Die Teilnehmerzahl war auf 60 Personen begrenzt. Auch sonst war vieles neu: Mindestabstände mussten eingehalten werden, die Redner mussten sich auf der Bühne die Hände desinfizieren, auch das Weinfest konnte nicht in seiner gewohnten Form stattfinden und wurde zum Weinherbst umgestaltet, bei dem die Winzer ihre Höfe öffneten.
Das Neuland, das Boppard dann am Sonntagvormittag mit der ersten digitalen Weinprobe betrat, hatte dafür viel Positives zu bieten: Denn für alle, die nicht am Ort sein konnten, wurde die Veranstaltung im Internet über YouTube und Facebook live übertragen, die Weinpakete mit je sieben Weinen für die Probe konnten vorab nach Hause bestellt werden. Rund 225 Menschen sahen sich zu Spitzenzeiten die Veranstaltung über YouTube an, tranken mit und kommentierten Weine und Veranstaltung nahezu durchweg positiv.
Gekonnt führte SWR3-Moderator Josh Kochhann, der selbst aus Boppard stammt, die Gäste durch die Probe. Mark und Oliver Kuppek und das Bopparder Saxofonquartett Quattroforte sorgten für kurzweilige musikalische Unterhaltung. Die Zuschauer an den digitalen Endgeräten dürften nicht nur aus der näheren Umgebung gestammt haben, denn Weinpakete wurden vorab aus ganz Deutschland geordert, unter anderem aus Bayern, aus dem Münsterland, aus Leipzig, Hamburg, Düsseldorf, Remscheid, Paderborn, Bochum oder Duisburg. Einige Pakete gingen auch von Boppard in die Niederlande und nach England.
„Ich freue mich, dass so viele Leute am Livestream sind, die unsere digitale Weinprobe mitverfolgen“, betonte Boppards Bürgermeister Walter Bersch, als er die Gäste im Saal begrüßte, darunter die Bopparder Winzer und Ehrenwinzer, Stadträte, Ortsvorsteher, Weinmajestäten, die Ministerpräsidentin mit ihrem Ehemann, der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz, der frühere Landrat des Rhein-Hunsrück-Kreises, Bertram Fleck, und der Europaabgeordnete Norbert Neuser. „Feierlich und unwiderruflich“ ernannte Boppards Bürgermeister Malu Dreyer zur Ehrenwinzerin und überreichte ihr Urkunde nebst Foto eines bepflanzten Rebstocks mit dem Wunsch, dass sie eine „eifrige und leistungsfähige Botschafterin der Weine des Bopparder Hamms“ werden möge. Als Ehrenwinzerin ist Dreyer nun Miteigentümerin eines Quadratmeters Rebfläche im Bopparder Hamm und erhält jährlich zum Weinfest drei Flaschen Wein.
Elisabeth Ries vom Weingut Königshof überreichte als Patenwinzerin die ersten drei Weinflaschen und zwei Schiefersteine am Band mit dem Hinweis, Dreyer möge diese tragen, wenn es ihr nicht so gut gehe. Der Schieferstein werde immer schwerer und schwerer, je länger man ihn um den Hals trage. „Wenn Sie ihn ausziehen, fühlen Sie sich befreit. Eine Art Medizin“, versprach sie mit einem Augenzwinkern. „Die Geschenke sind sehr liebevoll“, bedankte sich Dreyer. Sie sei sich zwar noch nicht ganz sicher, ob sie diese Steine öffentlich tragen werde, denn dann denke jeder, der Ministerpräsidentin gehe es nicht gut. „Aber ich werde sie am Herzen tragen“, versprach sie.
Dreyer lobte in ihrer Ansprache das Organisationsteam des Weinfests, das aus der schwierigen Corona-Situation das Beste gemacht habe. Sie sei sehr stolz auf die rheinland-pfälzischen Winzer, von denen viele bereits auf Onlineweinproben umgestiegen seien. „Dass Sie die große Weinprobe jetzt auch unter Onlinebedingungen machen, spricht wirklich für die Kreativität hier vor Ort“, fand Dreyer positive Worte für das Bopparder Engagement.
Auch der neue Bopparder Weinherbst stehe für einen tollen Umgang mit der Corona-Krise. Zeitlich und örtlich entzerrt, könnten nun doch viele Einheimische und Touristen am vierwöchigen Weinherbst teilhaben und Bopparder Wein genießen. „Sie haben hier die wunderbarste Lage der Lagen und ganz herausragende Winzer und Winzerinnen“, betonte Dreyer und hob das Engagement der Frauen hervor. Deshalb freue es sie auch umso mehr, dass Elisabeth Ries ihre Patenwinzerin sei. Schon heute mache sie keine Reise mehr ohne rheinland-pfälzischen Wein im Gepäck. „Jetzt wird auf jeden Fall auch immer ein Wein aus Boppard dabei sein“, versprach Dreyer.
Mit vielen Winzern im Land habe sie in den vergangenen Wochen gesprochen. „Vor allem diejenigen, die in der Direktvermarktung sind, sagen, sie hätten eigentlich eine sehr gute Zeit hinter sich, sie hätten sehr gut bestehen können“, betonte sie. Eine gute Nachricht sei auch, dass die Deutschen während der Corona-Zeit mehr Wein getrunken hätten – wovon ein Großteil hoffentlich aus Rheinland-Pfalz stamme.
Die teilnehmenden Bopparder Weingüter Michael Schneider, Rolf Bach, Toni Lorenz, Königshof, Heilig Grab, Walter Perll und August Perll präsentierten zur Probe ihre Weine, dazu den ein oder anderen Schwank, aber auch kritische Töne klangen an, wie etwa die Sorgen, die der Klimawandel den heimischen Winzern bereitet. Ein Wiedersehen mit der neuen Ehrenwinzerin soll es spätestens im kommenden Jahr geben, wenn die Stadt Boppard vom 9. bis zum 11. Juli den Rheinland-Pfalz-Tag ausrichtet. „Wir wissen heute noch nicht genau, wie er stattfinden kann. Aber ich bin mir sicher, dass Stadt und Land mit allen Partnern auch mit angepassten Konzepten ein tolles Landesfest vorbereiten werden“, so Malu Dreyer.