Bis in den Nationalpark Hunsrück-Hochwald ist er schon gekommen: Bei Birkenfeld machte ein Jäger am 21. Mai dieses Jahres mehrere Fotos von einem Tier, das inzwischen zweifelsfrei als Wolf identifiziert wurde. Auch im Soonwald war er schon: Am 4. August 2022 riss ein Vertreter dieser Spezies in Pferdsfeld Nutztiere. Bei einem Informationsabend der Initiative Soonwald im Tiefenbacher Hof in Tiefenbach mit der Überschrift „Der Wolf in Rheinland-Pfalz“ ging es vor den rund 60 Zuhörern darum, jenseits von Vermutungen, Halbwahrheiten und Unterstellungen „wissenschaftlich fundierte Fakten“ zu liefern, wie Nikolaus Christoph Schröder, der neue Vorsitzende der Initiative, betonte.
Das besorgten zwei ausgewiesene Kenner: Ines Leonhardt ist im Koordinationszentrum Luchs und Wolf der Forschungsanstalt für Waldbiologie und Forstwirtschaft in Trippstadt tätig, Ervin Kraus, der als Förster im Forstamt Bad Sobernheim das Forstrevier Lützelsoon leitet, ist der Großkarnivorenbeauftragte – Großkarnivoren sind große Beutegreifer – für den Soonwald. Beide machten gleich zu Beginn deutlich, dass es allein Aufgabe der Politik sei, die Regeln für den Umgang mit dem Wolf festzulegen. Die Referentin verwies dabei auf den 2015 auch in Abstimmung mit Nutztierhaltern für Rheinland-Pfalz erarbeiteten Managementplan, der immer wieder aktualisiert werde.
Vor allem all jene, die mit Nutztieren ihr Geld verdienen, sehen der Rückkehr des Wolfes in den Hunsrück aber mit Bangen entgegen. Ein Schafhalter forderte im Tiefenbacher Hof „endlich klare Regelungen: Ich habe keine Lust zu warten, bis die ersten Risse erfolgen“. Deren Zahl sei aber generell vergleichsweise gering, wusste Ervin Kraus zu berichten. Entgegen der landläufigen Annahme stünden nicht Nutztiere, sondern Reh-, Rot- und Damwild auf der Speisekarte der Wölfe ganz oben. Eigens für Nutztierhalter bietet das Koordinationszentrum am Donnerstag, 22. Juni, eine Online-Informationsveranstaltung an.
Hunsrück noch kein Präventionsgebiet
Noch ist der Hunsrück, anders als der Westerwald, der Taunus, die Westeifel und eine Zone rund um Adenau, kein Präventionsgebiet. Das sind Regionen, in denen ein Wolf sesshaft geworden ist – was Tierhaltern den Zugang zu speziellen Fördertöpfen erleichtert. Fest steht laut Ines Leonhardt, dass sich die Tiere in Deutschland stark vermehren. Der Bestand sei von 2019/2020 auf 2020/2021 um rund 20 Prozent gestiegen.
Die Natur setzt dem Wachstum aber Grenzen, merkte Ervin Kraus an. Jedes Rudel, das normalerweise aus drei bis elf Tieren besteht, belegt ein festes Territorium mit einer Größe von 150 bis 350 Quadratkilometern, das es mit Zähnen und Klauen verteidigt. Zu ihm gehören neben der Fähe und dem Rüden die Jährlinge und die Welpen. Der Nachwuchs müsse sich nach einer gewissen Zeit ein eigenes Gebiet suchen – und legt dabei oft riesige Strecken zurück. Da die Zahl der Reviere in Deutschland begrenzt ist, werde sich die Zahl der Wölfe mit der Zeit selbst regulieren, erläuterte der Förster.
2021 waren bundesweit – mit Schwerpunkten in den östlichen Bundesländern – 161 Rudel, 43 Paare und 21 Einzeltiere erfasst. In Rheinland-Pfalz gab es nach Angaben von Iris Leonhardt bis 7. Juni dieses Jahres insgesamt 41 Nachweise – acht davon durch Übergriffe auf Nutztiere, 33 durch Losungen, Fotofallen und Risse von Wildtieren.
Um möglichst viele Tiere zu erfassen, sind die Experten auf Hinweise angewiesen. Diese können an die an sieben Tagen pro Woche rund um die Uhr besetzte Hotline, die unter 06306/911199 zu erreichen ist, oder an die in allen Regionen des Landes vertretenen ehrenamtlichen Großkarnivorenbeauftragten gerichtet werden. Es ist meist nicht leicht, die entsprechenden Nachweise zu führen. „Das ist richtige Detektivarbeit“, erläuterte Kraus. Nicht selten werden Hunde für Wölfe gehalten. In Rheinland-Pfalz lebe zurzeit ein Rudel, das aber aktuell nur aus zwei Tieren bestehe. Im Naturpark Soonwald-Nahe könnten nach Einschätzung von Ervin Kraus maximal zwei bis drei Rudel Platz finden.
„Mir tut der Wolf leid“,
meinte ein Zuhörer
Auch an diesem von Vorstandsmitglied Michaela Clemens-Kopp initiierten und von Nikolaus Christoph Schröder beispielhaft moderierten Abend wurde die Forderung laut, dass es für den Wolf wie für andere Wildtiere Jagd- und Schonzeiten geben müsse. Eine Jägerin machte auf ein besonderes Problem aufmerksam: Ihren Hund werde sie nicht mehr zur Nachsuche von verletzten Wildtieren einsetzen, weil sie befürchtet, dass er von einem Wolf getötet wird.
Könnte eigentlich auch ein Mensch, der mit seinem Rad durch den Wald radelt, beim Wolf den Jagdinstinkt auslösen?, wollte Georg Kiltz, der frühere Vorsitzende der Initiative Soonwald, wissen. Ervin Kraus verneinte das: Der Mensch passe nicht in dessen Beuteschema. Das aber sei Voraussetzung für eine Attacke. Seit der Wolf nach Deutschland zurückgekehrt sei, habe es noch keinen Angriff auf einen Menschen gegeben, betonte Ines Leonhardt.
„Mir tut der Wolf leid“, meinte ein Zuhörer. Er bezweifelt, dass sich die Tiere in einem so dicht besiedelten Land wie Deutschland wirklich wohlfühlen. Immer wieder fallen einige dem Straßenverkehr zum Opfer.
Nähere Infos zum Koordinationszentrum gibt’s unter https: //fawf.wald.rlp.de/de/forschung-und-monitoring-unsere-aufgaben/ koordinationszentrum-luchs-und-wolf/