Rhein-Hunsrück-Zeitung
Erkennen, dass wir alle anders sind: Thomas Torkler zu Stolpersteinen in Kirchberg

Die Vergangenheit endlich mal ruhen lassen? Es muss doch schließlich mal Schluss sein mit dem ewig erhobenen Zeigefinger? Wir leben ja im 21. Jahrhundert, und der Zweite Weltkrieg ist doch längst vorbei! Solche Sprüche sind so bekannt wie fehl am Platz.

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Das Einzige, was aus diesen Sätzen stehen bleiben darf, ist: „Es muss doch endlich mal Schluss sein.“ Aber natürlich in anderem Sinn. Wenn die 14-jährige Schülerin Finni Wagner aus Kirchberg berichtet, sie habe in ihrer Schule und in ihrem Umfeld noch keinen Antisemitismus erlebt, dann darf man hoffen, dass das auch so bleibt.

Aber kaum schreibt man diese Zeile, drängt sich die Frage auf: Warum muss man hoffen, dass es so bleibt? Weil eben noch lange nicht Schluss zu sein scheint. Täglich erfahren wir in den Nachrichten, dass Antisemitismus allgegenwärtig ist. Mehr noch: Das weltweit Menschen angefeindet werden, weil sie sich entschieden haben, in bestimmter Art und Weise zu leben, irgendeine Religion praktizieren oder sich nach anderen selbst auferlegten Regeln richten. Oder einfach, weil sie dort hineingeboren wurden. Menschen sterben in irgendeines Gottes Namen. Islamisten töten Ungläubige, Christen haben das vor 500 Jahren getan. Im Namen Gottes, nachdem Columbus die sogenannte Neue Welt entdeckt hat. In Nordirland jagten sogar die einen Christen die anderen Christen in die Luft.

Und in der Inspektionsgasse krakeelt ein Anwohner gegen Stolpersteine, die Mahnmale gegen das Vergessen, die sich genau dagegen wenden, gegen die Diskriminierung, die Verfolgung und das Töten von Menschen. Menschen, die einfach nur „anders“ sind, die anders aussehen, anders denken, etwas anderes essen, die sich anders verhalten, denen andere Dinge wichtig sind. Dabei wird zu leicht vergessen: Wir sind alle „anders“.

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