Unterstützung aus dem Hunsrück
Instrumente sollen fortan in Rio Pardinho erklingen
Marco Schlegel (von links), Vorsitzender der Musikkapelle Kestert, Dirigent Joon-Heon Yoon, Ernst Ludwig Klein aus Kirchberg und Jochen Schatte vom Kreismusikverband Rhein-Hunsrück sorgten für den Abtransport der Instrumente aus dem Probenraum im Kesterter Rathaus.
Dupuis Werner. Werner Dupuis

Nach dem Besuch der „Hunsrücker Blasmusik“ waren die Brasilianer derart begeistert, dass sie ein eigenes Jugendorchester gründeten. Das hatte aber so viel Zulauf, dass die Instrumente nicht ausreichen. Ernst Ludwig Klein will Abhilfe schaffen.

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Ein ganzer Schwung Instrumente soll im Herbst die Reise vom Hunsrück nach Brasilien antreten. Einen ersten großen Grundstock für die Sammlung, die Ernst Ludwig Klein aus Kirchberg initiiert hat, bilden die Instrumente der Musikkapelle Kestert. Die hatte von Kleins Sammelaktion erfahren und aufgrund der Auflösung des Vereins beschlossen, ihr Eigentum für Brasilien zu spenden. Doch was steckt eigentlich hinter dieser Sammelaktion?

Als im vergangenen Jahr die Feierlichkeiten zum 200-jährigen Jubiläum der Hunsrücker Einwanderung nach Brasilien über die Bühne gingen, fanden sich knapp 30 Musiker zusammen, um das Projektorchester „Hunsrücker Blasmusik“ auf die Beine zu stellen. „Das Ganze wurde mit recht heißer Nadel gestrickt“, erzählt Klein. Musiker waren schnell zusammen, doch am Dirigenten sollte es zunächst noch hapern. Bis in Joong-Heon Yoon der passende Leiter gefunden war. Nach weniger als zehn Proben hatten die Musiker ein rundes Programm zusammen und reisten im Herbst gemeinsam nach Brasilien.

„Mit Karine und Ingrid Emmel, deren Vorfahren aus der Kappeler und Kastellauner Gegend kamen, hatten wir die perfekten Reiseleiter“, berichtet Klein. So konnte die Truppe aus dem Hunsrück das ferne Land auch abseits der ausgetretenen Touristenpfade erkunden. In Rio schauten die Musiker hinter die Kulissen einer Sambaschule, die gerade einen Wagen für den großen Karneval in Rio baute. „Außerdem konnten wir eine Tour durch den Tijuca-Nationalpark und das Künstlerviertel Rios machen“, sagt er. Doch natürlich sollte auch die Musik eine große Rolle beim Brasilienbesuch spielen. Und da fehlten natürlich auch die Oktoberfeste im „deutschen Stil“, die sich vor allem in Südbrasilien großer Beliebtheit erfreuen, auf dem Programm nicht fehlen.

Ernst Ludwig Klein aus Kirchberg knüpfte den Kontakt vom Rhein nach Brasilien.
Dupuis Werner. Werner Dupuis

Neben einem Auftritt auf dem Oktoberfest in Santa Cruz do Sul, das nach Angaben der Betreiber das drittgrößte überhaupt nach München und Blumenau sein soll, ging es für die Hunsrücker auch in Simmerns Partnerstadt Igrejinha und zur 25 Kilometer von Santa Cruz do Sul entfernten deutschsprachigen evangelischen Kirchengemeinde Rio Pardinho. „Das war der absolute Höhepunkt der Reise“, findet Klein. Die Menschen dort legten sich mächtig ins Zeug, um den Musikern Land und Leute näherzubringen, und ihnen tiefe Einblicke in ihr Leben zu geben – etwa in den Anbau von Zuckerrohr und Bananen. Zwei Konzerte spielte die „Hunsrücker Blasmusik“ dort. „Und offenbar haben wir mit unserer Musik einen guten Eindruck hinterlassen“, sagt er. Denn einige Monate später rief der dortige Pastor André Luiz Martin ein Jugendorchester ins Leben – samt Ausbildung am Instrument, die aktuell drei Lehrer übernehmen.

