Mal eben das Auto abgestellt, für ein paar Minuten zur Post oder in die Tankstelle – und dann 140 Euro Strafe wegen Falschparkens bezahlen müssen: So erging es zuletzt vielen Menschen in Rheinböllen, die auf dem ehemaligen Parkplatz des Bürogeschäfts Haase in der Bahnhofsstraße geparkt haben. Seit einigen Wochen vermietet der neue Pächter das Grundstück an Snack Smart, eine Firma, die dort drei Automaten aufgestellt hat. Der Eigentümer lässt das Areal überwachen und fordert die Geldbeträge, sofern parkende Kunden nichts am Snackautomaten gekauft haben. Der Ärger im Ort ist groß. Die Sichtweise der Verantwortlichen ist derweil eine ganz andere.
„Unverschämte Abzocke... 140 Euro für nicht einmal zwei Minuten Parken.“
Jasmin Enderle äußert ihren Unmut in den Sozialen Netzwerken.
„Unverschämte Abzocke... 140 Euro für nicht einmal zwei Minuten Parken“, schildert Jasmin Enderle in den Sozialen Netzwerken ihre Erfahrung. „Ich kann es einfach nicht fassen!“ Viele Nutzer stimmen ihr zu. „Am besten den Parkplatz und den Snackautomaten boykottieren“, rät Daniel Müller, und Ulrich Hoppe nimmt kein Blatt vor den Mund: „Da sollte man nichts kaufen.“
Ein betroffener Rheinböllener berichtet im Gespräch mit unserer Zeitung: „Man parkt hier ganz normal wie seit Jahrzehnten. Ich gehe zur Post und denk mir nichts weiter. Später höre ich: Es gibt drakonische Parkgebühren.“ Auch er selbst erhält einige Wochen später eine Zahlungsaufforderung. „Ich habe mich geärgert.“ Er sei in Kontakt mit einem befreundeten Anwalt. „Ich habe das Geld noch nicht bezahlt, aber ich glaube, ich mache es. Bei einer Rechtsberatung lege ich drauf“, rechnet der Rheinböllener vor.

Bürgermeisterin Bernadette Jourdant hatte die Bürger bereits auf den Besitzerwechsel und die Strafzahlungen aufmerksam gemacht. Im Gespräch mit unserer Zeitung findet sie klare Worte: „Für mich ist das Abzocke.“ Die Hinweisschilder fielen nicht ins Auge, zudem kämen die Mahnschreiben erst Wochen später. „Es ist sehr ärgerlich“, sagt die Bürgermeisterin.
Der Stadt seien allerdings die Hände gebunden. „Tätig werden kann man nicht, weil es Privatrecht ist, das hier verletzt wird. Deswegen halten wir uns ein Stück weit zurück.“ Allerdings habe sie Kontakt mit der Verbandsgemeinde Simmern-Rheinböllen und dem Ordnungsamt aufgenommen. Auch der Landesbeauftragte für Datenschutz sei eingeschaltet worden.
Kamera filmt auch gegenüberliegendes Wohnhaus
Denn: Im Bildausschnitt der Überwachungskameras ist nicht nur der Parkplatz, sondern auch das gegenüberliegende Wohnhaus zu sehen. „Das ist sehr kritisch zu bewerten, das verstößt eindeutig gegen die Datenschutzgrundverordnung“, ordnet Jourdant ein und rät Betroffenen, zunächst ein Foto der Videokamera anzufordern und – wenn möglich – einen Anwalt einzuschalten. „Wenn man zahlt, ist das ein Schuldeingeständnis“, sagt Jourdant.
Auch Matthias Josef Haase, Geschäftsführer des benachbarten Bürogeschäfts und ehemaliger Besitzer der Parkfläche, distanziert sich von dem neuen Betrieb: „Wir möchten euch darüber informieren, dass der Parkplatz auf dem Nachbargrundstück nicht mehr zu uns gehört und leider vermehrt Strafzettel in Höhe von bis zu 150 Euro verteilt werden“, warnt er etwa seine Kunden im Internet. Denn nicht selten schlagen die Betroffenen an seiner Theke auf und beschweren sich über die vergleichsweise hohen Zahlungsforderungen. Inzwischen steht ein großes Warnschild auf seinem Parkplatz.

