Ingrid und Hans-Wilhelm Schäfer leben seit 1974 in ihrem Haus in der Aussiedlung Forsthaus in Damscheid. Seit vergangenem Jahr setzen sie sich rechtlich mit der Rhein-Hunsrück-Entsorgung (RHE) auseinander. Für kommende Woche ist eine Verhandlung am Verwaltungsgericht Koblenz angesetzt. Der Grund: Die RHE fährt die Häuser in der Aussiedlung seit Mitte 2024 nicht mehr an. Die Schäfers, beide sind 84 Jahre alt, und ihre Nachbarn müssen seitdem ihren Müll zu Containern an einem Sammelplatz am Ortseingang bringen.
Die Zufahrt zu den idyllisch zwischen Wald, Feldern und Wiesen gelegenen Häusern besteht aus zwei Streifen aus Betonplatten. Der Entsorgungsbetrieb begründet seine Entscheidung damit, die in den Vorschriften der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) festgehaltene Mindestbreite sei auf dem Weg nicht gegeben, zudem fehle es an Ausweichmöglichkeiten und einer Wendemöglichkeit. Hans-Wilhelm Schäfer kann die Begründung nicht nachvollziehen und will sie auch nicht akzeptieren. „Was 50 Jahre lang funktioniert hat, soll jetzt nicht mehr funktionieren?“ Bei einem Ortstermin mit der RHE, Ortsbürgermeister Peter Kuhn und dem Revierförster habe man sich Zufahrt und Wendeplatz angeschaut.
Die Meinungen gehen auseinander. So sieht Schäfer die erforderliche Fahrbahnbreite durchaus gegeben. Die Betonplatten liegen seiner Erläuterung nach in einem Schotterbett, das in der Breite über die Platten hinausgeht und eine befahrbare Fläche darstelle. Eine Wendemöglichkeit gebe es im Wald, die Ortsgemeinde habe sich bereit erklärt, diese freizuhalten. Begegnungsverkehr finde kaum statt, die Anwohner der fünf Häuser würden den RHE-Fahrzeugen im Zweifelsfall gerne ausweichen. Schäfer sieht dafür auf der Strecke auch ausreichend Möglichkeiten zu.
Vor allem fühlen sich die Schäfers jedoch ungerecht behandelt, weil sie in der näheren Umgebung an mehreren Straßen ähnliche oder sogar noch schlechtere Bedingungen für die Müllabfuhr gegeben sehen – dort werden die Tonnen aber weiterhin am Haus abgeholt. „Wir müssen den Müll zwei Kilometer bis ins Dorf bringen. Hat dabei unser Alter gar keine Rolle gespielt?“, fragt sich Ingrid Schäfer. Sie darf wegen eines Rückenleidens eigentlich nichts heben. Den Abfall in die Container zu geben, bereitet ihr sichtlich Schwierigkeiten. Auch ihrem Mann falle es schwer, er habe sich in seinem Berufsleben als Radio- und Fernsehtechniker den Rücken kaputtgemacht. „In einer Demokratie sollten alle Bürger gleich behandelt werden. Mehr will ich gar nicht“, sagt Hans-Wilhelm Schäfer.
Er hätte sich gewünscht, dass sich das Verwaltungsgericht Koblenz bei einem Ortstermin ein Bild macht, gerne hätte er dann auch auf einer Rundfahrt zum Vergleich die anderen Straßen etwa in St. Goar oder einem Ortsteil von Oberwesel gezeigt, die er für kritisch hält. Für einen Ortstermin sehe die zuständige Kammer derzeit keinen Anlass, teilt Lisa Harz, Richterin am Verwaltungsgericht und Pressesprecherin, auf unsere Anfrage mit.
Der Verhandlung am Verwaltungsgericht will Thomas Lorenz, Vorstand der RHE, im Gespräch mit unserer Zeitung nicht vorgreifen, erläutert aber, wie es zu der Entscheidung kam, die Aussiedlung in Damscheid nicht mehr anzufahren. Ein Anlass, sich konkret die Zufahrt zum Haus der Schäfers und ihrer Nachbarn anzuschauen, sei ein Vorfall im Frühjahr 2024 gewesen, bei dem der Lastwagen der RHE von der Straße gerutscht sei, berichtet Lorenz. Man habe ihn nicht mit einem eigenen Fahrzeug rausziehen können, ein Mobilkran musste bestellt werden, um das 26-Tonnen-Fahrzeug zu bergen. Davon abgesehen führe man aus Gründen der Arbeitssicherheit permanent sogenannte Gefährdungsbeurteilungen durch, um zu gewährleisten, dass auch die versicherungsrechtlichen Vorschriften eingehalten werden. „Die Straße ist einfach nicht breit genug“, sagt Lorenz. Letztlich müsse man die Verantwortung dafür übernehmen, wenn etwas passieren sollte.
Etliche Straßen im Rhein-Hunsrück-Kreis können nicht sicher angefahren werden
Es gebe im Rhein-Hunsrück-Kreis etliche Stellen, die man nicht sicher anfahren könne. Lorenz spricht von einer Größenordnung von 50 Straßen. Man könne die einzelnen örtlichen Begebenheiten jedoch nicht eins zu eins miteinander vergleichen, müsse jede einzeln betrachten. „In der Regel sehen das die Anwohner auch ein und man kann das Problem vernünftig mit einem Sammelplatz lösen.“ Letztlich sei das auch von der eigenen Satzung so geregelt.
Die Klage der Familie Schäfer und eine weitere Klage werden am Donnerstag, 24. April, ab 9 Uhr im Sitzungssaal A021 am Verwaltungsgericht Koblenz verhandelt.