Ober Kostenz – Über zwei Jahre ist es her, dass Agathe Schreiner aus Ober Kostenz in der Birkenfelder Apherese-Station der Stefan-Morsch-Stiftung Stammzellen gespendet hat.
Einem fremden Menschen das Leben retten war damals das Ziel. Heute weiß sie, dass sich ihr Einsatz gelohnt hat, denn der Patient hat überlebt. Wie gut es ihm wirklich geht, konnte die 53-Jährige nun mit eigenen Augen sehen.
Mit etwas Verspätung trifft Agathe Schreiner nun bei der Stefan-Morsch-Stiftung in Birkenfeld ein – die Ausfahrt verpasst. Etwas nervös aber mit einem Lächeln erfährt sie, dass ihr genetischer Zwilling, der Mann für den sie vor mehr als zwei Jahren Stammzellen gespendet hat, schon da ist. Ein emotionaler Augenblick – Günter Walsch, der ehemalige Leukämiepatient, nimmt „das Mädche“ in die Arme. „Ich habe eine neue Schwester gefunden und dafür bin ich so dankbar“, sagt er sichtlich gerührt.
Ende 2007 erhielt Günter Walsch die erschütternde Diagnose: akute Leukämie. Ein mehrmonatiger Aufenthalt in der KMT-Klinik Idar-Oberstein begann, inklusive dreier Chemotherapie-Zyklen. Der heute 75-Jährige schlug sich, trotz seines hohen Alters, tapfer: „Die Ärzte sagten, ich wäre ein strammer Kerl, und deshalb wollten sie auch eine Stammzelltransplantation wagen, obwohl das in meinem Alter nicht selbstverständlich ist.“ Da gerade bei älteren Patienten der Gesundheitszustand kritisch ist und die Heilungsaussichten geringer sind, wurde früher häufig auf eine Transplantation verzichtet. Die heutigen medizinischen Möglichkeiten erlauben den Ärzten mehr zu wagen – mit Erfolg, wie man bei Günter Walsch sehen kann.
Doch zunächst hieß es, auf einen passenden Spender, mit identischen genetischen Merkmalen, warten. Kaum zu glauben, dass der Saarländer gleich zwei potenzielle Lebensretter aus Amerika fand, jedoch standen diese nicht zur Verfügung. Doch plötzlich wieder ein Hoffnungsschimmer: Eine Deutsche kam ebenfalls als Spenderin infrage, Agathe Schreiner – vielleicht die letzte Chance. Walsch nahm diese glückselig entgegen: „Es war wie eine Erlösung. Sie können sich nicht vorstellen, mit welcher Zuversicht und Hoffnung ich Ihre Stammzellen aufgenommen habe.“
Nach einem ersten Kennenlernen besichtigen die Blutsgeschwister die Apherese-Station der Stiftung, wo gerade eine Stammzellentnahme durchgeführt wird. „Da hab ich damals gelegen“, erinnert sich die Hunsrückerin und erzählt von ihren Erfahrungen. Sie ließ sich im Jahr 2000 in der Spenderdatei der Stefan-Morsch-Stiftung registrieren. Acht Jahre später kam die Nachricht, dass sie für einen Patienten infrage kommt. Dessen Identität kannte sie damals nicht – aus Datenschutzgründen. Erst nach zwei Jahren dürfen sich in Deutschland Spender und Empfänger bei beiderseitigem Einverständnis kennenlernen. Trotzdem stand für die Familienmutter fest, dass sie helfen wollte: „Da gab es für mich nichts zu überlegen. Der Entschluss zu spenden stand schon bei meiner Aufnahme in die Datei fest, sonst hätte ich mich gar nicht erst typisieren lassen.“
Agathe Schreiner ist beeindruckt: Günter Walsch strotzt vor Vitalität und Lebensfreude, zweimal in der Woche geht er ins Fitnessstudio. Seinen Mut und die Kraft zu kämpfen verlor der Neunkirchener nie: „Meine Frau hat mich oft gefragt, wie ich das alles schaffe, aber ich habe mich einfach nicht hängen lassen. Ich wollte Leben.“ Nicht zuletzt gerade wegen seiner Frau, denn diese sitzt im Rollstuhl und ist pflegebedürftig: „Mein ganzes Streben war, ich muss gesund werden, denn ich werde gebraucht.“ Agathe Schreiner ist überwältigt. „Es freut mich so sehr zu sehen wie gut es ihm geht“, sagt die Hunsrückerin strahlend. Den Kontakt wollen beide auch nach dem Treffen aufrecht erhalten. Sie haben sich viel zu erzählen.