Sonderausstellung in Koblenz
Erstmals öffentlich zu sehen: „Oberwesel on the Rhine“
"Oberwesel on the Rhine" lautet der Titel dieses Gemäldes von David Roberts.
Ulrich Linnemann

Eine Sonderausstellung wird am Freitag im Mittelrhein-Museum in Koblenz eröffnet: „Too beautiful! – Der englische Blick auf den Rhein“. Gezeigt wird dort unter anderem ein ganz besonderes Gemälde des englischen Malers David Roberts.

Wenn am kommenden Wochenende im Mittelrhein-Museum in Koblenz die Sonderausstellung „Too beautiful! – Der englische Blick auf den Rhein“ eröffnet wird, kann auch ein Gemälde von Oberwesel bewundert werden. Erstmals in der Öffentlichkeit zu sehen ist eine im Jahr 1826 entstandene Ansicht Oberwesels von David Roberts (1796–1864), der als bedeutendster britischer Vedutenmaler des 19. Jahrhunderts gilt. Die befristete Leihgabe kommt von Blanka und Ulrich Linnemann aus Bad Schwalbach. Ulrich Linnemann ist am Mittelrhein als Kurator des Burgmuseums Marksburg kein Unbekannter.

Titel und Konzept der Ausstellung erläutert das Mittelrhein-Museum wie folgt: 1845 unternahm die britische Königin Victoria mit ihrem deutschen Prinzgemahl Albert von Sachsen-Coburg und Gotha eine Kreuzfahrt auf dem Rhein. Von der romantischen Flusslandschaft überwältigt, schrieb sie über den Drachenfels in ihr Tagebuch: „Too beautiful!“. Die beiden Royals waren aber keineswegs die ersten Briten am Rhein. 2024 jährt sich auch der Todestag von Lord Byron zum 200. Mal, dessen Dichtungen dem Rhein nicht nur auf der britischen Insel zu ungeahnter Popularität verhalfen. Dies gab den äußeren Anlass für eine Ausstellung, in der sich das Mittelrhein-Museum und das Siebengebirgsmuseum Königswinter gemeinsam der Entdeckung der Rheinlandschaft durch britische Touristen und Künstler im 19. Jahrhundert widmen. Dem Rheinlauf folgend, zeigen Bilder britischer Künstler die wichtigen Stationen der Reisenden entlang des Rheins. Neben Gemälden und Aquarellen bekannter Künstler wie Clarkson Stanfield, Samuel Prout und David Roberts sowie William Turner sind Karikaturen zu sehen, die die Reiseleidenschaft der Briten dokumentieren und die eine bis heute nachwirkende Wahrnehmung der typischen Touristen begründeten.

Ausstellung war bereits im Siebengebirgsmuseum der Stadt Königswinter zu sehen

Zu sehen war diese Ausstellung bereits im Siebengebirgsmuseum der Stadt Königswinter (23. August 2024 bis zum 9. März) – allerdings ohne die Oberwesel-Ansicht von David Roberts. Zu diesem Zeitpunkt wussten Linnemanns noch nicht von der Ausstellung, und so ist das Gemälde auch nicht in dem zur Ausstellung erschienenen Katalog erfasst. Das kleinformatige, auf Holz ausgeführte Ölgemälde, ist rechts unten vom Künstler eigenhändig signiert und datiert. Auf der Rückseite findet sich mit schwarzer Tinte kaum lesbar in alter Schrift die Angabe „Oberwesel on the Rhine / Roberts“ – eine Entdeckung, die den Leihgebern noch kurz vor der Ausleihe nach Koblenz glückte.

Interessant ist auch: Linnemann hatte das Gemälde 2018 in einem norddeutschen Auktionshaus erworben – vermutlich aus deutschem Privatbesitz. Das Motiv zeigt laut Katalogtext „Fischerboote auf Bergsee und Fischerfrauen am Ufer den Fang anbietend vor Burghintergrund“. Bergsee – welch ein Irrtum! An der Urheberschaft von David Roberts besteht für Linnemann kein Zweifel. „Signatur, rückseitige Bezeichnung, Stil und Datierung passen“, sagt er und fügt hinzu: „Es ist unseres Wissens nach die einzige originale Oberwesel-Ansicht von David Roberts, die sich auf dem europäischen Festland befindet. Zugleich ist sie weltweit die älteste aller seiner bisher bekannten Fassungen der Ansicht Oberwesels vom Rheinufer.“

„Die Komposition der Ansicht, ihr heller, luftiger Charakter, aber auch die schematisiert und in ihren Proportionen überhöht dargestellten Bauwerke erinnern an Kulissenmalerei.“
Ulrich Linnemann, Kurator des Burgmuseums Marksburg, der das Gemälde zur Verfügung gestellt hat 

Der Museumsmann der Marksburg gerät geradezu ins Schwärmen: „Die Komposition der Ansicht, ihr heller, luftiger Charakter, aber auch die schematisiert und in ihren Proportionen überhöht dargestellten Bauwerke – deutlich insbesondere im Hintergrund bei der Pfalzgrafenstein und der Burg Schönburg – erinnern an Kulissenmalerei, in der David Roberts langjährige berufliche Erfahrungen sammelte, bevor er sich der Staffelmalerei zuwandte“, erklärt er. Die sommerliche Leichtigkeit dieser ersten Fassung der Ansicht Oberwesels – Roberts hat Linnemanns Recherchen zufolge mehrere erstellt – erreichten weder das jüngst in Australien aufgetauchte Ölbild von 1829 noch die späteren Zeichnungen.

