Martin und Thomas Philipps vom Weingut Philipps-Mühle in St. Goar sind seit einem guten Jahr in der Umstellung zum ökologischen Weinbaubetrieb (Ecovin) und können den EU-Entwurf aus der Sicht konventioneller wie ökologischer Winzer beurteilen. Die Umstellung zum Biobetrieb laufe weitgehend problemlos, sagt Martin Philipps. In Sachen Pflanzenschutz erprobe man, was am besten funktioniert.
Und im Unterstockbereich, wo der Einsatz von Glyphosat in der Vergangenheit gängige Praxis war, arbeitet man komplett mechanisch mit einer sogenannten Rollhacke, in den steilen Weinbergen im Gründelbachtal gezogen von einer Weinbergsraupe. Insektizide hätten sie noch nie gebraucht und mit einer ausgewogenen Begrünung die Nützlinge gefördert. Dies trage außerdem dazu bei, das Wasser länger zu halten – in den vergangenen trockenen Jahren ein großer Vorteil. Große Probleme bereiten allen Winzern im Mittelrheintal jedoch die Pilzkrankheiten wie der echte und falsche Mehltau sowie die Schwarzfäule.
Nach den Plänen der EU-Kommission soll der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduziert werden. Das würde auch große Flächen im Rhein-Hunsrück-Kreis betreffen. Entsprechend sind die Gemüter erhitzt.Große Flächen im Hunsrück und am Mittelrhein wären betroffen: Bauernverband sieht EU-Entwurf kritisch
Im konventionellen Weinbau kommen dagegen chemisch-synthetische Fungizide zum Einsatz, die über das Blatt von den Pflanzen aufgenommen und über den Saftstrom verteilt werden. Im Ökoanbau dürfen nur sogenannte Kontaktmittel ausgebracht werden, wie Kupfer und Schwefel oder Bicarbonate, die man als Wirkstoff aus dem Backpulver kennt. Diese Mittel wirken, wie der Name beschreibt, über den Kontakt mit den Pflanzen.
Deshalb muss der Winzer öfter spritzen, da bei Neuzuwachs und nach größeren Regenmengen der Schutz schwindet, berichtet Philipps. Einige Ökowinzer setzen auch auf Pflanzenstärkungsmittel wie zum Beispiel Schachtelhalm. „Da schwört jeder auf etwas anderes, wir sind noch am Ausprobieren. Es gibt leider wenig Forschung in diesem Bereich, da hatten wir uns mehr erwartet“, sagt Philipps. Grundsätzlich könne man sagen, dass Hausmittel, die im Garten wirken, auch im Weinberg eingesetzt werden können, das sei nur eine Frage der Umsetzung.
Den EU-Entwurf zum nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutz mit der Mengenhalbierung als Ziel befindet Philipps für sehr pauschal formuliert. In der Praxis hält er den Entwurf für nicht umsetzbar. Auf ersten Listen fanden sich auch Mittel, die Biolandwirte und Biowinzer verwenden dürfen – und die erst ab einer gewissen Menge wirken können. Hinzu kommt: Die Pilzmittel werden vorsorglich ausgebracht, erklärt Philipps. „Wenn man da nur die Hälfte spritzt, ist der Befall abzusehen“, sagt Philipps, und damit auch der Ernteausfall.
Eine eher langfristige Maßnahme gegen die Pilzkrankheiten ist es, auf pilzwiderstandsfähige Sorten zu setzen, die sogenannten Piwis. Diese kommen mit etwa einem Drittel der Pflanzenschutzmittel aus. Dazu zählen zum Beispiel die roten Sorten Cabernet Cortis und Divico, die Philipps im vergangenen Jahr gepflanzt und damit einige Brachflächen rekultiviert haben – ein Steckenpferd der Brüder. Die Konsequenz könnte sein, dass die traditionellen Rebsorten wie Riesling irgendwann vielleicht einmal verschwinden, gibt Philipps zu bedenken.
