Doch der 28-jährige Halsenbacher hatte schon etwas länger mit dem Gedanken gespielt, eine neue berufliche Herausforderung zu suchen und den Schritt ins Ausland zu wagen.
„Ich arbeite derzeit in meinem Beruf als Lehrer auf nichts Konkretes hin, maximal auf eine höhere Besoldungsstufe“, sagt er. Noch sei er jung, ungebunden und bereit, sich auf das Abenteuer Auslandsschuldienst einzulassen. Bestärkt in seinen Gedanken hat ihn dabei das Buch „Überraschung im Café am Rande der Welt“, das von einem Manager handelt, der tagein, tagaus für seine Arbeit lebt und dann in einem kleinen Café irgendwo im Nirgendwo landet. Dort kommt er mit dem Barkeeper ins Gespräch, der sein Bewusstsein verändert und ihm aufzeigt, dass es im Leben vor allem um eins geht: zu leben. Daraufhin nimmt der Manager sich halbjährliche Auszeiten und konzentriert sich auf die Dinge, die er gut kann.
Angst, irgendwann zu rosten
„Ich glaube, dass es so ist, dass man immer etwas findet, worin man gut ist. Und vielleicht ist der Auslandsschuldienst sogar meine Bestimmung“, so Stoffel. Er selbst sagt zwar von sich, dass er seinen Beruf – aktuell ist er an einem Gymnasium in Rüsselsheim – gern ausübt, dass er aber Angst hat, dass er irgendwann rosten würde, wenn er nicht jetzt, wo er die Möglichkeit dazu hat, ausbricht aus dem normalen Alltag, um etwas Besonderes zu erleben. „Ich glaube, auch eine Bindung hätte daran nichts geändert.“
Als die Idee in seinem Kopf so weit gereift war, begann Stoffel mit den Bewerbungen. Zunächst lag sein Fokus auf Europa. Das erwies sich allerdings als schwierig, weil die Anzahl der Plätze sehr begrenzt und die Nachfrage sehr hoch sei. Für das spanische Valencia erhielt der Chemie- und Geschichtslehrer zwar eine Zusage, hatte aber das Gefühl, „dass das nicht so passt“. Also erweiterte er seinen Suchradius, suchte nach deutschen Schulen, die überhaupt Stellen für seine Fächerkombination ausschrieben.
Vom Gesamtpaket überzeugt
In Sao Paulo wurde er fündig – und war sofort vom Gesamtpaket überzeugt. Die Verantwortlichen vor Ort helfen ihm bei der Wohnungssuche, holen ihn vom Flughafen ab und es gibt eine finanzielle Unterstützung. „Insgesamt habe ich mich da wohler gefühlt, auch wenn man sich in Valencia wirklich um mich bemüht hat“, sagt der 28-Jährige. Ihm ist dabei bewusst, dass die Kriminalitätsrate in der brasilianischen Metropole sehr hoch ist. „Wenn ich natürlich irgendwann merken würde, dass es zu gefährlich wird und ich um mein Leben bangen muss, dann würde ich die Sache irgendwann sicherlich abbrechen.“ Aber davon geht Stoffel erst einmal nicht aus – und hat auch schon erste Kontakte zu künftigen Kollegen geknüpft. Und die gehen ganz offen mit dem Thema Kriminalität um, das in Sao Paulo fast zum Alltag gehört. „Ein zukünftiger Kollege hat mir gesagt: ,Du bist kein richtiger Brasilianer, solange du nicht dreimal mit dem Messer bedroht wurdest'“, berichtet der Halsenbacher.
Mittlerweile sind die Vorbereitungen weitestgehend getroffen. Am 11. Januar startet der Flieger gen Brasilien. Im Gepäck hat der Halsenbacher dann nur das Nötigste: Kleidung und Material, das er für die Schule benötigt. Ob er auch Erinnerungsstücke an die Heimat mitnehmen wird, entscheidet er kurzfristig, tendiert aber eher dazu, diese zu Hause zu lassen, um in schwierigen Momenten, die es – da ist er sich sicher – geben wird, sich nicht zu sehr von der Sehnsucht überwältigen zu lassen. „Was ich garantiert nicht mitnehmen werde, sind deutsche Lebensmittel“, sagt er mit einem Lachen – und schiebt hinterher: „Auch wenn ich das deutsche Brot sicherlich vermissen werde.“ Aber vor Ort möchte er eintauchen in das Leben der Brasilianer, möchte die Kultur und die Menschen kennenlernen, und so viel für sich und sein Leben mitnehmen, wie es möglich ist.
Vertrag läuft zwei Jahre
Zwei Jahre läuft sein Vertrag in Sao Paulo. Er hat an einer deutschen Schule eine volle Stelle, wird eine Klassenleitung übernehmen und sowohl deutsche als auch brasilianische Schüler unterrichten. Aktuell möchte er nicht ausschließen, dass er verlängert, wenn es ihm gefällt, oder dass er vielleicht noch ein anderes Land bereist und dort als Lehrer arbeitet – oder sogar dauerhaft im Ausland bleibt. „Ich halte mir alle Optionen offen“, so Stoffel, der in gleichem Atemzug über sich sagt: „Eigentlich hasse ich Veränderungen.“ Aber wenn er sich in der Vergangenheit getraut habe, einen anderen Weg, als den gewohnten einzuschlagen, habe es sich immer als eine gute Entscheidung erwiesen.
Das sei beispielsweise während seines Referendariats so gewesen, das er, anders als geplant, in Landau absolviert habe. Diese Zeit habe ihn enorm weitergebracht, habe ihm viele tolle Freundschaften beschert und sei im Nachgang absolut richtig gewesen. Ähnliches erhofft er sich auch von seinem Aufenthalt in Brasilien, auch wenn ihm bewusst ist, dass das südamerikanische Land kaum bis gar nicht mit dem beschaulichen Landau zu vergleichen ist.
Wie es werden wird, was auf ihn zukommen wird, wie groß das Heimweh werden wird, das alles vermag er derzeit noch nicht zu sagen. Doch auch das möchte der 28-Jährige einfach auf sich zukommen lassen – und alles mitnehmen, was möglich ist. „Ich möchte später nicht zurückblicken und die Dinge bereuen, die ich nicht getan habe“, sagt er nachdenklich.