In seinem noch unveröffentlichten Manuskript spricht Linnemann von einer „der wohl bekanntesten Ansichten, die David Roberts vom Oberen Mittelrhein schuf, unter denen sie zu seinen Lebzeiten die populärste war – die Uferansicht von Oberwesel, des pittoresken mittelalterlichen Städtchens, das grob mittig zwischen Koblenz und Bingen auf dem linken Rheinufer liegt.“ In der Nachfolge William Turners sei Oberwesel in den 1820er-Jahren von mehreren britischen Künstlern der Rheinromantik gezeichnet worden, die zumeist die Uferansicht mit Blick stromaufwärts auf den Ochsenturm als Oberwesels markantes und bekanntestes mittelalterliches Baudenkmal wählten. Oberwesels besondere Vorzüge für den Künstler wie für den britischen Rheinreisenden der 1820er-Jahre habe Robert Batty treffend formuliert. In seinem 1826 erschienenen, mit 60 Stahlstichen illustrierten Rheinreisewerk schreibt er zu Oberwesel: „Das Erhabene, das Pittoreske und das Schöne sind hier bewundernswert vermischt; und die Ansichten, sowohl der Stadt mit ihrer umkämpften alten (Stadt-)Mauer und Türmen, als auch der umliegenden bergigen Landschaft, sind interessant, von welchem Standort sie auch immer gesehen werden.“

George Clarkson Stanfield hat das Bild "St. Goarshausen und die Loreley" 1877 gemalt. Auch dieses Kunstwerk ist Teil der Ausstellung, die am Freitag in Koblenz eröffnet wird.
Mittelrhein-Museum/Dauerleihgabe der IHK Koblenz/Repro: Thomas Hardy

Erhaben, pittoresk, schön – zweifelsohne treffen diese Attribute auch auf „Oberwesel on the Rhine“ von Roberts zu. Zurück zur Ausstellung, die am Freitag in Koblenz eröffnet wird: Wenngleich bekannte englische Maler wie Roberts – und auch Schriftsteller – das heutige Bild von den Engländern am Rhein geprägt haben, so gehörte das Gros doch ganz anderen Berufsgruppen an. Ein Ziel des Ausstellungsvorhabens ist es, den Blick zu weiten und neben den Erlebnissen der Berühmtheiten auch charakteristische Episoden mit weniger bekannten Protagonisten zu erzählen. Die Ausstellung soll die Reiseerfahrungen von Frauen ebenso wie die von Männern berücksichtigen, Typisches wie Außergewöhnliches schildern. Und außergewöhnlich ist die Ausstellung allemal – wie sagte Queen Victoria? „Too beautiful!“

Die Vernissage dieser Sonderausstellung, die in Kooperation mit dem Siebengebirgsmuseum Königswinter, der Sammlung RheinRomantik und dem Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz entstanden ist, ist am Freitag, 9. Mai, ab 19 Uhr. Zu sehen ist die Ausstellung vom 10. Mai bis zum 7. September. Zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Katalog im Kunstverlag Josef Fink. 

Massentourismus hat bereits im 19. Jahrhundert begonnen

Nach den Napoleonischen Kriegen konnten ab 1815 die Briten wieder frei auf den Kontinent gelangen. Moderne Dampfschiffe brachten Reisende schnell und bequem von London bis ins Rheinland. 1828 nutzten bereits 33.000 Touristen den Linienverkehr auf dem Rhein. Die Hälfte waren Engländer; die Zahl an Hotels, Schiffsanlegern und Eisenbahnlinien wuchs zügig. 1845 unternahm die britische Queen Victoria mit ihrem Prinzgemahl eine Kreuzfahrt auf dem Rhein. Von der romantischen Landschaft überwältigt, schrieb sie über den Drachenfels in ihr Tagebuch: „Too beautiful!“. Eine wichtige Rolle kam den englischen Malern und Schriftstellern zu, deren Werke das Publikum begeisterten und zu eigenen Reisen animierten. Das pittoreske enge Rheintal mit den vielen verfallenen Burgen bot Inspiration und Anschauungsmaterial gleichermaßen. Zudem verstand man die hiesige Landschaft als Schauplatz der jüngsten Geschichte, deren Zerstörungen noch lange Zeit sichtbar blieben. 

1816 bereiste der Dichter Lord Byron (1788–1824) den Rhein und verfasste das Gedicht „The Castled Crag of Drachenfels“. Viele Maler folgten seinen Spuren und erreichten mit ihren Bildern ein großes Publikum. Daraufhin besuchten William Turner (1775–1851) und Clarkson Stanfield (1793–1867) den Rhein und auch die damals weniger bekannten Nebenflüsse. Von Samuel Prout stammt das Bild „Niederlahnstein am Rhein“. Es ist nach 1821 entstanden. Auch dieses Bild ist in der Ausstellung zu sehen. Aus Gemälden, Aquarellen und Fotografien sowie Tagebüchern, Reiseliteratur und Karikaturen lassen sich die Vorlieben und Erwartungshaltungen der Reisenden ablesen. Gleichzeitig wird offenkundig, dass manche Auswüchse des Massentourismus bereits im 19. Jahrhundert im Kern angelegt waren.
Bildrecht und Repro: LBZ/Rheinische Landesbibliothek

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