Gespräch zur Bundestagswahl
Jugend befragt Kandidaten in Boppard etwa zur Rente
Bitte noch einmal lächeln und winken für die sozialen Netzwerke: Jona Konrad vom Jugendrat Boppard macht nach dem kinder- und jugendpolitischen Gespräch in Boppard ein Foto von Hermann Schmitt (Jbs, von links), Duha Jalbi und Anna Weinand (Jugendrat Boppard) und den Kandidaten zur Bundestagswahl.
Philipp Lauer

Im kurzen Wahlkampf ist es im Rhein-Hunsrück-Kreis nicht oft gelungen, Podiumsdiskussionen zu organisieren, bei denen der Großteil der Direktkandidaten vertreten waren – wie beim kinder- und jugendpolitischen Gespräch von Jbs und Jugendrat Boppard.

Zum kinder- und jugendpolitischen Gespräch hatten die Jugendbegegnungsstätte St. Michael (JBS) und der Jugendrat Boppard die Direktkandidaten zur Bundestagswahl eingeladen. Detlef Barsuhn (Volt), Marlon Bröhr (CDU), Gregor Doege (ÖDP), Alexandra Erikson (Die Linke), Carina Konrad (FDP), Julian Joswig (Bündnis 90/ Die Grünen) und Umut Kurt (SPD) folgten der Einladung und antworteten die Fragen der Moderatoren Hermann Schmitt (Jbs) und Anna Weinand (Jugendrat) und des Publikums. Unter anderem ging es um Rente, um gerechte Besteuerung, Ideen für die Gesellschaft der Zukunft und die Haltung der Kandidaten zu den aktuellen Demonstrationen gegen rechts.

Jona Konrad vom Jugendrat befragte die Kandidaten, welches Konzept sie für die Rentenpolitik verfolgen. „Die SPD will die Rente stabilisieren, indem wir etwa das Potenzial des Arbeitsmarkts voll ausschöpfen“, sagte Kurt. Schulabgänger ohne Abschluss wolle man in den Arbeitsmarkt bringen. Weil es jungen Familien häufig an Kitaplätzen fehle, gehe dem Land viel Wirtschaftsleistung verloren, deshalb könnten besonders häufig Frauen nur in Teilzeit arbeiten, obwohl sie gerne mehr arbeiten würden.

„Alle Sozialversicherungssysteme bedürfen einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft, und da haben wir massiv an Boden verloren.“
Marlon Bröhr, CDU

Konrad plädierte dafür, eine Aktienrente als eine Säule zu etablieren. „Wir sollten da dringend einsteigen, um vom wirtschaftlichen Erfolg im Land an der Börse mitzuprofitieren.“ Als einen weiteren Schritt will die FDP das Eintrittsalter flexibilisieren, damit Menschen länger arbeiten können, wenn sie es wollen. Wenn man bei dem bestehenden System bleibe, müsse man entweder das Eintrittsalter erhöhen, die Beiträge anheben oder der Staat Zuschüsse leisten, gab sie zu bedenken.

Auch die Grünen könnten sich als eine Säule ein sogenanntes „Generationenkapital“ in Form eines Staatsfonds vorstellen, berichtet Joswig. Der Fonds soll gut abgesichert sein und in nachhaltige Geschäftsmodelle investieren. Es sei wichtig, dem sogenannten Gender Pension Gap, also der Benachteiligung von Frauen in Rentenfragen, entgegenzuwirken. Die Rentenversicherung wolle man zudem sichern, indem möglichst viele einzahlen können, weil es gute Betreuung für Kinder gibt.

„Um Gottes willen keine Aktienrente, mit der Rente darf man nicht zocken.“
Alexandra Erikson, Die Linke

„Um Gottes willen keine Aktienrente, mit der Rente darf man nicht zocken“, machte Erikson deutlich. Stattdessen sollten alle in die Rentenversicherung einzahlen, auch Beamte und Freiberufler. Es solle möglich sein, dass sich Eltern auch Zeit für die Erziehung der Kinder nehmen können und es trotzdem zum Leben reicht. „Mit zwei Vollzeitstellen wird man den Kindern und sich selbst nicht gerecht.“ Doege schloss sich an, Aktienrente sei ein „Unding“. „Man kann nicht das Geld verzocken, das Menschen ein Leben lang erarbeitet haben.“ Barsuhn befürwortete ebenso, dass Selbstständige in die Rentenkasse einzahlen sollen.

