In diesem Jahr fand die viertägige Veranstaltung in Cottbus statt, und Hamann sicherte sich bei seiner mittlerweile 13. DM zwei erste Plätze und einen zweiten Platz in seiner Altersklasse. Sowohl im Kugelstoßen als auch im Ballweitwurf stand er ganz oben auf dem Treppchen, beim 3000-Meter-Walking wurde er Zweiter. „Das war ganz schön anstrengend, ich habe das zum ersten Mal unter Wettkampfbedingungen gemacht“, sagt er mit einem Lachen. Doch am Ende biss er sich durch und landete weit vorn.
Hamann hat sich in der Vergangenheit schon in ganz unterschiedlichen Disziplinen versucht, dazu zählten unter anderem auch Hochsprung oder Weitsprung. Für insgesamt fünf Wettbewerbe dürfen sich die Teilnehmer anmelden. „Als ich noch jünger war, ist es mir schwergefallen, mich einzuschränken. Aber mit dem Alter kommt das dann automatisch“, so der Bankangestellte. Der hält sich vor allem dadurch fit, dass er täglich – sofern es nicht in Strömen regnet – mit dem Fahrrad von Belgweiler zu seiner Arbeitsstelle nach Simmern fährt. Eine explizite Vorbereitung auf die Meisterschaften findet nicht statt. Zusammen mit seiner Frau sei er zwar immer wieder gewalkt, habe auch eine Kugel zu Hause, aber alles im dosierten Rahmen und wie es die Zeit neben der Arbeit zulasse.
Ohnehin stehe bei den Meisterschaften, die vom Verein Transdia Sport Deutschland organisiert wird, der Austausch mit den anderen Teilnehmern im Vordergrund. 100 waren in Cottbus dabei. Im vergangenen Jahr hatte die Veranstaltung in Simmern stattgefunden, damals noch mit 80 Aktiven und unter den Einflüssen von Corona. „Es wird in jedem Jahr gewechselt, sodass wir allen Regionen gerecht werden“, erzählt der Belgweilerer.
Der war zusammen mit seiner Frau Conni in Cottbus, verbindet die Meisterschaften auch immer mit einer kleinen Urlaubsreise. Aber vor allem das Miteinander der Athleten und auch der Funktionäre begeistert die beiden jedes Jahr aufs Neue. „Da wird der Erstplatzierte genauso euphorisch angefeuert wie der, der als Letzter ins Ziel kommt“, erzählt Conni Hamann.
Höhepunkt des verlängerten Wochenendes sind immer die Leichtathletikwettkämpfe, die in einem großen Stadion stattfinden und zu denen sich auch die Athleten, die sich für andere Disziplinen angemeldet hatten, einfinden, um die Athleten lautstark anzufeuern. Hamann genießt diese besondere Atmosphäre, genießt das Miteinander, das Bewusstmachen der eigenen Situation. Denn alle Teilnehmer tragen entweder ein Spenderorgan in sich oder sind Dialysepatienten.
Ganz am Ende bilden sie auf dem Rasen den sogenannten Circle of Life, nehmen sich an den Händen und bringen die Verbundenheit und die Dankbarkeit gegenüber den Spendern, deren Familien und den Transplantierten mit den Menschen, die ihnen wichtig sind, zum Ausdruck. Deshalb gehen am Schluss alle Hände und Blicke nach oben: zu den Spendern, die sich zu Lebzeiten bereit erklärt hatten, ihre Organe zu spenden und damit anderen todkranken Menschen ein Weiterleben zu ermöglichen.
Dafür weiterhin zu sensibilisieren, das ist Günter Hamann ein wichtiges Anliegen. Dafür geht er immer wieder gern an die Öffentlichkeit. Denn er weiß, dass er nur deswegen lebt, weil ein anderer einen Organspendeausweis bei sich trug. „Auch während der Meisterschaften öffnen wir uns ganz bewusst, freuen uns, wenn Interessierte den Weg ins Stadion finden, mit uns ins Gespräch kommen“, sagt er. In Simmern vor einem Jahr war das leider nicht wirklich möglich. Da war Corona noch Thema, nur Menschen mit einem gültigen Test durften das Stadion betreten. Die Transplantierten und die Dialysepatienten sind in der Regel anfälliger für Krankheiten, müssen sich besonders schützen.
Hamann fühlt sich aber fit. So fit, dass er die Teilnahme an der Europameisterschaft, die kommendes Jahr im portugiesischen Lissabon stattfindet, fest in den Blick genommen hat. Ein Jahr später findet die Weltmeisterschaft in Dresden statt, auch da will der Belgweilerer hin. Bislang war er noch nicht oft bei internationalen Meisterschaften dabei, was auch darin begründet liegt, dass gerade die Weltmeisterschaften oft im nicht europäischen Ausland stattfinden. „Das ist zum einen eine Frage des Geldes, zum anderen auch eine Frage der Infrastruktur“, sagt Hamann.
Einmal war er aber bereits dabei: bei der WM im spanischen Malaga. Und daran haben er und seine Frau noch sehr gute Erinnerungen. An die Wettkämpfe, aber auch an das soziale Miteinander. So gibt es beispielsweise einen internationalen Abend, an dem 2000 Menschen aus ganz unterschiedlichen Nationen teilnehmen – alle in landestypischen Trachten gekleidet. „Das ist eine ganz tolle Veranstaltung“, sagt Conni Hamann, die ihren Mann zu allen Wettkämpfen begleitet und ebenfalls Mitglied im Verein Transdia Sport Deutschland ist.
Der deutsche Verein zählt im internationalen Vergleich zu den kleineren, was auch daran liegt, dass in anderen Ländern die Zahl der Transplantationen deutlich höher ist – weil hier die Widerspruchslösung gibt. Das heißt, wer nicht zum Organspender werden möchte, muss aktiv widersprechen. In Deutschland kann nur der zum Spender werden, der aktiv zustimmt: mit einem Ausweis. Das stimmt Hamann weiterhin traurig. Und deswegen ist ihm Aufklärung auch so wichtig.