Naturstoffe sollen nicht unter das Reduktionsziel fallen
Der Ökoweinbauverband Ecovin, dem die St. Goarer beigetreten sind, fordert in einer Stellungnahme „Ja zu weniger Pflanzenschutz, Nein zum SUR-Entwurf“. Dieser differenziere nur unzureichend zwischen chemisch-synthetischen Mitteln und solchen, die im ökologischen Landbau zugelassen sind. „Die Reduzierung des Mitteleinsatzes bemisst sich im Verordnungsentwurf vor allem nach ausgebrachten Kilogramm je Hektar, nicht nach Gefährlichkeit eines Stoffes. Sinnvoller wären Indikatoren, die die Gesundheits- und Umweltrisiken einzelner Wirkstoffe berücksichtigen“, erklärt Ecovin. Aus Sicht des Verbands sollten entsprechend der EU-Öko-Verordnung Naturstoffe nicht unter das Reduktionsziel fallen.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Anbauflächen in den sogenannten empfindlichen Gebieten – neben öffentlichen Grünflächen und Siedlungen sind das vor allem FFH- und Vogelschutzgebiete – dürften demnach gar keine Pflanzenschutzmittel, auch keine biologischen, mehr eingesetzt werden. „Weinbau wird in Deutschland heute auf Tausenden von Hektar jener empfindlichen Gebiete betrieben. Würde die Verordnung in jetziger Fassung verabschiedet, käme das einer Stilllegung dieser Weinberge gleich, da sie noch nicht einmal ökologisch bewirtschaftet werden könnten. Wollen wir diese Kulturlandschaften aufgeben?“, fragt der Ecovin-Bundesvorsitzende Andreas Hattemer.
Das Weingut Philipps-Mühle bewirtschaftet keine Flächen in sensiblen Gebieten. Anders ist das bei Stefan Fendel vom Weingut Weiler-Fendel in Oberwesel, der rund 18 Hektar Fläche am Mittelrhein konventionell bewirtschaftet. Seine „absolute Spitzenlage“ bewirtschaftet er im rechtsrheinisch gelegenen Kauber Roßstein, der als eine der besten Lagen am Rhein gilt – vollständig in Richtung Süden ausgerichtet, sehr steil, toller Boden. Weil der Kauber Roßstein jedoch in einem Wasserschutzgebiet liegt, wäre der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln dort gänzlich verboten. Der aktuelle SUR-Entwurf in seiner jetzigen Fassung wäre also das Aus für den Weinbau auf den 1,1 Hektar dort.
Wir setzen ohnehin so wenig Pflanzenschutz wie möglich ein, der kostet uns schließlich viel Geld.
Stefan Fendel
Fendel findet, in dem Entwurf werde alles über einen Kamm geschoren, das habe mit einer guten fachlichen Praxis nichts zu tun. „Wir setzen ohnehin so wenig Pflanzenschutz wie möglich ein, der kostet uns schließlich viel Geld. Was die Konzentration und die Wirkstoffe angeht, bewegen wir uns in einem sehr moderaten Rahmen. Viele Kleingärtner werden weiterhin nach dem Motto ‚Viel hilft viel‘ vorgehen können“, sagt Fendel. Weil er am Steillagenförderprogramm des Landes teilnimmt, unterliege er ohnehin schon strengeren ökologischen Kontrollen. „Wir betreiben dort seit 60 bis 70 Jahren Weinbau, ohne dass es für das Wasserschutzgebiet negative Auswirkungen hat.“
Ihm fehlt bei dem Entwurf die wissenschaftliche Herangehensweise, etwa eine fundierte Betrachtung, welche Folgen dieser Entwurf für die Landwirtschaft und den Weinbau hat. „Wer kann sich denn den Mittelrhein ohne Weinbau vorstellen? Da hängt so viel dran“, sagt der Winzer. „Gott sei Dank ist die ganze Branche in Aufruhr, denn wenn die Verordnung so kommt, wäre es der Todesstoß für viele Weinberge und Winzer am Mittelrhein“, sagt Fendel.