Joong-Heon Yoon war Dirigent der Musikkapelle Kestert. Schweren Herzens nahm er Abschied von "seinen" Instrumenten.
Dupuis Werner. Werner Dupuis

„Die Zeit für dieses Orchester war offenbar reif“, sagt Klein, der mit Martin nahezu täglich im Kontakt steht. Denn es meldeten sich 105 Kinder und Jugendliche für die Ausbildung am Instrument an. Letztere aber sind Mangelware in Rio Pardinho. Und so hatte sich Klein zum Ziel gesetzt, die brasilianischen Nachwuchsmusiker mit gut erhaltenen Gebrauchtinstrumenten zu unterstützen. Und da schließt sich der Kreis mit Kestert. Denn Dirigent Joong-Heon Yoon, der im Herbst mit nach Brasilien reiste, war auch der Dirigent der Musikkapelle Kestert.

Einerseits sind Ernst Ludwig Klein und Dirigent Yoon traurig, dass eine musikalische Ära in Kestert zu Ende geht, anderseits sind sie aber auch froh, dass die Blechblasinstrumente im fernen Brasilien wieder erklingen werden.
Dupuis Werner. Werner Dupuis

„Wir als Verein haben keine Perspektive mehr gesehen, die Musikkapelle weiterzuführen“, berichtet der Erste Vorsitzende Marco Schlegel. Der Nachwuchs fehlte, die Musiker seien alle 60 plus gewesen. „Da war nach 40 bis 50 Jahren einfach die Luft raus“, sagt er. Und da half auch die Kooperation mit dem Musikzug Osterspai nichts, die Vereine schlossen sich vor vier Jahren zur Musikkapelle Loreley zusammen. „Wir dachten, dass es dadurch besser wird, aber die Situation hat sich nicht geändert“, sagt Schlegel. Auftritte wurden schwieriger, die Zahl der Aktiven ging weiter zurück. „Daher haben wir den Entschluss gefasst, den Verein aufzulösen“, sagt er. Während die zahlreichen Notenblätter nun beim Bürgermeister gelagert auf weitere Verwendung warten, wurde ein Teil der Instrumente verkauft. „Den Rest wollten wir eigentlich wegwerfen“, sagt Schlegel. Doch dann fragte Yoon beim Verein an, ob er diese Instrumente haben könnte für die Sammelaktion des Kirchbergers.

Dass sie zum Teil kaputt waren, war für Klein kein Problem. „Wir haben Instrumentenbauer, die dafür sorgen, dass sie wieder spielbar gemacht werden“, berichtet Klein. Insgesamt hat der Kirchberger bereits mehr als 30 Instrumente beisammen, doch es dürfen gern noch mehr werden. Wie die Sammlung – darunter auch große Instrumente wie Tuba oder Schlagzeug – im Herbst nach Brasilien kommt, das sei noch eine große Unbekannte.

Die Instrumente wurden im Kombi verstaut und zum Verpacken für den Weitertransport nach Brasilien in den Hunsrück gebracht. Allerdings musste Ernst Ludwig Klein noch einmal mit Anhänger nach Kestert reisen, um auch die großen Instrumente wie Tuba oder Schlagzeug abzuholen.
Dupuis Werner. Werner Dupuis

Derzeit führt Klein Gespräche mit Hunsrücker Unternehmen, die Depandancen oder andere Kontakte in Brasilien haben. „Vielleicht könnten diese die Instrumente mit verschiffen, wenn sie ohnehin eine Lieferung dorthin planen“, hofft Klein. Das aber stehe noch in den Sternen, denn zuvor müssten auch noch zollrechtliche Dinge geklärt werden.

Schlegel jedenfalls ist froh, dass die Musikkapelle Kestert weiterhelfen konnte und die Instrumente doch noch in gute Hände kommen. Und der brasilianische Pastor André Luiz Martin erfährt auf besondere Weise erneut: „Musik verbindet!“ Das stehe über allem, macht Klein deutlich.

Wer Instrumente abzugeben hat, kann sich an Ernst-Ludwig Klein wenden per E-Mail an elu.klein@web.de

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