Lebensberatung Simmern zieht Bilanz für 2020: Fast 1000 Betroffene meldeten sich - Corona machte vielen zu schaffen
In schweren Zeiten für andere da sein: Lebensberatung Simmern zieht Bilanz für das Pandemiejahr 2020
Hilfe bei Erziehungs- oder Entwicklungsfragen: Das Team der Lebensberatung Simmern um Leiterin Beate Dahmen (2. von links) ist für den ganzen Rhein-Hunsrück-Kreis zuständig und hat im Jahr 2020 insgesamt 457 Leistungen erbracht. Foto: Lebensberatung
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Rhein-Hunsrück. Ausgangssperren, Restriktionen, Umdenken und viel Unsicherheit: Das vergangene Jahr ist alles andere als leicht gewesen. Corona legte vieles lahm und wirbelte den Alltag der Menschen ziemlich durcheinander. Davon kann die Lebensberatung Simmern ein Liedchen singen. Fast 1000 Betroffene haben sich im Pandemiejahr an Beate Dahmen, Leiterin der Beratungsstelle, und ihr Team gewendet.

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Die Probleme: vielfältig. Und aufgrund der ungewohnten Situation akut. Allerdings hält Dahmen im Gespräch mit unserer Zeitung fest, dass die Zahl der Ratsuchenden im Vergleich zu 2019 konstant geblieben ist. Trotzdem hätte es „so etwas wie Corona noch nie zuvor gegeben“. Deshalb sei die Umstellung, die der erste Lockdown mit sich brachte, vielen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen schwergefallen.

Aber auch für die Mitarbeiter der Beratungsstelle war es keine einfache Zeit, da Arbeitsstrukturen umgeworfen werden mussten. Denn: „Präventive Angebote in Gruppen oder Kursen durften pandemiebedingt ja nicht stattfinden“, so Dahmen, die seit 34 Jahren bei der Lebensberatung Simmern tätig ist. Fortbildungen, Veranstaltungen und Netzwerktreffen fielen Corona ebenfalls zum Opfer. Doch die Mitarbeiter stellten sich schnell um – schließlich sollte niemand mit seinen Problemen alleingelassen werden. Also wurden Heimarbeitsplätze eingerichtet und digitale Fortbildungen standen plötzlich auf der Agenda. So erlebte die Onlineberatung einen starken Anstieg um 83 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und auch die Beratungsintensität via Telefon oder Videoformat stieg von fünf Stunden (2019) auf acht.

Digitale Voraussetzungen waren nicht in jedem Haushalt gegeben

„Online- sowie Telefonberatung, Homeoffice und Homeschooling haben über Nacht eine völlig neue Bedeutung bekommen“, erzählt Dahmen. Dabei seien nach ihren Angaben die hierfür erforderlichen digitalen Voraussetzungen bei den Betroffenen meist nicht gegeben gewesen. „In vielen Haushalten haben nun einmal der Platz und die technischen Voraussetzungen für arbeitende Eltern und lernende Kinder gefehlt.“ Rückzugsmöglichkeiten? Fehlanzeige! Gelegenheiten für Reibereien? Unendlich viele. So teilten Ratsuchende unter anderem mit, dass ihnen eingespielte familiäre Alltagsrhythmen abhandengekommen wären und es schwer gewesen sei, die Kinder morgens aus dem Bett zu bekommen und abends wieder rein. Auch das Motivieren zum regelmäßigen Lernen fiel einigen schwer, sodass Eltern mit den Mediennutzungszeiten großzügiger wurden – vor allem, weil sie selbst für ihre Arbeit im Homeoffice Ruhe brauchten. „Einige Betroffene erzählten, dass sie befürchten würden, dass es nach der Pandemie kein Zurück zu guten Regeln mehr gibt“, so Dahmen.

Alleinlebende litten unter der geforderten sozialen Distanz, Pärchen stritten sich um die Aufgabenteilung im Haushalt, der Kinderbetreuung oder in finanziellen Fragen. Vorerkrankte und Ältere belastete wiederum die unsichtbare Bedrohung durch das Virus, andererseits aber auch die Isolation, in die sie durch die Schutzmaßnahmen gerieten. Familienmitglieder im Krankenhaus konnten nicht begleitet werden, Abschiede von geliebten Menschen mussten in großer Distanz bewältigt werden. Die Liste ist lang.

Nichts ging mehr: Jüngere verfielen meist dem Corona-Blues

Und die ganz jungen? Die sind laut Beate Dahmen schnell dem Corona-Blues verfallen. „Freunde treffen, sich mit Gleichaltrigen austauschen, Jobben, Partys, Schulabschlussfeiern, Fitnessstudio – alles, was für die Jugendlichen wichtig ist, war auf einmal nicht mehr erlaubt. Und dann bekamen sie noch ständig zu hören, dass das Virus für ihre Altersgruppe kaum gefährlich sei, sie aber als mögliche Überträger Rücksicht auf Ältere zu nehmen haben.“

Doch damit nicht genug. Schließlich gehört zum Alltag eines jeden Jugendlichen auch die Schule. Hier zeichnete sich nach Angaben von Dahmen folgendes Bild ab: Wer sich gut selbst organisieren konnte, hatte mehr Zeit für sich. Wem dies nicht möglich war, verfiel in antriebslose Episoden, kam nicht aus dem Bett und fand keine Motivation für die Aufgaben. Weitere Auswirkungen auf die Psyche: Angstprobleme und Essstörungen. Grundsätzlich hält die Leiterin der Lebensberatung Simmern fest, dass das Pandemie-Jahr für jeden eine Herausforderung war.

Viele Menschen haben die einfachen Dinge intensiver gelebt

Allerdings scheint Corona neben all der Belastung aber auch gute Seiten hervorgebracht zu haben. So berichtet Dahmen vom kleinen Henry (7), der erzählte, dass „Mama mit uns geturnt und Hula-Hoop geübt hat. Das war witzig, und wir haben auch einen Film darüber gedreht.“

Darüber hinaus hätten viele Ratsuchende für sich erkannt, die Zeit bewusster zu nutzen. „Zusammen kochen, backen, spazieren, basteln, spielen, Sport treiben oder das Verschönern von Haus und Garten: Durch Corona sind die einfachen Dinge intensiver gelebt worden“, so die Leiterin. Abschließend hält Dahmen fest: „Ohne die tatsächlichen, finanziellen und gesundheitlichen Belastungen klein reden zu wollen, ist es doch vielen Menschen trotz der verordneten Einschränkungen der Mobilität, der Kontakte und der Freizeitmöglichkeiten gelungen, ihre Zufriedenheit zu bewahren.“

Von unserer Redakteurin Monika Pradelok

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