Mit einer heftigen Schreierei im Besuchersaal beginnt der neunte Verhandlungstag im sogenannten Nature-One-Drogenprozess am Landgericht Bad Kreuznach. Drogenhandel im großen Stil, versuchte räuberische Erpressung und gefährliche Körperverletzung – dies wirft die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach drei Männern im Alter von 34, 46 und 68 Jahren aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis vor. Erstmals soll nun der Hauptbelastungszeuge, dessen derzeitiger Aufenthaltsort geheim gehalten wird, vor Gericht aussagen. Noch bevor er im Zeugenstand Platz nimmt, berichtet er, dass sein Auto von der Ehefrau des einen und der Lebensgefährtin eines zweiten Angeklagten kurz zuvor fotografiert worden sei. Auf die lautstarken Proteste der beiden angesprochenen Frauen hin droht Richterin Annegret Werner mit dem Ausschluss, woraufhin im mit einer dicken Glasscheibe abgetrennten Besucherraum Ruhe einkehrt.
Insgesamt zwölf Fälle, die sich zwischen April und September 2024 zugetragen haben sollen, werden vom Gericht unter die Lupe genommen. Unter anderem sollen die beiden jüngeren Beschuldigten beim Technofestival Nature One bei Kastellaun 4500 Ecstasy-Tabletten, 2,6 Kilogramm Amphetamin, 200 Gramm Kokain und 300 Gramm Haschisch im Kühlwagen eines Cocktailstandes gelagert und den größten Teil an Besucher verkauft haben. In einem weiteren Fall wird ihnen zur Last gelegt, Mitte August 2024 zusammen mit einem Bekannten, dessen Verfahren abgetrennt ist, den Hauptbelastungszeugen in Simmern aufgesucht zu haben, um bei ihm unter Androhung von Schlägen Drogenschulden einzutreiben. In der Wohnung des Mannes sei es zu einem Streit über die ausgebliebenen Geldzahlungen gekommen, und der 34 Jahre alte Angeklagte soll seinem Kontrahenten mehrfach mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen haben. Die Angeklagten haben zudem – so steht es jedenfalls in der Anklageschrift – dem Mann eine Frist zur Zahlung gesetzt, wobei der 46-Jährige dem Widersacher gedroht und angekündigt habe, dass er, falls er seine Schulden nicht zahlen würde, ihm einen „goldenen Schuss“ setzen und ihn anschließend am Bahnhof in Frankfurt am Main aussetzen würde. Überdies sollen der 46-Jährige und der 34-Jährige – zunächst war von einem Einbruch die Rede – aus dessen Wohnung diverse Spielkonsolen, Fernsehgeräte, einen Laptop und Kleidungsstücke gestohlen haben. Beide Beschuldigte sollen zudem mehrfach mit Drogen gehandelt haben. In einem Fall ist von zwölf Platten Cannabis á 100 Gramm, 22 Platten Amphetamin á 100 Gramm, vier Kilogramm Marihuana und zwei Kilogramm Amphetamin die Rede. Dem Dritten im Bunde, einem 68-Jährigen und Vater eines der beiden jüngeren Angeklagten, wird lediglich Beihilfe vorgeworfen.

Vorwurf: Drogen in großem Stil auf Nature One vertickt
Drei Männer aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis müssen sich vor dem Landgericht in Bad Kreuznach verantworten. Zwei von ihnen wurden zum Prozessauftakt von der Justizvollzugsanstalt Rohrbach in den Gerichtssaal gebracht.
