Wie die SGD Nord als Obere Naturschutzbehörde auf Nachfrage unserer Zeitung erklärt, werde im Bereich des Dammigbachs oberhalb von Bad Salzig im Rahmen des Projekts „Planung vernetzter Biotopsysteme“ des Landesamtes für Umwelt eine Renaturierung angestrebt. „Das bedeutet unter anderem, dass neue Streuobstbäume gepflanzt werden. Ziel dieser Maßnahmen ist es, den angestammten Lebensraum für Arten wie den Steinkauz, den Wendehals, den Raubwürger, den Neuntöter und zahlreiche weitere Vogelarten, aber auch seltene und geschützte Insektenarten langfristig zu erhalten“, heißt es seitens der SGD.
Wie die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord erklärt, wurde die Maßnahme im Dammigbachtal im Rahmen der „Aktion Grün“ des Klimaministeriums unter Mithilfe der Biotopbetreuung des Landkreises durchgeführt.SGD Nord zum Dammigbachtal bei Bad Salzig: „Ziel ist eine langfristige Erhaltung durch Nutzung“
Da das ursprüngliche „Halb-offen-Landgebiet“ mit entsprechend angepasster Flora und Fauna zwischenzeitlich zugewachsen sei, sei eine sogenannte Entbuschung erforderlich gewesen. Und gerade diese scheint der Stein des Anstoßes einiger Bopparder zu sein.
Ziel soll nicht bewertet werden
„Das Ziel, hier wieder eine offene Streuobstwiesengesellschaft – wie früher in unserer Region üblich – einzuführen, will ich überhaupt nicht bewerten oder infrage stellen“, macht Ulrich Kühl stellvertretend für weitere Bürger deutlich. Die Art und Weise, wie diese Renaturierung nun aber vollzogen wurde, ist für ihn ein ökologisches Desaster. „Hier wurden gesunde und zum Teil große Bäume gefällt, Büsche und Strauchwerk wurden entfernt, alles wurde gemulcht und gefräst, und damit wurde alles vorhandene Leben zerstört“, zählt der Umweltentwickler auf.
Obendrein seien die abgeholzten Stämme und Sträucher aufgeschichtet und erst zu Beginn der Brutzeit abtransportiert worden – auch das ein Desaster insbesondere für die Vogelwelt. „Das sind plötzliche und damit brutale Änderungen des Landschaftstyps, dadurch haben weder Flora noch Fauna Gelegenheit gehabt, sich in irgendeiner Form umzustellen“, kritisiert Kühl. Die Folge sei ein Totalausfall, denn es dauere Jahre, bis sich dort ein neues Ökosystem etabliere. „Die Auswirkungen werden Mensch und Natur zu spüren bekommen“, ist er sicher.
Dabei spielt er insbesondere auf die topografischen Gegebenheiten an. „Hanglagen sind aufgrund der Topografie und Gravitation sehr sensible Standorte“, weiß Kühl. Folge der Entbuschung sei nun etwa die Erosion von Bodenbestandteilen. „Boden wird durch fehlenden Bewuchs abgeschwemmt. Die Energie des auftreffenden Niederschlags schwemmt kleine Bodenteilchen auf, diese verschlammen die Poren, Wasser sammelt sich zu Rinnsalen, erodiert weitere Bodenbestandteile, es folgen größere Rinnsale“, erklärt er.
Somit werde Niederschlagswasser direkt während und nach dem Niederschlagsereignis aus der Region geführt, es sammele sich in Vorflutern, gelange zeitnah mit seiner Bodenfracht in größere Gewässer – also in Rhein und Mosel – aber auch in die Ahr. „Dieses plötzliche Entwässern der Landschaft nennt man im Volksmund Hochwasser“, sagt Kühl.
Zudem verringere der dichtere Bewuchs auch Temperaturschwankungen. Denn je länger der Abtransport des Wassers aus der Landschaft dauere, desto mehr könne an die Atmosphäre abgegeben werden und desto mehr versickere in tiefere Bodenschichten. „Bewuchs sorgt dafür, dass Wasser zeitverzögert in den Boden gelangt oder verdunstet und zurück in die Atmosphäre gelangt“, erklärt der Umweltentwickler.
So zerstöre die mechanische Niederschlagsenergie nicht die oberste Schicht der Bodenoberfläche, und Wasser dringe langsam und kontinuierlich in den Boden ein. „Insgesamt wird so das Aufheizen des Bodens durch Sonneneinstrahlung zusammen mit Beschattung extrem verringert, das regionale Klima wird reguliert und extreme Temperaturschwankungen werden verringert“, ist Kühl sicher.
Bisherige Aufgaben vernichtet
Er fasst zusammen: „Die nun vernichtete Busch- und Baumlandschaft hatte also viele Aufgaben: Klimaschutz durch geringere Temperaturunterschiede, Wasserdampfanreicherung der Atmosphäre, Anreicherung von Grundwasser, Lebensraum vieler Arten von Flora und Fauna“, zählt er auf. Maßnahmen, die die Landschaft schnell entwässern, müssten unbedingt vermieden werden. Zumal sie den Klimazielen entgegenwirkten.
Die Auswirkungen werden Mensch und Natur zu spüren bekommen.
Ulrich Kühl befürchtet durch die Entbuschung negative Folgen etwa bei der Entwicklung von Hochwasser.
Zudem geht der Umweltentwickler noch auf die Abholzung gesunder Erlen entlang des Bachlaufs ein. Denn auch diese Maßnahme stößt bei ihm und seinen Mitstreitern auf Unverständnis. „Für die Bachökologie ist das eine Katastrophe“, attestiert Kühl. Denn gerade Erlen fixierten das Ufer und bildeten einen rauen und stabilen Bachgrund, der kaum erodiere, aber Flora und Fauna Lebensräume biete. „So wird der schnelle Abfluss des Wassers verringert“, erklärt er. Zwar würden die Bäume vermutlich wieder austreiben, über kurz oder lang aber würden sie aufgrund der riesigen Schnittstellen von oben nach unten verfaulen. „Diesen Schaden können diese Bäume nicht mehr reparieren, sie werden eingehen“, ist Kühl sicher.
An Entwicklungsprozesse anpassen
Der Umweltentwickler hofft darauf, dass solche Maßnahmen zukünftig langsam und an Entwicklungsprozesse angepasst durchgeführt werden, damit Flora und Fauna sich auf Änderungen einstellen können. Denn eine bewusste Entwicklung und der Schutz für Flora und Fauna seien dabei möglich. „Wir wollen, dass zukünftige Maßnahmen durch den Umweltausschuss gehen und dass sich weitere Fachleute die Pläne ansehen können“, sagt Kühl.
So ließen sich eventuell andere Ansätze finden, und es könnten andere Bewertungskriterien eine Rolle spielen. „Denn es sollte stets das ganze Ökosystem betrachtet werden – auch im Sinne von Nachhaltigkeit und Hochwasserschutz“, ist er sicher. „Naturschutz bedeutet nicht nur der Erhalt einiger Arten, sondern gesamter komplexer Systeme. Das hilft auch dem Menschen“, so Kühl abschließend.