Wie lange habt ihr an eurem Debütalbum „Zweifel“ gearbeitet? Welche Zweifel hattet ihr selbst im Entstehungsprozess zu bewältigen?
Jojo: Wir haben circa zwei Jahre daran gearbeitet. Es war eine anstrengende, intensive, aber rückblickend auch eine tolle gemeinsame Zeit, in der wir anfangs viel ausprobiert und für uns Neues gemacht haben, bis es irgendwann immer definierter wurde und wir schließlich wussten, wo es hingeht. In der Songwriting-Phase haben wir uns tagelang alleine, aber auch mit unserem Freund und Produzenten Beray Habip im Proberaum eingeschlossen und an den Songs gearbeitet. Wenn man sich so intensiv mit der Musik, die man selbst macht, beschäftigt, stößt man unweigerlich an seine Grenzen. Man verliert den Abstand, den es braucht und oft auch den Überblick – da hilft es extrem, einen guten Lotsen wie Beray zu haben, der noch mal mit einem anderen Auge auf die Dinge blickt.
Ihr präsentiert mit dem Album keine leichte Kost. Vielmehr widmet ihr euch Themen, wie dem Alleinsein, Depression, dem Umgang mit Ängsten und Zweifeln und dem Tod. Was gab den Anlass?
Luca: Unsere Texte erzählen die Geschichten, die uns – und besonders unseren Sänger und Rapper Jojo – persönlich im Alltag viel beschäftigen. Es geht, wie der Albumtitel schon sagt, viel um das Zweifeln. Die Songs handeln von Depressionen und Ängsten sowie dem Umgang damit, was auch heute immer noch ein großes Tabuthema ist. Das geschieht manchmal auf ernste, emotionale und manchmal auch auf hoffnungsvolle und zuversichtliche Weise – mit einem lächelnden Auge. Die Texte erzählen davon, wie wir die Welt wahrnehmen. Auch mal mit dem Finger auf der Gesellschaft, der aber auch immer auf uns zeigt – als Teil dieser Gesellschaft. Manchmal sind unsere Geschichten auch persönlich und intim, erzählen etwa vom Lieben oder vom Sterben und dem damit verbundenen Abschied wie in unserem Song „Schlaflied“. Und zu diesem Thema hat Jojo, der als Altenpfleger arbeitet, noch mal eine ganz besondere Verbindung.
Ihr seid eine junge und aufstrebende Band, mitten im Lockdown erscheint euer Album. Es gibt derzeit keine Livekonzerte oder Promotouren. Was bedeutet das für euch?
Jojo: Das vergangene Jahr war für uns kein leichtes Jahr. Angefangen mit unserem Namenswechsel, denn aus Indianageflüster wurde Sperling. Es war keine leichte Aufgabe, einen Bandnamen abzulegen, den wir schon so lange mit uns tragen und der in Fleisch und Blut übergegangen ist. Aber wir sind sehr froh, dass wir es gemacht haben!
Luca: 2020 sind außerdem zahlreiche Auftritte ins Wasser gefallen, und viele geplante Aktionen mussten auf unbestimmte Zeit verschoben oder ganz abgesagt werden. Unser ganzer Release hat sich um fast ein ganzes Jahr verschoben, und somit natürlich unser gesamter Zeitplan. Was uns wirklich am schwersten fiel, war auf die Auftritte verzichten zu müssen. Wir als Musiker lieben nichts mehr als draußen vor Leuten unsere Musik zu spielen und mit unserem Publikum und unserer Crew eine gute Zeit zu haben, sich danach noch auszutauschen und auch andere Bands anzuhören. So etwas lässt sich auch durch Livestreams leider nicht ganz ersetzen – auch wenn es natürlich eine gute Alternative war, um wenigstens irgendetwas spielen zu können.
„Die meisten Vögel ziehen über den Winter in wärmere Gefilde. Der Sperling jedoch bleibt und harrt aus, bis es wieder wärmer wird“ – sagt ihr selbst über euern neuen Bandnamen. In welcher Situation ist dieser Bandname entstanden?
Luca: Der Name Sperling war tatsächlich der erste Name, der im Raum stand, als wir uns im Frühjahr wieder einen Namen geben wollten. Er gefiel uns allen gut – auch wenn wir danach noch viele weitere Vorschläge hatten, sind wir immer wieder zu Sperling zurückgekehrt. Wir finden das Bild schön, dass ein Singvogel mit viel Abstand zu uns Menschen in der Luft schwebt und uns zusieht. Das Gefühl haben wir oft bei unseren Texten. Es ist eine Art Abstand nehmen von uns selbst, in einer Art Vogelperspektive auf unsere Zweifel und unsere Sorgen zu blicken. Auf der anderen Seite gibt es den Sperling überall da, wo sich Menschen niederlassen. Er bleibt in Menschennähe und harrt aus, obwohl es im Winter kalt wird. Das fanden wir ein sehr schönes und passendes Bild für uns und unsere Musik.
