Friedrich der Große holte die seinerzeit in ganz Europa erfolgreich gespielte Oper des Neapolitaners Scarlatti – mutmaßlich ein Enkel Alessandro Scarlattis – zunächst nach Berlin in sein Opernhaus „Unter den Linden“ und ließ sie 1768 in seinem nagelneuen Schlosstheater des Neuen Palais gleich wiederaufnehmen.
Werk erlebt Wiederauferstehung
Am selben Ort erlebte das Werk als Produktion der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci 2022 – aufgespürt von Dramaturg Peter Reichelt und dank der Forschungsarbeit und kritischen Edition des römischen Musikwissenschaftlers Francesco Russo mit dem Ensemble 1700 unter der künstlerischen Leitung Oberlingers – seine Wiederauferstehung. Der Mitschnitt der internatonal hochgelobten Produktion war eine Weltersteinspielung, die nun den Opus Klassik als „Operneinspielung des Jahres“ 2024 erhält. Zuvor war 2021 bereits die Ensemble-1700-Operneinspielung „Polifemo“ als Weltersteinspielung des Jahres ausgezeichnet worden.
Das hochkarätige Libretto Carlo Goldonis beschäftigt sich mit der Natur des Menschen im Spannungsfeld gesellschaftlicher Konventionen, ähnlich dem Gedankenexperiment in Jean-Jaques Rousseaus Roman „Émile“. Goldoni steigt mit einer Art Kaspar-Hauser-Geschichte ein: Aus totaler Isolation stolpert der rechtmäßige, seit seiner Kindheit gefangen gehaltene König von Mallorca, Celidoro, plötzlich in die Freiheit. Alles ist ihm neu: Die Welt, die Menschen, die verwirrende Gegenwart der Frauen, und ständig kollidieren seine Naturinstinkte mit rätselhaften Regeln. Wie er durchs Dickicht der Macht- und Liebesspiele seinen Platz in der Gesellschaft findet, führt die 1752 in Venedig uraufgeführte leichtfüßige Oper aufs Amüsanteste vor.
Rupert Charlesworth (Celidoro) in der Hauptrolle, Filippo Mineccia (Ruggiero) und Roberta Mameli (Lisaura), Shooting-Stars Benedetta Mazzucato (Cetronella), Maria Ladurner (Ruspolina), Niccolò Porcedda (Poponcino) und Dana Marbach (Dorina) sowie Buffobass João Fernandes (Calimone) versprühen komödiantischen Esprit, melodischen Schmelz, Koloraturgeglitzer, zelebrieren lebhafte Ensembleszenen und große Chortableaus. Tonmeister war Philipp Reiff.
Schnittig-galante Opernkomödienfahrt
Dorothee Oberlinger und das von ihr 2002 gegründete Ensemble 1700, für Giovanni Battistas „Polifemo“ 2021 mit einem Opus Klassik geehrt, sind bei Giuseppe Scarlattis Meisterwerk ganz in „schnittig-galanter Opernkomödienfahrt“ (Manuel Brug) unterwegs. Unter Oberlingers Dirigat zeigt sich das Ensemble 1700 einmal mehr als kongenialer Klangkörper, der Puls und Esprit der Zeit affektreich zu transportieren weiß. Die Blockflötistin und Dirigentin ist seit 2019 Intendantin der Potsdamer Musikfestspiele und Professorin an der Universität Mozarteum. Als Spezialistin für das barocke Repertoire widmet sich die dreifache Echo-Klassik-Preisträgerin in Konzerten, Einspielungen und Opernaufführungen insbesondere der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts. red