Denn sie war sich sicher, dass der Betrieb für die Zukunft sonst nicht gerüstet ist. „Ich brauche einen Meter mehr“, sagte sie. Ob das ihr Ernst sei, habe ihre Architektin sie gefragt. Doch Janine Bolland-Georg blieb dabei und suchte den Kontakt zum Welterbekomitee.
Weitere vier Monaten vergingen, bis Bolland-Georg eine Antwort erhielt – die positiv ausfiel. Die Welterbeschützer gaben ihr Okay, das Hotelprojekt am früheren Filmhaus von „Heimat 3“, das an einer der exponiertesten Stellen im Mittelrheintal gelegen ist, einen Meter höher zu bauen als ursprünglich vorgesehen war. Nun ist noch die Zustimmung des Stadtrats vonnöten, um den vorhabenbezogenen Bebauungsplan ein weiteres Mal zu ändern.
Um ihre neuen Planungen vorzustellen, waren die Auftraggeberin Janine Bolland-Georg und ihre Mutter Elke Bolland gemeinsam mit Bauingenieur Heinz Berres und Architektin Ingrid Müller vom Holzbaubetrieb Ochs aus Kirchberg nach Oberwesel gekommen, wo der Bau- und Planungsausschuss und der Stadtrat kürzlich in einer gemeinsamen Sitzung in der Turnhalle der Grundschule tagten. Ein Jahr zuvor hatten sie schon einmal dort vorgesprochen. Damals hatte Elke Bolland unter anderem erklärt, sie werde nun in die zweite Reihe treten. Künftig soll ihre Tochter das Projekt nach ihren Vorstellungen umsetzen. Familie Bolland betreibt neben dem Günderodehaus noch in Bad Sobernheim das Wellnesshotel BollAnts – Spa im Park und das Papa-Rhein-Hotel in Bingen. Janine Bolland-Georg leitete mehr als 15 Jahre lang das BollAnts. Im Mai 2020 hatte sie die Hoteldirektion abgegeben.
Auf dem Areal um das frühere Haus aus dem Edgar-Reitz-Film „Heimat 3“, das heute als Ausflugslokal betrieben wird, sollen acht kleine Fachwerkhäuser als Übernachtungsmöglichkeiten entstehen. Gestalterisch sollen sich diese an dem kleinen Nebengebäude (Ziegenstall) des Günderodehauses orientieren und so konzeptionell in die Landschaft einfügen. Die Häuser sind mit Fachwerk versehen, das an den äußeren Fronten mit Fensterglas ausgestattet ist. So bieten sie einen direkten Blick auf den Rhein.
Janine Bolland-Georg will die Anlage nach dem Ausbau das ganze Jahr über bewirtschaften. Dafür ist ein Küchenanbau zwischen Günderodehaus und Neubau vorgesehen. Außerdem ist ein „Infinity-Pool“ im Außenbereich geplant. „Es ist kein einfaches Projekt, das man einfach so auf die grüne Wiese stellt“, sagte Bolland-Georg bei der Präsentation vor dem Bauausschuss und Stadtrat. Bei den Verzögerungen habe auch Corona eine Rolle gespielt. Denn im Zuge der Planungen hatte sie sich vorgenommen, viele weitere Hotels zu besuchen und anzuschauen. „Das ging über viele Monate nicht“, sagte Janine Bolland-Georg.
Auch hatte sie im Vorfeld eine Nacht im Camper auf dem Gelände am Günderodehaus verbracht, um zu hören, wie laut es dort nachts zugeht. „Die Bahn ist ein ganz hoher Lärmfaktor“, fasste sie zusammen. Ihr Fazit lautete: „Wir brauchen Schallschutz bei den Fenstern, und wir brauchen eine Lüftungsanlage.“ Denn das werde heute von den Gästen erwartet. Außerdem fehlten in der Hotellerie bereits heute 130.000 sozialversicherungspflichtige Mitarbeiter, und man müsse etwas tun, um Mitarbeiter für sich zu gewinnen und zu begeistern.
Für den Einbau einer Lüftungsanlage aber waren die Zimmerdecken nicht hoch genug geplant. „Die Küche wäre 2,10 Meter hoch gewesen im Hauptkochbereich, was überhaupt nicht geht“, so die Architektin Ingrid Müller. Die Raumhöhe der Zimmer ein Geschoss höher betrug 2,40 Meter, und die Zimmer unter dem First waren mit 1,80 Meter geplant. „Keine Chance, noch eine abgehängte Decke unterzubringen für die Lüftung“, fasst die Architektin zusammen.
Der jetzt gewonnene Meter wurde auf die Geschosse aufgeteilt. Der Anbau hat nun eine Gesamthöhe von 9,20 Meter und wird das Günderode-Filmhaus (8,94 Meter) um 26 Zentimeter leicht überragen. „Ich glaube, dass man diesen zusätzlichen Meter gar nicht wahrnimmt“, warb Janine Bolland-Georg für ihr Vorhaben. „Wir werden das mit sehr, sehr viel Fingerspitzengefühl machen.“
Neben der Höhe ist in dem neuen Entwurf auch ein weiterer Eingang von der Parkplatzseite hinzugekommen. „Dies war uns wichtig für eine komfortable Anreise der Gäste, die nun zum Ausladen bis vor das Gebäude fahren können“, sagt Janine Bolland-Georg. Nach nur wenigen Schritten erreichen die Gäste dann die Empore, die auch die Zimmer in der ersten Etage miteinander verbindet und den Blick in die Hotellobby freigibt. „Auf kleinem Raum, aber dennoch großzügig in der Gestaltung ist dabei unser Anspruch für unser Herzensprojekt an diesem wunderbaren Ort“, betont Janine Bolland-Georg.
Eine Entscheidung fiel letztlich in den Gremien noch nicht. Denn auch die Parkplatzsituation soll geändert, und eine weitere Parzelle mit in den Plan aufgenommen werden. Damit ist kein vereinfachtes Verfahren mehr möglich, da sich der Geltungsbereich des Bebauungsplans damit ändert. Auch der Erbbaurechtsvertrag muss noch in den Gremien besprochen werden. Geplant ist, nun alles zusammenzutragen und in einem Rutsch zu verabschieden.
Auch wenn die finale Entscheidung noch aussteht, bat die Investorin die Ausschussmitglieder und den Stadtrat um ein erstes Meinungsbild. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Jan Zimmer hakte nach: „Falls der zusätzliche Meter nicht genehmigt werden würde, würden sie das Projekt ...“ – er kam gar nicht dazu, den Satz zu vollenden. „... nicht bauen“, führte Janine Bolland-Georg seine Aussage sofort zu einem Ende. Denn ohne Lüftungsanlage habe ein Hotelprojekt heute keine Chance.
Grundsätzlich gebe es keine Bedenken seitens des Stadtrats, gab Stadtbürgermeister Marius Stiehl der Investorin schließlich mit auf den weiteren Weg. Nach wie vor werde die Stadt das Projekt mit allen Kräften unterstützen – aber es dürfe jetzt natürlich nicht noch zig weitere Änderungen geben.