Was zeichnet euer Debütalbum aus?
Luca: Unser Album „Zweifel“ verbindet Rapmusik mit Indie- und Post-Hardcore-Elementen sowie einem Cello, was eine eher ungewöhnliche Kombination ist. Der Sound ist eher Lo-Fi gehalten statt hoch poliert, Gitarrenwände prallen auf Cellomelodien, ergänzen sich oder wechseln sich ab. Und über all dem vielen Klang steht die aufrauende Stimme von Jojo, die persönliche Geschichten erzählt vom Alleinsein, von Angst, Zweifeln und der Überwindung dieser Sorgen, aus der Hoffnung und Mut entsteht. Es ist auch ein Stück weit ein Weckruf: Werdet laut, schweigt Probleme nicht tot und passt aufeinander auf.
Eure Musik ist sehr vielschichtig: Beschreibt doch einmal in wenigen Sätzen, was eure Musik ausmacht und warum.
Jojo: Wenn wir über unseren Albumsound reden und vergleichbare Beispiele nennen, dann würden wir ihn als eine Art Mischung aus Casper-ähnlichem Sprechgesang gepaart mit Fjørt-mäßigen Post-Hardcore-Wänden beschreiben. Wir stehen auf viel Wärme und Breite in unserem Sound, außerdem lieben wir den Reverb und den hölzernen Klang des Cellos. Es ist zwar nicht so, dass wir uns vorgenommen haben, wie jemand Bestimmtes zu klingen – es ist unser ganz eigener Stil in Kombination mit dem Cello, der unseren Sound ausmacht, – aber trotzdem sind wir natürlich alle von unseren eigenen Lieblingskünstlern inspiriert worden, was man dann auch unterbewusst mit in den Proberaum bringt.
Welche Träume und Ziele habt ihr für die Zukunft?
Jojo: Wir wollen mit unserer Musik Menschen berühren, die das fühlen, was wir in unseren Texten beschreiben. Wir wollen für sie ein Sicherheitsnetz erzeugen und ihnen zeigen, dass sie mit ihrem inneren Druck und ihren Zweifeln nicht alleine sind. Außerdem hoffen wir natürlich sehr, dass man bald endlich wieder live spielen kann – wie wir es gewohnt sind. Auch für unsere gesamte Branche hoffen wir das Beste! Gerade denen, die so viel bei dieser Pandemie verloren haben, wünschen wir ein erfolgreicheres Jahr. Wir hoffen, dass die Menschen zusammenhalten und aufeinander aufpassen, um diese Zeit endlich hinter uns zu bringen und irgendwann wieder normal leben zu können.
Was bedeutet euch eure Heimat im Hunsrück, und wie viel Hunsrück ist in „Zweifel“ zu finden?
Luca: Der Hunsrück bedeutet uns sehr viel. Das meiste, was wir alltäglich erleben, passiert hier, deshalb steckt auch in jeder Geschichte ein Stück unserer Heimat drin. Auch wenn wir zwischenzeitlich schon wegen Studium und Ausbildung woanders leben oder gelebt haben, ist der Hunsrück immer eine Art Basis, zu der wir wieder zurückkehren und nie weit entfernt sind. Unser Proberaum befindet sich auf dem Bärenhof in Emmelshausen – er ist immer der Start- und Endpunkt, wenn wir mit der Band unterwegs sind. All unsere Songs entstehen hier zu Hause, und während unserer Albumproduktion haben wir Teile des Albums nicht nur im Studio, sondern auch in unserem Proberaum aufgenommen.
Die ländliche und ruhige Umgebung, die Wiesen und Wälder, das intensive Zusammensein und die gemeinsamen abendlichen Gespräche sind die Einflüsse, die sich in den ruhigen Momenten von „Zweifel“ wiederfinden. So haben etwa Jojo und Malte ganz spontan abends den Song „Schlaflied“ – der letzte Song unseres Albums – aufgenommen, der es somit unerwartet aufs Album geschafft hat. So etwas geht, glauben wir, nirgendwo sonst so gut wie hier.
Das Gespräch führte Denise Bergfeld