantwortung, etwas gegen die schwarzen Schafe unter den Naturliebhabern zu tun. „Hier stehen etliche Schilder mit Wegbeschreibungen oder Richtungspfeilen, warum kann hier nicht auch auf diese Problematik aufmerksam gemacht werden? Warum kann hier nicht zum Beispiel eine Leinenpflicht ausgesprochen werden?“, fragen sie.

Für Bürgermeister Walter Bersch aber ist das keine Option. Gerade eine Leinenpflicht sei nicht umsetzbar auf den vielen Traumschleifen der Stadt, ist er sicher. „Wir haben doch gar keine Überwachungsmöglichkeit“, sagt Walter Bersch. Und Gesetze, die man nicht durchsetzen könne, sollte man auch nicht erlassen. „Mit stumpfen Waffen soll man nicht in den Kampf gehen“, findet der Bürgermeister.

Waffen kommen bei den Jägern in Bezug auf die Hundeproblematik heute nicht mehr zum Einsatz, versichern die drei. Früher sei es nicht ungewöhnlich gewesen, einen wildernden Hund zu erschießen – und das ist nach Landesjagdgesetz auch erlaubt. Hat ein wildernder Vierbeiner einmal Erfolg, hetzt er Wild immer wieder, wissen sie aus Erfahrung. „Aber der Hund kann ja im Grunde nichts dafür“, stellt Uwe Retzmann fest. Das Problem seien allein die Hundehalter.

Diese wissen häufig gar nicht, dass gerade jetzt viele Kitze und andere Jungtiere im Gras liegen, stellen die Jäger immer wieder fest. Das weiß auch Kreisjagdmeister Thomas Köhrer zu berichten. Zwar gebe es jedes Jahr Probleme mit unangeleinten Hunden während der Brut- und Setzzeit, in diesem Jahr aber seien mehr Hunde als sonst unterwegs. „Auch das hat mit Corona zu tun“, ist er sicher, die Pandemie habe für einen regelrechten Hundeboom gesorgt. Er appelliert an alle Hundehalter, die Vierbeiner nicht in Wiesen laufen zu lassen und sie entweder an der Leine oder im direkten Einflussbereich, am besten bei Fuß, zu führen. So könnten die meisten Vorfälle in Bezug auf Jungtiere verhindert werden.

Die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord bittet in einer Pressemitteilung „um Rücksichtnahme und achtsames Verhalten der Besucher“ von Naturschutzgebieten. „Unser gemeinsames Ziel sollte sein, den hohen Freizeitwert, den der Naturraum bietet, mit einem nachhaltig gelebten Tourismus in Einklang zu bringen“, so Präsident Uwe Hüser. Es sei wichtig, dass die Regeln und Vorschriften in den Naturschutzgebieten eingehalten werden. Freilaufende Hunde, laute Musik, Grillen, Baden oder Fortbewegung auf nicht ausgewiesenen Wegen könnten dazu führen, dass Tiere verschreckt werden und ihre Brutstätten verlassen. Verstöße stellten eine Ordnungswidrigkeit dar. Weitere Infos unter www.sgdnord.rlp.de

Von unserer Redakteurin Charlotte Krämer-Schick

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