Die für 2030 angekündigte Schließung der Bischöflichen Realschule Marienberg in Boppard wirkt sich schon in diesem Jahr auf die Schullandschaft im Rhein-Hunsrück-Kreis aus. Die Schule nimmt entsprechend dem Beschluss des Bistums Trier als Schulträger zum neuen Schuljahr keinen neuen Jahrgang an Fünftklässlern auf. Das führt zu deutlich erhöhten Anmeldezahlen in anderen Schulen in der Region.
Besonders gravierend stiegen die Anmeldezahlen an der IGS Emmelshausen. Der maximalen Anzahl von 112 Plätzen für die fünfte Klasse standen mehr als 160 Anmeldungen gegenüber – die Schule musste laut Schulordnung losen. Letztlich bekamen selbst Kinder aus Emmelshausen und den umliegenden Dörfern keinen Platz an der IGS Emmelshausen, Schüler aus entfernteren Orten jedoch schon. Landrat Volker Boch informierte den Kreistag über das mittlerweile abgeschlossene Anmeldeverfahren an den weiterführenden Schulen in der Trägerschaft des Kreises.
Koblenzer Schulen lehnen Schüler aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis ab
„Das hängt natürlich mit der Entscheidung des Bistums Trier zusammen, aber auch damit, dass die IGS als Schule eine Attraktivität gefunden hat“, sagte Boch. Zudem lehnen Koblenzer Schulen nach einem Beschluss des Stadtrats Koblenz im vergangenen Jahr konsequent Schüler von außerhalb ihres Trägergebietes ab.
Wegen der hohen Zahl an Ablehnungen sei man seit einiger Zeit im Austausch mit der Schule. In das Aufnahmeverfahren sei man nicht eingebunden. Integrierte Gesamtschulen seien üblicherweise auf Vierzügigkeit konzipiert, heißt es in den Sitzungsunterlagen. Bei großer Nachfrage weitere Klassen zu bilden, sei schulrechtlich an einer IGS nicht möglich – anders als an Realschulen plus und Gymnasien. Deshalb habe ein schulischer Aufnahmeausschuss, bestehend aus Schulleitung, Kollegium und Elternvertretung, ein Losverfahren vorgenommen.
Aktueller Jahrgang der vierten Klassen ist groß
Die übergreifende Schulordnung schreibe für dieses Aufnahmeverfahren „eine ausgewogene Berücksichtigung von Schülerinnen und Schülern verschiedener Leistungsgruppen und eine angemessene Berücksichtigung von Schülerinnen und Schülern nicht deutscher Herkunft vor“. Darüber hinaus könne der Ausschuss weitere Kriterien für die Aufnahme festlegen, müsse aber nicht. An der IGS Emmelshausen sei als weiteres Kriterium lediglich festgelegt worden, dass beim Auslosen eines Zwillings auch der andere Geschwisterteil automatisch aufgenommen wird, wie weiter aus der Vorlage hervorgeht.
Das Aus der Realschule Marienberg wirke sich jedoch nicht nur auf die IGS Emmelshausen, sondern auf alle Schulen in der näheren Umgebung aus. Die Anmeldezahlen liegen auch an den Realschulen plus (RS+) in Boppard und Oberwesel und dem Kant-Gymnasium in Boppard über den Vorjahren. Die Zahlen liegen sogar über der Größenordnung, die die Realschule Marienberg hätte aufnehmen können, was unter anderem mit dem starken aktuellen vierten Schuljahrgang erklärt wird. Insgesamt gebe es rund 100 angenommene Anmeldungen in den Kreisschulen mehr als im Vorjahr – bei 50 Ablehnungen. Laut Einschätzung der Verwaltung werden sich die Zahlen in den kommenden Jahren auf diesem höheren Niveau einpendeln.
„Es ist für mich absolut nicht nachvollziehbar, dass die Wohnortnähe im Auswahlausschuss gar nicht berücksichtigt worden ist.“
Armin Bernd, CDU
Die Situation stelle den Kreis unter anderem in der Schülerbeförderung vor Aufgaben. „Wir müssen bei den Kindern, die in Emmelshausen nicht aufgenommen worden sind, zusehen, dass wir sie innerhalb einer angemessenen Zeit in zur Verfügung stehende Schulen bringen. Wir reden da über relativ intensive Fahrtzeiten, und wir müssen die Beförderung sicherstellen“, sagte Landrat Volker Boch. Aktuell arbeite man daran. „Wir sind mit der Situation als Schulträger überhaupt nicht glücklich und haben uns intensiv eingesetzt, um in Abstimmung mit der IGS Emmelshausen und der ADD Lösungen zu suchen“, fügte der Landrat hinzu.