Bröhr sprach sich für eine kapitalgedeckte Säule der Rentenversicherung aus, die Frage sei sehr berechtigt, der Staat habe zuletzt 120 Milliarden Euro in das Rentensystem zugeschossen, das Umlagesystem funktioniere nicht mehr. Aber nicht nur die Rente wackele. „Alle Sozialversicherungssysteme bedürfen einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft, und da haben wir massiv an Boden verloren. Es wird Zeit, die rote Laterne abzugeben und zu den Volkswirtschaften der Spitzengruppe zu kommen.“

„Da können sich Superreiche nicht einen schlanken Fuß machen.“
Julian Joswig, Bündnis 90/ Die Grünen

Zu der Frage, wie die Kandidaten sich ein gerechtes Steuersystem vorstellen, wurden die unterschiedlichen Ansichten ebenfalls recht deutlich. Bröhr befand das bestehende Steuersystem für „ausgeglichen“, die kleine Gruppe der sehr gut Verdienenden bringe bereits einen großen Teil des Steueraufkommens ein. Man müsse bedenken, dass in der freien Welt sehr reiche Menschen ins Ausland umziehen, wenn sie die Steuern als zu hoch empfinden.

Joswig erklärte, um die gesellschaftlichen Ziele wie das Aufstiegsversprechen zu erreichen. „Da können sich Superreiche nicht einen schlanken Fuß machen.“ Es sei ungerecht, dass Erträge aus Arbeit stärker besteuert werden als Kapitalerträge. Die Grünen schlagen deshalb eine Erbschaftssteuer mit einem hohen Freibetrag vor. Entlastung könne etwa eine andere Mehrwertsteuer auf pflanzliche Grundnahrungsmittel und ein Ende fossiler Subventionen bringen.

„Millionärsbashing ist Leistungskritik.“
Carina Konrad, FDP

„Millionärsbashing ist Leistungskritik“, warf Konrad ein. Das missachte, dass „Leistungsträger überwiegend für die Investitionen, Arbeitsplätze und Wohlstand“ sorgen. Nur eine starke Wirtschaft könne den Wohlstand auch für die junge Generation sichern und auch die Sozialpolitik finanzieren, so Konrad.

Doege hingegen hält es für eine Mär, dass es den Menschen bei guter Lage der Wirtschaft gut gehe. „Je besser und freier die Wirtschaft agiert, desto schlechter geht es den Leuten“, befand er und sprach sich dafür aus, die Gewinne von Megakonzernen zu regulieren.

Die Protagonisten beim vom kinder- und jugendpolitischen Gespräch zur Bundestagswahl 2025 in Boppard: Hermann Schmitt (JBS, von links), Jona Konrad (Jugendrat Boppard), Detlef Barsuhn (Volt), Duha Jalbi (Jugendrat Boppard), Marlon Bröhr (CDU), Anna Weinand (Jugendrat Boppard), Julian Joswig (Bündnis 90/ Die Grünen), Carina Konrad (FDP), Gregor Doege (ÖDP), Umut Kurt (SPD) und Alexandra Erikson (Die Linke).
Philipp Lauer

Es gehe der Linken nicht um den „fleißigen Mittelstand“, sondern um die Milliardäre im Land. „Ab einer Milliarde Vermögen soll dieses mit 12 Prozent besteuert werden. Das ist ein nicht mehr vorstellbar großer Betrag, und 5 Prozent ab einer Million sind auch zu verschmerzen.“ Der „obszöne Reichtum“ führe letztlich dazu, dass sich Menschen Macht kaufen, wie etwa der „verrückte Elektroautobauer“ in den USA.

„Die Frage betrifft den Kern des gesellschaftlichen Zusammenhalts.“
Umut Kurt, SPD

„Die Frage betrifft den Kern des gesellschaftlichen Zusammenhalts“, sagte Kurt. Ungerechtigkeit schaffe Rechtspopulisten Zulauf. Wenn FDP und Union von reichen Menschen als Leistungsträger sprächen, frage er sich: „Sind denn die Reinigungskraft, der Busfahrer und der Straßenbauer keine Leistungsträger?“ Die SPD setze sich für eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel auf 5 Prozent und eine Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro und einen höheren Reichensteuersatz für die oberen 5 Prozent ein. Volt wolle die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel ganz abschaffen, berichtete Barsuhn von den Plänen seiner Partei.

Das vollständige Gespräch ist noch bis zur Bundestagswahl auf dem Youtubekanal der Stadt Boppard abzurufen.

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