Das Verfahren ins Rollen gebracht hatten der 25-jährige Hauptbelastungszeuge und seine 22-jährige Lebensgefährtin. Das Duo hatte in einer anderen Strafsache eine Vorladung zur Polizei erhalten. Der angebliche Einbruch und der Diebstahl der Elektrogeräte und anderer Sachen ereigneten sich am Vorabend dieses Termins. „Nachdem wir eine Nacht drüber geschlafen hatten, haben wir das bei dem Termin angesprochen“, berichtet der 25-Jährige, gegen den ebenfalls ein Strafverfahren wegen Drogenhandels läuft. „Das Verfahren beruht auf Ihrer Aussage“, sagt Richterin Annegret Werner, bevor sie in die Befragung geht. Gleichwohl betont sie, dass es auch möglich sei, dass der Mann falsche Angaben gemacht hat. Der junge Mann verrät, dass er zum damaligen Zeitpunkt selbst Drogen konsumiert hat, „zehn bis 15 Gramm Gras sowie fünf- oder sechsmal Speed täglich und alle zwei Tage Kokain“. Derzeit sei er clean, sagt er. „Das klappt“, betont er. Dennoch suche er einen Therapieplatz, fügt er hinzu. „Ich war Konsumkunde und für einen der Angeklagten als sogenannter Läufer tätig“, erläutert er dem Gericht. Zur Erklärung: Läufer verteilen die Drogen an die Kunden und nehmen das Geld dafür entgegen.
Der Zeuge schildert, wie die Angeklagten seine „Wohnung ausgeräumt“ und was sie alles mitgenommen haben. Ein Bekannter, der während seiner Abwesenheit auf den Hund der Lebensgefährtin aufpasste, hatte ihnen die Tür geöffnet, aber aus Angst nichts gegen das Trio unternommen. Er berichtet, wie er zur Drohung das Bild einer Makarow, einer russischen Militärpistole, gezeigt bekommen hat, wie er große Mengen Drogen in der Wohnung des 46-jährigen Angeklagten gesehen hat, wie er als Kurierfahrer Drogen aus einem Ort in Rheinhessen abgeholt hat. Er berichtet auch von dem Cocktailstand auf dem Festival Nature One im vergangenen Jahr, von den diversen Drogen, die dort im Kühlwagen gelagert gewesen sein sollen, und von seiner Freundin, der Geld für eine Falschaussage angeboten worden sein soll. Immer wieder aber antwortet er auf Fragen der Richterin mit „Ich kann mich nicht mehr genau erinnern“ oder „Das weiß ich nicht mehr“ und begründet dies mit der langen Zeitspanne, die vergangen sei oder auch mit „Ich habe zu dem Zeitpunkt auch viel getrunken“. Nach gut zwei Stunden sagt er gar nichts mehr. Ihm sei schlecht, er habe Schmerzen und könne sich nicht mehr konzentrieren, lässt er durch seine Anwältin wissen. Daraufhin wird seine Vernehmung abgebrochen und vertagt. Ob eine Fortsetzung am nächsten Prozesstag – das ist der 16. Juni – erfolgen kann, ist ungewiss, wird vom Rechtsbeistand des 25-Jährigen geprüft.
Lebensgefährtin berichtet von Drohungen am Telefon
Nach einer Pause tritt auch die Lebensgefährtin des 25-Jährigen in den Zeugenstand. Sie berichtet von Drohungen, die sie per Telefon erhalten habe und wie sie über den Diebstahl der Elektrogeräte und Kleidung – darunter auch Kleidung von ihr – informiert worden sei. Auch sie schildert dem Gericht, wie sie und ihr Freund am Tag danach zur Polizei gegangen sind und dort ausgesagt haben. Allerdings bekennt auch sie bei mehreren Nachfragen der Richterin: „Kann sein. Das weiß ich nicht mehr.“ Oder sie gibt an, zu gewissen Sachverhalten keine Angaben machen zu wollen.
Noch weniger gibt eine weitere Zeugin von sich, die, nachdem sie die erste Ladung vor Gericht unentschuldigt missachtet hatte, nun von der Polizei abgeholt und ins Landgericht gebracht wurde. Sie selbst soll ebenfalls in den Drogenhandel verwickelt sein und verweigert die Aussage. Zwei weitere Zeugen hatten sich kurzfristig krankheitsbedingt abgemeldet.
Weitere Prozesstermine sind für 16. Juni, 2. Juli und 7. Juli anberaumt.