Hilfe nach Suizid
Hospizgemeinschaft Simmern startet neue Trauergruppe
Josefa Manderscheid (links) und Petra Michel (rechts) betreuen die neue Trauergruppe für Angehörige nach Suizid. Sie arbeiten als Koordinatorinnen und Trauerbegleiterinnen bei der Hospizgemeinschaft Hunsrück-Simmern.
Lara Kempf

Verluste durch Suizid sind oft mit Scham und Sprachlosigkeit verbunden. Die Hospizgemeinschaft Hunsrück-Simmern schafft nun einen Ort, an dem sich Menschen mit dem gleichen Schicksal austauschen können.

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„Übers Sterben zu reden, hat noch niemanden umgebracht.“ Dieser Spruch ziert die Pinnwand vor dem Eingang der Hospizgemeinschaft Hunsrück-Simmern. Er beschreibt die Philosophie des Vereins: Über den Tod zu sprechen, ist wichtig. Seit fast 30 Jahren begleitet der Verein Menschen in ihrer letzten Lebensphase. Aber auch Angehörigen steht er in der Trauerphase zur Seite. Nun hat er eine neue Trauergruppe ins Leben gerufen – für Hinterbliebene nach einem Suizid.

„Wir sind da, ohne etwas zu wollen“, beschreibt Josefa Manderscheid ihre Rolle. Sie ist Koordinatorin und Trauerbegleiterin bei der Hospizgemeinschaft Hunsrück-Simmern. Hat ein Mensch wegen einer Krankheit nur noch kurze Zeit zu leben, verbringt er seine letzten Momente oft im stationären Hospiz, getrennt von Familie und Freunden. Die Hospizgemeinschaft steht zwar auch im Austausch mit stationären Hospizen, fungiert aber als ambulanter Hospiz- und palliativer Beratungsdienst. Sie macht es möglich, dass die Menschen in ihrer letzten Lebensphase in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können, aber trotzdem von Experten begleitet werden. „Wir besuchen die Menschen – je nach Zustand – zu Hause, im Altenheim oder im Krankenhaus“, betont Manderscheid.

„Die Trauergruppe soll den Betroffenen einen sicheren Raum für einen gegenseitigen Austausch bieten und ihnen helfen, sich zu vernetzen.“
Josefa Manderscheid von der Hospizgemeinschaft Hunsrück-Simmern

Die Trauerbegleiterin und ihre Kolleginnen im Hauptamt sind nicht pflegerisch tätig. Sie haben nur eine koordinierende Funktion inne. „Wir fahren zu den Menschen, die uns kontaktieren und schauen uns an, in welchem Zustand sie sind und was sie brauchen“, sagt Manderscheid. Es sind die ehrenamtlichen Hospizbegleiter und Hospizbegleiterinnen des Vereins, die die Menschen schließlich regelmäßig besuchen und Zeit mit ihnen verbringen.

Dabei passen sie sich den Patienten individuell an. „Ist jemand noch relativ fit, unternehmen sie etwas mit der Person. Ist jemand ans Bett gebunden, sitzen sie auch mal nur daneben und leisten Gesellschaft“, sagt Petra Michel, ebenfalls Koordinatorin und Trauerbegleiterin bei der Hospizgemeinschaft. Um die bestmögliche Betreuung zu gewährleisten, sind alle Mitarbeiter des Teams gelernte Pflegekräfte und haben eine Palliativ Care Weiterbildung.

Bei der neu gegründeten Trauergruppe des Vereins liegt der Fokus besonders auf den Angehörigen, die einen geliebten Menschen nicht durch Krankheit, sondern durch den selbst gewählten Tod verloren haben. Doch wie ist die Idee für das Angebot entstanden? In Simmern gibt es bereits eine Regionalgruppe der bundesweiten Selbsthilfeorganisation AGUS (Angehörige um Suizid) für Trauernde, die einen nahestehenden Menschen durch Suizid verloren haben. „Da das Team des Vereins aber mittlerweile nur noch aus einer Dame besteht, hat sie sich an uns gewandt“, betont Michel.

