Eigentlich gibt es viele Dinge, über die der Mörsdorfer Ingo Börsch etwas zu erzählen hätte. Denn der pensionierte Diplom-Ingenieur hat viele spannende Hobbys. So war er beispielsweise einer der Initiatoren der Hängeseilbrücke Geierlay, aber auch das Drechseln genauso wie das Bauen von Möbeln aus Holz zählen dazu.
Diese Liebe zum Naturmaterial war es auch, die ihn zu einem weiteren Hobby und zu einer besonderen Sammelleidenschaft brachte: In einer ehemaligen Scheune, die ihm mittlerweile als Werkstatt dient, hängen knapp 300 Äxte und Beile in unterschiedlichen Größen, Formen, aus verschiedenen Ländern und für eine Vielzahl an Berufen. „Früher hatte praktisch jeder eine Axt im Haus“, erzählt Börsch. Er selbst kam 1990 an sein erstes Exemplar. Damals war er, kurz nach der Wiedervereinigung, mit seinen „Stammtischkumpels“ in Ostdeutschland und kaufte sich dort das Blatt einer Axt, um sich anschließend immer intensiver mit der Materie zu beschäftigen.
USA-Besuch als wichtiges Ereignis
Bereits 1987, während eines USA-Aufenthalts, hatte er sich für die dort häufiger vorzufindenden Blockhäuser begeistert und hatte anschließend während eines zweiwöchigen Wochenendkurses gelernt, wie genau die riesigen Stämme bearbeitet werden müssen, damit sie perfekt aufeinanderpassen und sich Schritt für Schritt in ein Holzhaus verwandeln. Neben Säge und Zirkel gehört hier auch die Axt zu den wichtigsten Werkzeugen.
Als dann 1990 der Orkan Wiebke über den Hunsrück zog und für einen enormen Windwurf sorgte, erwarb Börsch riesige Stämme – und baute sein erstes eigenes Blockhaus im Garten. Mit dabei: seine erste Axt. „Ich habe über dieser Arbeit immer mehr über den Umgang mit Holz, aber eben auch mit Äxten gelernt“, erzählt er. Und weil ihn das Werkzeug, dessen Geschichte in Europa rund 10.000 Jahre zurückreicht, faszinierte, recherchierte er mehr und mehr zu diesem Thema. In Büchern, im Internet, aber auch, indem er selbst ausprobierte. „Mich begeistert dieses Handwerk einfach“, sagt Börsch.
Mittlerweile seien Äxte und Beile – die sich laut dem Experten nur durch ihre Größe voneinander unterscheiden – zwar in vielen Fällen von Motorsägen abgelöst worden, aber es gebe immer noch Berufe, in denen das Werkzeug praktisch täglich in Gebrauch sei. Auch bei Ingo Börsch werden die meisten Stücke nicht mehr benutzt. Fein säuberlich hängen sie an den Balken und den Wänden der Scheune, ein kleiner Teil davon unmittelbar hinter dem großen Scheunentor, das er, während er am Arbeiten ist, immer geöffnet hat, die meisten aber direkt unter dem Dach.
Und auch dort führt der Mörsdorfer interessierte Besucher gerne hin. Er hat zwar kein Museum, aber er nimmt sich die Zeit, um seine Ausstellungsstücke zu zeigen. „Die meisten gehen zwar vorbei, ohne meiner Scheune große Beachtung zu schenken, aber die, die stehen bleiben, sind meist aufrichtig interessiert“, sagt er. Und so seien schon viele nette Unterhaltungen über das Handwerk im Allgemeinen und über Äxte im Speziellen entstanden.
Augen und Ohren sind stets offen
Ingo Börschs Sammelleidenschaft hat sich mittlerweile auch herumgesprochen. Und so bringen Freunde und Bekannte ihm, wenn sie beispielsweise während einer Reise ein besonderes Stück entdecken, Äxte von den unterschiedlichsten Orten der Welt mit. Doch auch der Rentner geht mit offenen Augen und Ohren durch die Welt. Selten kauft er sich eine ganz neue Axt, und die würde er sich auch nie in einem Baumarkt kaufen.