Kreis-CDU tauscht sich mit Winzern aus
Die CDU im Rhein-Hunsrück-Kreis lehnt den Entwurf der EU-Pflanzenschutzverordnung ab, darüber informiert die Partei in einer Pressemitteilung. Die Christdemokraten befürchten bei einer Zustimmung weitreichende Konsequenzen für den Weinbau am Mittelrhein. So könnten wesentliche Weinbauflächen nicht mehr genutzt werden. Damit drohe das Aus für zahlreiche Winzer. Zu diesem Ergebnis sei man in einem Austausch gekommen, zu dem der Kreisvorsitzende Tobias Vogt und sein Stellvertreter Noel D’Avis Winzer vom Mittelrhein nach Oberwesel eingeladen hatten. „Pflanzenschutz ist wichtig. Der aktuelle Verordnungsentwurf der EU-Kommission gefährdet jedoch große Teile des Weinbaus am Mittelrhein und der Landwirtschaft in unserer Heimatregion“, sagt Vogt.
Der CDU-Europaabgeordnete Ralf Seekatz berichtete über den aktuellen Verordnungsentwurf der EU-Kommission. Dieser sieht eine umfassende Einschränkung der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln vor. Sollte die Verordnung in dieser Ausführung in Kraft treten, wäre auf über 30 Prozent der bisher in Rheinland-Pfalz landwirtschaftlich genutzten Flächen der Anbau als solches nicht mehr möglich, so Seekatz. Sogar die Biolandwirtschaft wäre davon betroffen. „Das ist vor allem angesichts einer möglichen Versorgungsknappheit bedenklich – und wird zudem zu höheren Preisen führen“, sagt Seekatz.
Auch die Nutzung von Pflanzenschutzmitteln im Weinbau werde erheblich eingeschränkt, sodass zahlreiche Flächen nicht mehr bewirtschaftet und der Anbau von klassischen und am Markt etablierten Rebsorten nicht mehr erfolgen könne. Auch wesentliche Teile des Weinanbaugebiets Mittelrhein wären von der EU-Verordnung betroffen. „Das würde teils einer Stilllegung des Weinbaus auch in unserer Region bedeuten – mit entsprechenden Auswirkungen auch auf das bekannte Landschaftsbild. Es droht das Aus für viele Winzer“, befürchtet Vogt. Auch negative Konsequenzen für Tourismus und Gastronomie wären die Folge.
Der Verordnungsentwurf sorgt sowohl bei den CDU-Politikern als auch bei den Winzern am Mittelrhein für völliges Unverständnis. Die Winzer, allen voran Albert Lambrich, Jörg Lanius und Christiane Lambrich-Henrich, erläuterten die Situation und die fatalen Konsequenzen für den Weinbau, die sie im Falle einer Zustimmung zur EU-Pflanzenschutzverordnung befürchten. Dabei hätten die Winzer auch deutlich gemacht, dass pauschale Verbote der Wirklichkeit nicht gerecht werden könnten und die Winzer ohnehin ein eigenes Interesse haben, weniger Pflanzenschutzmittel einzusetzen.
Daher sei auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Die CDU sei gegenüber einer fachlich sinnvollen Reduzierung der eingesetzten Pflanzenschutzmittel offen, sagte Seekatz. Doch damit habe angesichts der weitreichenden Konsequenzen für Weinbau und Landwirtschaft der aktuelle Verordnungsentwurf der EU-Kommission nichts zu tun. „Pauschale Pflanzenschutzverbote sind der falsche Weg. Der aktuelle Verordnungsentwurf ist in der vorgelegten Form nicht zustimmungsfähig. Die EU-Pläne müssen im Sinne des Weinbaus und der Landwirtschaft in unserer Heimatregion verhindert werden“, waren sich Seekatz und Vogt einig. red