Die Hospizgemeinschaft hatte zuvor bereits immer mal wieder Einzelbegleitungen von Angehörigen nach einem Suizid gemacht, aber kein spezielles Angebot dafür eingerichtet. Man habe jedoch gemerkt, dass deutlicher Bedarf bestehe. „Manche kommen auch in unsere Trauerseminare, aber dieser Schritt ist oft mit Scham behaftet“, weiß Michel. Denn dort geht es meistens um den Verlust eines geliebten Menschen durch Krankheit. In der neuen Gruppe sollen Menschen zusammenkommen, die das Gleiche erlebt haben: den Verlust eines Menschen durch Suizid. „Die Gruppe soll den Betroffenen einen sicheren Raum für einen gegenseitigen Austausch bieten und ihnen helfen, sich zu vernetzen“, sagt Manderscheid.

„Wir sind da, ohne etwas zu wollen.“
Josefa Manderscheid

Stattfinden wird die Trauergruppe immer einmal im Monat. Betreut wird sie von den beiden Trauerbegleiterinnen und zwei ehrenamtlichen Kräften. Diese haben eine Qualifikation für Sterbe- und Trauerbegleitung und zusätzlich eine Fortbildung zum Thema Suizid. Auf Dauer sollen noch zwei weitere Ehrenamtler das Team verstärken. „Unser Ziel ist es, dass bei jedem Treffen einer von uns sowie ein Ehrenamtler dabei ist“, betont Manderscheid. Der Austausch, der entsteht, soll jedoch ganz in der Hand der Betroffenen liegen. Zwar wollen die beiden Trauerbegleiterinnen am Anfang jedes Treffens einen Impuls für ein Thema geben, dieses soll jedoch bloß als Idee dienen. „Die Devise ist: ’Müssen tut man gar nichts.’ Die Leute sollen selbst Themen finden und darüber ins Gespräch kommen“, erklärt Michel.

Bevor sich jemand dazu entscheidet, an der Trauergruppe teilzunehmen, wollen die Trauerbegleiterinnen ein kurzes Gespräch mit der Person führen. „Wir wollen schauen, ob die Person schon so weit ist, um über das Erlebte zu sprechen“, sagt Manderscheid. Bis jetzt haben die beiden Frauen zwei Anmeldungen für die Gruppe erhalten. Stattfinden soll das Angebot aber in jedem Fall. „Wir wissen, der Bedarf ist da, und diesen wollen wir decken“, betont Manderscheid.

Termine und Anmeldung

Die Treffen der Gruppe finden immer dienstags jeweils von 18 bis 20 Uhr im Seminarraum der Hospizgemeinschaft in Simmern statt. Der erste Termin ist für den 3. Juni angesetzt. Weitere Termine in diesem Jahr sind am 8. Juli, am 5. August, am 23. September, am 28. Oktober, am 18. November sowie am 16. Dezember. Wer teilnehmen möchte, sollte sich bei der Hospizgemeinschaft Hunsrück-Simmern per E-Mail an info@hospiz-hunsrueck.de oder unter Telefon 06761/915721 anmelden.

Unsere Zeitung berichtet nur in Ausnahmefällen über Suizid bezogene Themen. Wenn Sie selbst Suizid-Gedanken haben, dann kontaktieren Sie bitte die Telefonseelsorge im Internet oder über die kostenlosen Hotlines 0800/1110111 oder 0800/1110222 oder 116123.

Geschichte der Hospizgemeinschaft Hunsrück-Simmern

Die Hospizgemeinschaft Hunsrück-Simmern gibt es seit fast 30 Jahren. 1997 fand in Simmern ein Fortbildungsseminar für Pflegekräfte zum Thema „Sterbende begleiten“ statt. Aus diesem Seminar heraus gründete sich zunächst eine Kontaktgruppe. Diese fand regen Zuspruch. 26 Personen kamen zusammen und gründeten die Hospizgemeinschaft Hunsrück-Simmern. Sie wurde zur Regional-Gruppe der Internationalen Gesellschaft für Sterbebegleitung und Lebensbeistand (IGSL). Seit dem Jahr 2002 ist die Gemeinschaft ein eingetragener Verein. Erst seit 2005 ist der Verein eigenständig, ohne Dachverband, wird aber trotzdem noch von ihm unterstützt. Die erste hauptamtliche Koordinatorin wurde 2009 eingestellt. Heute hat die Hospizgemeinschaft mehr als 400 Mitglieder, davon rund 50 Ehrenamtliche. Fünf Koordinatorinnen sind dort aktuell im Hauptamt beschäftigt.

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