Er steht, auch bei der Art der Herstellung, auf echtes Handwerk. Auf ein geschmiedetes Blatt aus Stahl mit einer scharfen Schneidkante. Denn die ist laut dem Experten unerlässlich, um gute Ergebnisse zu erzielen. Auch die Qualität des Stiels, vor allem Material und Handhabung, ist aus seiner Sicht wichtig.
„Ich muss beispielsweise in der Lage sein, mein Holz mit einer Hand zu spalten“, sagt er und zeigt seine bevorzugte Spaltaxt. Bei der Anwendung komme es gar nicht auf die Kraft an, sondern auf die richtige Technik und Stellung. Und eben auf die richtige Axt. Börsch weiß mittlerweile genau, wann er zu welchem Werkzeug greifen muss, kann zu einem Großteil der Exemplare in seiner Sammlung etwas sagen. Beispielsweise, wo er sie erworben hat, wo diese ihren Ursprung hat und wozu sie einst verwendet wurde. So gibt es neben den klassischen Spaltäxten, die sich heute noch in vielen Haushalten befinden, auch Zimmermannsäxte, die sich meist durch den charakteristischen Nagelkopf auszeichnen.
Aber auch Kreuzäxte, deren Verwendung laut Börsch aufgrund der nötigen Präzision beim Arbeiten ganz viel Übung benötigen, oder auch solche Exemplare, die früher in Schlachthöfen verwendet wurden, um Tiere zu betäuben, sind in der Sammlung des Mörsdorfers vorhanden. Hinzu kommen Bundaxt, Küferbeil, Stellmacherbeil, Feueraxt, Eisaxt, Stickbeil, Grubenaxt und viele andere Exemplare. Mal unterscheiden sie sich in der Form, mal im Griff, dann im Gewicht oder aber im Material.
„Es gibt schon sehr große Qualitätsunterschiede, auch im Hinblick auf die Härte des Stahls oder die Verarbeitung des Griffs“, so Börsch. Er selbst hat jede Einzelne aus seiner Ausstellung schon einmal ausprobiert, bei den meisten blieb es allerdings beim Probieren, auch weil sie mittlerweile zu sehr in die Jahre gekommen sind. Bei einigen hat schon der Rost angesetzt, vielen sieht man an, dass sie jahre-, meist sogar jahrzehntelang im Einsatz waren, dass sie teilweise sogar so etwas wie ein Statussymbol darstellten – für die Besitzer und für die Werkzeugmacher in gleichem Maß.
Die Axt war oft sein ganzer Stolz, sie wurde gehegt und gepflegt.
Ingo Börsch weiß um die besondere Bedeutung, die eine Axt in früheren Zeiten für ihren Besitzer hatte.
So finden sich immer wieder die Initialen des Schmiedes im Stahl, teilweise auch aufwendige Verzierungen. Die Jahreszahl der Herstellung ist unterdessen nur in wenigen Fällen zu finden, weswegen selbst der Experte oft nur mutmaßen kann, wann die Äxte hergestellt wurden. Im Griff unterdessen hat sich der Besitzer nicht selten verewigt. „Die Axt war oft sein ganzer Stolz, sie wurde gehegt und gepflegt“, weiß Börsch.
Auch andere Werkzeuge, die vor allem in der Holzverarbeitung eine Rolle spielen, sammelt der Rentner. Dazu zählen unter anderem Zirkel, Ziehmesser, mit denen Baumstämme einst geschält wurden, oder Hämmer, auf die er auf Flohmärkten gestoßen war und die ihm gefallen hatten.
Sein ehrgeiziges Ziel: Bei jedem einzelnen Werkzeug den ursprünglichen Verwendungszweck herauszufinden. „Das ist manchmal ganz schön herausfordernd, denn im Internet findet sich nicht allzu viel zu diesem Thema“, sagt er. Und dennoch gibt es nur ganz wenige Exemplare in seiner Sammlung, die er nicht zuordnen kann beziehungsweise bei denen er nur Vermutungen anstellen kann. Aber er recherchiert und sammelt weiter, denn – da ist er sich sicher – es gibt noch viele Exemplare, die entdeckt und in seiner Scheune platziert werden wollen.