„Um Ärger zu vermeiden, bitten wir euch dringend, nur auf den Parkplätzen bei der Bahnhofstraße 35 zu parken“, schreibt Haase weiter und verspricht, zusätzliche Parkflächen zu schaffen. Im Gespräch mit unserer Zeitung hält sich der Unternehmer jedoch zurück: „Ich habe selbst nie so eine Rechnung bekommen, ich bin da gar nicht so involviert.“
Ein Mahnschreiben, das unserer Zeitung vorliegt, setzt den Gesamtbetrag von 141,40 Euro folgendermaßen zusammen: erhöhtes Parkentgelt (50 Euro), Halterermittlungskosten Amt (10,40 Euro), Einigungskosten (67,50 Euro) sowie Pauschale für Post und Telekommunikation (13,50 Euro). Für die Zahlung ist eine Zwei-Wochen-Frist angesetzt.

Und was sagen die Verantwortlichen? Auf Anfrage unserer Zeitung war der Eigentümer nicht zu sprechen, aber ein Mitarbeiter der Firma Snack Smart, der anonym bleiben möchte. Seinen Worten zufolge hat der Eigentümer das Areal an die Kette vermietet, die demnach demnächst auch das dazugehörige Teilgebäude mehr nutzen will.
Lkws nutzen Parkfläche zum Entladen
Daran werde man allerdings gehindert, weil die Parkplätze oft besetzt seien, schildert der Mitarbeiter. Demnach hätten die Lkws mit neuen Lieferungen schlicht keinen Platz zum Entladen. „Es gibt keine andere Möglichkeit, das Gebäude anzuliefern.“ Das müsse der Vermieter allerdings garantieren. „Er hat es acht Wochen so probiert, aber das hat nichts gebracht.“
„Das Knöllchen kommt vom Eigentümer, nicht von Snack Smart.“
Ein Mitarbeiter von Snack Smart
Deshalb habe er ein Inkassobüro beauftragt, um die Mahnschreiben an Falschparker zu versenden. „Das Knöllchen kommt vom Eigentümer, nicht von Snack Smart“, betont der Mitarbeiter der Kette, der von „100 bis 200 Falschparkern pro Tag“ spricht. Davon, so seine Schilderung weiter, bekommt aber bei Weitem nicht jeder ein Knöllchen, stattdessen würden die Aufzeichnungen der Kameras eher stichprobenartig geprüft.

Und der Kameraausschnitt? „Der ist rechtlich einwandfrei“, ist der Mann von Snack Smart überzeugt. „Das Gelände muss aus versicherungstechnischen Gründen überwacht werden“, und das sei anders nicht möglich; dafür gebe es eine Ausnahmeregelung, behauptet er. Zwar seien Straße und das gegenüberliegende Wohnhaus zu sehen, allerdings nur unscharf, wie er sagt. Außerdem lösten die Kameras nur aus, wenn jemand auf den Parkplatz fährt, und filmten nicht durchgängig, schildert der Mitarbeiter und verspricht: „Wenn jemand ein Snickers kauft und dann fünf Stunden stehen bleibt, kriegt der kein Knöllchen.“
„Wenn jemand ein Snickers kauft und dann fünf Stunden stehen bleibt, kriegt der kein Knöllchen.“
Ein Mitarbeiter von Snack Smart
Der Unmut der betroffenen Rheinböller ist trotzdem groß. „Es geht nicht nur um den Betrag – es geht um die Ungerechtigkeit“, meint Jasmin Enderle in ihrem Beitrag. „Wenn wir als Kunden so behandelt werden, egal ob wir zum Haase oder gerade in die Tankstelle nebenan wollten, läuft etwas gewaltig schief!“