In der Aussprache zum Thema meldete sich Armin Bernd (CDU) zu Wort. „Es sind, so weit ich weiß, neun Kinder aus Emmelshausen direkt oder aus unmittelbarer Umgebung abgelehnt worden. Es ist für mich absolut nicht nachvollziehbar, dass die Wohnortnähe im Auswahlausschuss gar nicht berücksichtigt worden ist.“ Er erinnere sich an eine ähnliche Situation in der IGS Kastellaun vor einigen Jahren. Damals sei politischer Druck aufgebaut worden, und man habe Lösungen gefunden. „Mein Appell wäre es, den Aufnahmeanschuss noch mal anzusprechen, ob man da noch zu einer Lösung für die Kinder vor Ort kommen kann. Vor allem wenn man bedenkt, dass nach meiner Information 16 Kinder aufgenommen wurden, die nicht aus unserem Landkreis kommen. Das ist den Eltern schwer vermittelbar.“ Er plädierte auch dafür, nach unkonventionellen Lösungen zu suchen, etwa eine temporäre Erhöhung der Klassengröße von 28 auf 30 Schüler. „Ich bitte darum, das Thema noch mal aufzumachen und für die Kinder zu kämpfen.“
„Ich finde es ganz furchtbar, dass wir jetzt anfangen, Kreise untereinander auszuschließen, aber anders wird es nicht funktionieren.“
Klaus-Peter Müssig, SPD
Klaus-Peter Müssig (SPD) sprach sich ebenso dafür aus, das Thema anzugehen, aber nicht über eine Erhöhung der Klassenmesszahl. „Ich finde es ganz furchtbar, dass wir jetzt anfangen, Kreise untereinander auszuschließen, aber anders wird es nicht funktionieren.“ Ihn störe, dass die Koblenzer Schulen niemanden mehr aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis aufnehmen, in Emmelshausen aber so viele Kinder aus dem Nachbarkreis aufgenommen werden.
Tobias Eiserloh, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler Rhein-Hunsrück (FWG) und selbst Schulleiter in Kirchberg, brachte seine Expertise ein. Die Klassengröße lasse sich rechtlich nicht ohne weiteres anpassen, und die Integrierten Gesamtschulen im Land seien auf vier Züge beschränkt, Kastellaun sei da die absolute Ausnahme. Aus seiner Sicht habe die IGS Emmelshausen die große Nachfrage nicht abgesehen und entsprechend einen Fehler gemacht. Er hoffe, dass der Aufnahmeausschuss künftig die Kriterien anpasst. Die Situation nun zu lösen, werde schwierig, nach seiner Kenntnis seien drei Klageverfahren anhängig.
Verwaltung hat Schule und ADD um Prüfung gebeten
Landrat Boch korrigierte die im Raum stehende Zahl nach unten, es seien rund zehn Kinder aus dem Nachbarkreis angenommen worden. „Als wir Kenntnis vom Ablauf des Aufnahmeverfahrens bekommen haben, haben wir uns an die Schulleitung und die ADD gewandt. Die übergeordnete Schulordnung macht eigentlich die klare Vorgabe, dass Kinder wohnortnah vorrangig einen Platz bekommen“, sagte Boch. Hier habe man um Prüfung gebeten. Mit der ADD stehe man dazu im intensiven Austausch. Eine Entscheidung zur Klassenmesszahl obliege dem Bildungsministerium. Man wolle an beiden Aspekten dranbleiben.
Michelle Tappertzhofen leitet die Orientierungsstufe des Kant-Gymnasiums Boppard und berichtet von der Entwicklung der Schülerzahl. „Wir konnten anhand der Anmeldungen für das neue Schuljahr leichte Auswirkungen feststellen. Wir haben im Vergleich zum letzten Jahr etwas mehr Anmeldungen, ohne diejenigen, die von Koblenz abgewiesen wurden. Da wir jedoch nie genau wissen, wie groß die Jahrgänge der Viertklässler sind, können wir nicht wirklich abschätzen, welche Auswirkungen die Schließung der Bischöflichen Realschule wirklich hat.“ Die Schulleitung der IGS Emmelshausen wollte sich auf Anfrage unserer Zeitung in der Sache nicht äußern.
Anmeldezahlen an den Schulen
Durch die Bank stiegen die Anmeldezahlen an den meisten Schulen in Kreisträgerschaft in den vergangenen Jahren, wo es die Kapazitäten zuließen. Das Kant-Gymnasium meldete einen leichten Rückgang im Vergleich zum Vorjahr, jedoch mehr Anmeldungen als im Schuljahr 22/23. Die zurückgehenden Anmeldungen an der KGS Kirchberg nehmen der Schule den Druck, ordnete Landrat Boch ein. Insgesamt bewertet die Verwaltung die Entwicklung als sehr positiv, heißt es in den Sitzungsunterlagen. Der Entwicklung in Emmelshausen könne man positiv abgewinnen, dass die Schulen in den vergangenen Jahren immer wieder Probleme hatten, die vorgesehene Vierzügigkeit zu erreichen. red